"Metablau und Gestautes Grün": Sammlung Thomas aus Weiden in Chemnitz ausgestellt

Weiden in der Oberpfalz
19.03.2023 - 13:40 Uhr
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Bis Juni sind bei den Kunstsammlungen Chemnitz Grafiken aus der Sammlung des Weidener Ehepaars Thomas zu sehen. Eine besondere Ausstellung, die dem Besucher einen ganz persönlichen Blick auf die Kunst – und das Sammlerehepaar erlaubt.

Es sind Werke von Picasso, Braque, Miró, Beckmann, Warhol, Fruhtrunk, Tàpies oder Beuys, die seit Samstag in einer Ausstellung der Kunstsammlungen Chemnitz zu sehen sind: Große Namen – für Christoph und Konstantin Thomas aber viel mehr als das. Für die Brüder aus Weiden ist es eine sehr persönliche Ausstellung, eine Schau des ureigenen Blicks ihrer verstorbenen Eltern auf die westliche Kunstszene der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Unternehmer Hans Robert Thomas, der maßgeblichen Anteil an der Entwicklung von Hueck Folien in Pirkmühle hatte, starb 2019 mit 94 Jahren, seine Frau Brigitte zehn Jahre früher.

Das Weidener Ehepaar Thomas hatte seit den 1950er Jahren Ausstellungen, Museen und Galerien besucht, seit den 1960ern sammelte es Kunst, insbesondere Grafiken. Vor allem der Vater war dem Druck sehr verbunden – auch als Unternehmer, berichtet Konstantin Thomas. Die Besonderheit: Das Ehepaar Thomas hat nicht nach einem kunsthistorischen Konzept gesammelt – nicht ausschließlich eine Epoche, eine bestimmte Drucktechnik. Nein, gesammelt wurde nach persönlichem Geschmack. "Es ging um ein Leben mit der Kunst", sagt Christoph Thomas. "Beim Betrachten spürt man die Persönlichkeit der Sammler," ergänzt sein Bruder Konstantin. Auch die persönliche Bekanntheit zu den Künstlern sei ein prägender Punkt dieser Sammlung, so Katrin Bielmeier, Kunsthistorikerin und Kuratorin von "Metablau und Gestauchtes Grün". Das Weidener Ehepaar war freundschaftlich mit Künstlern und Galeristen verbunden – weit über die Sammeltätigkeit hinaus. Die Kunst und der Austausch darüber war für sie ein bedeutender Teil des Alltags.

Werke von Georges Braque: Teil der Kindheit

Begleitet man Kuratorin Katrin Bielmeier durch die Ausstellung, spürt man, wie sehr ihr Herz an jeder einzelnen Grafik hängt und wie schwer ihr die Auswahl fiel. Hat sie schließlich auch jedes Blatt begutachtet, erfasst und digitalisiert, damit die Sammlung bald auch online angesehen werden kann. "Aber wie viel Blätter einer 15-teiligen Serie von Joan Miró kann ich zeigen?" Sie lacht. Ein Blick an die Wand verrät die Antwort: Es sind sechs, insgesamt umfasst die Ausstellung 126 Grafiken von 26 Künstlern. Zur Lagerung des Sammlernachlasses wurde eigens ein Raum freigeräumt und mit Grafikschränken bestückt. Drei Monate sollen die Grafiken hier nun ausgestellt werden – das ist für solche Grafiken die maximal empfohlene Zeit, damit Papier und Farbe keinen Schaden nehmen, erklärt Bielmeier.

Eine der bedeutendsten Schenkungen in der Museumsgeschichte

Auf dem Weg durch die Ausstellung erinnern sich die beiden Söhne Konstantin und Christoph immer wieder an ihr Aufwachsen mit der Kunst. Besonders die Arbeiten des französischen Malers Georges Braque sind Christoph Thomas im Gedächtnis: "Sie lagen in Schüben im Esszimmer – und waren Teil unserer Kindheit." Treffen mit dem Maler Piero Dorazio oder ein Besuch bei Günter Fruhtrunk in Paris haben die Brüder schon früh tief beeindruckt.

Nach dem Tod ihrer Eltern stellte sich für die vier Kinder die Frage nach dem Wohin, die sich bald mit: Als Schenkung zur Grafischen Sammlung der Kunstsammlungen Chemnitz beantworten ließ. Sie stießen damit in Sachsen zunächst auf Skepsis. "So umfangreiche Schenkungen werden heute, wo personelle und räumliche Ressourcen knapp sind, nur ungern angenommen", sagt Kunsthistoriker Frédéric Bußmann, Generaldirektor der Kunstsammlungen bei der Vernissage in Chemnitz am Samstagabend. Die vierstellige Zahl an Druckgrafiken habe ihn zunächst abgeschreckt. Doch nach Besuchen in Weiden – Bußmann beschreibt das Haus von Brigitte und Hans Robert Thomas als das eines "lustvollen Sammlerehepaars" mit Leidenschaft für Kunst und Künstler – änderte er seine Meinung.

Bußmann und seine Kollegen wählten schließlich jene 2000 Blätter aus, die nun zu den Kunstsammlungen Chemnitz – mit einem Bestand von vormals rund 16 000 Blättern – gehören. Für das Museum ist es eine der größten und bedeutendsten Schenkungen seiner Geschichte. "Die Familie zeigte sich sehr offen, großzügig und zugleich bescheiden", so Frédéric Bußmann: Das sei bei solch beachtlichen Schenkungen oft nicht der Fall. Mit den Grafiken der westlichen Nachkriegsmoderne, die zu DDR-Zeiten nicht im Fokus des Museums gestanden hatten, konnte es durch die Sammlung aus der Oberpfalz in Teilen seine Lücken schließen. Dass die Grafiken in Chemnitz eine neue Heimat gefunden haben, sei ganz in Sinne ihrer Eltern, betont Christoph Thomas: "Ich habe das Gefühl, die Sammlung ist hier sehr gut aufgehoben."

Hintergrund:

Zur Ausstellung

  • Metablau und Gestautes Grün: Ausstellung der Schenkung der Grafiksammlung Brigitte und Hans Robert Thomas in den Kunstsammlungen am Theaterplatz 1 Chemnitz; Öffnungszeiten: Dienstag, Donnerstag bis Sonntag und an Feiertagen: 11 bis 18 Uhr, Mittwoch 14 bis 21 Uhr, zu sehen bis 4. Juni
  • Titelgebende Werke: "Metablau (Rot – Ultramarin)" von Ernst Wilhelm Nay; "Gestautes Grün" von Günter Fruhtrunk – mit beiden Künstlern war das Ehepaar Thomas freundschaftlich verbunden
  • Herzstück der Ausstellung: Schaffen von Antoni Tàpies, spanischer Maler, Bildhauer und Grafiker, der 2023 hundert Jahre alt geworden wäre; die 820 Blätter aus der Sammlung Thomas machen gut die Hälfte seines druckgrafischen Gesamtwerkes aus
 
 

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