Der Kalauer liegt so schmackhaft da wie Rostbratwürste auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt: "Gestern noch in Rom, heute die Steigerung - die nördliche Oberpfalz," greift Markus Söder zu. Er weiß, wie man sich beliebt macht. Beim Neujahrsempfang der CSU-Kreisverbände Weiden, Neustadt/WN und Tirschenreuth in der Max-Reger-Halle ist der Ministerpräsident ganz der Charmebolzen. Die Abteilung Attacke hat am Dreikönigstag fast komplett frei.
Landesväterlich und ohne jede Spur von Reisestrapaze erzählt der CSU-Parteichef von der beeindruckenden Abschiedsfeier für den bayerischen Papst Benedikt im Petersdom am Tag zuvor, zufällig das Datum von Söders 56. Geburtstag. Der Nürnberger gibt dann auch gleich eine Kostprobe seiner eigenen Menschenfischer-Qualitäten. Er sei ein Bewunderer dieser Region zwischen Stiftland und Tillyschanz. "Wir reden hier über Chancen und schon lange nicht mehr über Krisen und Wegzug." Fast um zu testen, ob diese Botschaft wirklich angekommen ist, schickt er den Satz hinterher, der bei der Basis nördlich von Schwabing immer funktioniert: "Bayern besteht nicht nur aus München." Kräftiger Beifall wickelt den Saal in Wohlfühlatmosphäre.
Die genießt Söder am Mikrofon 40 Minuten lang sichtlich. Er spricht von Hoffnung, Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft. In diesem Moment könnte man vergessen, dass es 2023 für die CSU und Söder um viel geht. Am 8. Oktober ist Landtagswahl. Die Partei strebt 40 Prozent plus x an, um in der Koalition mit den Freien Wählern weiter zu regieren. Daher ist es auch interessant, was Söder nicht sagt. Kein einziger Giftpfeil fliegt Richtung Katharina Schulze oder Florian von Brunn. Will heißen: Verzwergung der Opposition durch Nichtbeachtung.
Wasserkraft und Windräder
Warum auch auf die Nörgler hören? Bayern sei doch in vielen Belangen spitze: die meisten Industriearbeitsplätze, die meisten Dax-Unternehmen, die meisten Handwerksbetriebe; mehr Investitionen in Künstliche Intelligenz als in Italien, Spanien oder Kanada; mehr Energieerzeugung aus Biomasse und Wasserkraft als Hessen und Rheinland-Pfalz aus allen erneuerbaren Energiequellen. Und auch beim Windkraftausbau gehe es vorwärts. Die 10-H-Regelung nimmt Söder nicht in den Mund. Er lässt aber durchblicken, dass Windräder andernorts doch noch besser aufgehoben seien. "In Berlin hat man den Eindruck, als ob nur noch die Windkraft zählt. Aber auf dem Meer weht es nun mal stärker als bei uns."
Berlin, das ist die Stadt, die ihre Polizei ausbluten lässt und nicht mal Wahlen organisieren kann. Das Meer, das ist Norddeutschland. Dort fordern sie, dass Bayerns Bürger höhere Strompreise zahlen sollen, weil sie weniger Windkraft haben. "Aber Bayern gibt neun Milliarden Euro in den Länderfinanzausleich. Jeder von Ihnen in der Halle zahlt im Jahr 1300 Euro an einen Bremer und 1000 Euro an einen Berliner. Wenn Albert Rupprecht im Bundestag eine Besuchergruppe aus Bayern empfängt, müssten die Berliner eigentlich jedem Einzelnen danke sagen."
Der humorbegabte Charmeur ist auf einmal der Südstaaten-General, der mit dem Säbel Richtung Reichstag fuchtelt. "Diese Ampel ist norddeutsch, da fehlt das Gefühl für den Süden." Und auf der Hardthöhe "klebt eine Verteidigungsministerin fester im Amt als andere auf der Straße".
Hände weg von Winnetou
Kein Gespür für den Süden, dafür für Gendern, die politische Unkorrektheit von Winnetou und Veganismus als beglückende Lebensform. Das Wort "Wokeness" spricht Söder in diesem Zusammenhang aus, als würde es ein Bernhardiner bellen. In Bayern habe man Wichtigeres im Kopf. Zum Beispiel Handwerksbetriebe bei der Erbschaftssteuer nicht auszupressen, Pflegegeld zu zahlen, Medizinstudienplätze auszuweisen und Bauern den Rücken zu stärken.
Der Vormittag liefert noch weitere Erkenntnisse. Erstens: Benjamin Zeitler sucht im Saal demonstrativ die Nähe zum Ministerpräsidenten und wird dafür als "Noch-nicht-OB" begrüßt. Zweitens: Albert Rupprecht und Tobias Reiß sind stolz darauf im Unterschied zum einen Jahr älteren Söder Achtundsechziger zu sein. Gemeint ist das Geburtsjahr. Drittens: Der Parteivorsitzende ist ein bisschen der Pontifex der CSU. Schließlich überreicht ihm Reiß als Gastgeschenk ein schwarzes Franziskus-Kreuz aus der Waldsassener Glashütte Lamberts: "Das erste Exemplar der Serie hat der Heilige Vater bekommen."
Ein Geburtstagsständchen von der Stadtkapelle Neustadt/WN, Fotos mit Zuhörern und die Bayernhymne. Markus Söder ist wieder zu Hause und die CSU Nordoberpfalz gut gelaunt im Wahljahr angekommen.
Leider sind meinem Leserbrief wohl aus Platzgründen einige Spitzen verloren gegangen, weswegen ich diesen hier in voller Länge nachliefern möchte 😉
Vom Neujahsrempfang der CSU wird berichtet, Söder hätte gesagt, dass jeder Bayer über den Länderfinanzausgleich jährlich 1300 Euro an einen Bremer und 1000 Euro an einen Berliner zahlt. Wie immer bei Söders sehr freiem Umgang mit den Fakten sollte man hier doch etwas genauer hinsehen. Wenn ich mir die Zahlen für den LFA von 21 so ansehe, zahlte Bayern von den insgesamt rund 17 Mrd. Euro rund 9 Mrd. also ca. 690 Euro pro bayrischem Kopf. Bremen hat rund 830 Mio. Euro erhalten, davon rund 440 Mio. aus Bayern und den Rest aus anderen "Geberländern". Wenn man nun diese 440 Mio. Euro auf die rund 13 Mio. Bayer*innen umlegt, kommt man auf rund 34 Euro, die pro Kopf aus Bayern nach Bremen fließen. Diese 34 Euro sind auch bei großzügiger Rundung wie ich sie angewendet habe weit entfernt von den 1300 Euro, die Söder primitivpopulistisch in den Ring bzw. die Max-Reger-Halle geworfen hat.
Hanlon gebietet ja, nichts der Böswilligkeit zuzuschreiben, was nicht auch durch Dummheit hinreichend erklärbar ist. Die ist hier (genauso wie eine Rechenschwäche) jedoch nicht mehr zur Entschuldigung heranzuziehen, weshalb man Söder unterstellen muss, bewusst die Unwahrheit gesagt, vulgo vorsätzlich gelogen zu haben. Seit Trump erfolgreich beweisen hat, dass mit Lügen genauso gut Politik zu machen ist, hat sich dies hierzulande schnell bei rechtsextremen Parteien bewährt und ist mittlerweile auch bei Rechtskonservativen und Vulgärliberalen angekommen. Dass so etwas von den anwesenden Dirndln und Trachtenjankern noch begeistert beklatscht wird, wundert mich nicht. Dafür erschüttert es mich umso mehr, dass solche Methoden auch noch von mehr als einem Drittel der Wähler*innen goutiert werden.
Auch Söders abwertende Kritik an der Wokeness ist äußerst bedenklich. Woke steht für "In hohem Maß politisch wach und engagiert gegen (insbesondere rassistische, sexistische, soziale) Diskriminierung" oder Toleranz, Gerechtigkeit und Solidarität. Das sind Werte, die sich durchaus mit denen decken, die auch oft als "christliche Werte" angesehen werden und regelmäßig von "christlichen" Parteien zitiert werden, ohne sie aber jemals detailliert zu nennen.
Wer so einen Begriff diffamierend verwendet, zeigt, wie sehr ihm diese Werte am Allerwertesten vorbei gehen, wenn der verzweifelte Machterhalt an erster Stelle steht. Wenn der Kampf gegen gleichberechtigte Sprache, für politische Unkorrektheit, gegen Lebensweisen, die dringend erforderlich wären, um die Umwelt zu retten, und gegen den Fortschritt, wichtiger sind, als die Zukunft der Bürger*innen, zeigt das wie verdorben der Charakter mancher Politiker*innen ist, die sich nicht einmal zu schade dafür sind, den Tod der von ihnen angeblichen verehrten Geistlichen zur eigenen Inszenierung zu nutzen.
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Ihre politische Heimat werden Sie bei der CSU nicht finden. Ich denke, dass ist jedem klar geworden. Vielleicht sollten Sie besser diejenige Partei stärken, die Ihren Vorstellungen entspricht, als immer nur auf dem politschen Gegner rumzuhacken. Oder woran sonst mag das liegen, dass weder Sie noch die anderen Parteien ausserhalb des bürgerlichen Lagers ihre politischen Werte dem bayerischen Wähler nicht genügend verkaufen können?
Die CSU ist nun mal eine rein bayerische Partei. Alle anderen Parteien müssen sich ständig ihrem Bundesvorstand unterwerfen, mit Ausnahme der Freien Wähler. Und ich denke, genau das ist es, was der bayerische Wähler am bürgerlichen Lager in Form von CSU und Freien Wählern zu schätzen weiß: Sie kümmern sich allein um bayerische Ziele - und genau das erwartet der bayerische Wähler, zumindest die meisten davon.
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Ihr Kommentar, zumindest Ihre Ergänzung hier zeigt viel naive Polemik, wenig sachliches. Sie argumentieren an den Themen komplett vorbei - und stützen sich selbst auf falsche Tatsachen
Ich zitiere aus dem Artikel:
" Jeder von Ihnen in der Halle zahlt im Jahr 1300 Euro an einen Bremer und 1000 Euro an einen Berliner."
Damit ist wohl kaum "jeder Bayer" gemeint, wie Sie es behaupten, sondern lediglich die dort geladenen Parteifreunde.
Und da Sie weder Zahl der Gäste noch deren Steueraufkommen kennen dürften, hat ihre Rechnung mit den Äusserungen unseres MP überhaupt nichts zu tun. Sie bringen zwischendurch "Böswilligkeit" und "Dummheit" ins Gespräch. Hm... "Böswilligkeit" unterstelle ich Ihnen auch nicht.
mit freundlichen Grüßen
Max Kreitmair, JU Weiden.
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Wurde da wirklich das Steueraufkommen aller Gäste aufgenommen und der Schnitt errechnet, der von jedem oder jeder Anwesenden an jeden Bremer oder jede Bremerin ging? Das kann ich mir nicht mal bei der CSU vorstellen 😂
So lange mir da keiner eine bessere Rechnung als meine vorlegen kann, gehe ich weiter von einer vorsätzlich herbeigelogenen Zahl aus, um Stimmung gegen den LFA zu machen - jetzt, wo Bayern nicht mehr direkt davon profitiert. Ich bin gespannt, ich habe die Berechnungsgrundlage schon in der Staatskanzlei angefragt. Schau mer mal, wer näher an der richtigen Zahl liegt, Söder oder ich ...
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Sie scheinen ja der einzige von Söders Gegnern zu sein, dem da ein Rechenfehler aufgefallen wäre. Auch ansonsten scheinen Sie vielen überlegen zu sein. Jetzt brauchen Sie nur noch Wähler…
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Die Argumente werden nochmal dünner ...
Der einzige war ich übrigens nicht, aber wie es ausschaut der einzige, der in die schwarze Blase durchgedrungen ist:
https://www.onetz.de/oberpfalz/weiden-oberpfalz/skutella-soeder-nutzt-falsche-zahlen-id3902900.html
Und keine Angst, mir braucht niemand eine Stimme zu geben. Ich war lang genug in der Jungen Union, um zu sehen, zu was man sich da machen muss, um auch nur annähernd an die Futtertröge zu kommen. Dafür bin sogar ich mir zu schade.
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Reduziert man Ihre aufgeblähten Kommentare um die zahlreich enthaltenen farbigen Metaphern, bleibt leider auch nicht viel übrig. Ausser Ihr falscher Ansatz. Denselben hat der Kollege Skutella wenigstens schon bemerkt und von seinen SocialMedia Kanälen auch mittlerweile entfernt, soweit ich das überblicken kann.
Nicht jeder bayerische Steuerzahler kann, wie Sie, einen Holan zitieren. Aber den meisten davon traue ich zu, mit den Quellen von z.B. Statista seinen Beitrag am bayerischen Anteil des Finanzkraftausgleich zu errechnen. Und wieviel von den besagten jährlichen 1300 EUR nach Bremen oder Berlin fließen, dürfte jedem da so ziemlich egal sein. Er hat die 1300 EUR im Jahr zu erarbeiten und abzuliefern.
Sie haben Recht, auch Bayern hat mal vom LFA profitiert. Aber Bayern hat dieses Geld als Hilfe zur Selbsthilfe verwendet, nicht als bequeme Dauerfinanzspritze. Bayern hat sich angestrengt und sich entwickelt. Und die CSU war da wohl auch etwas beteiligt. Ist es da nicht legitim, von den jetzigen Nehmerländern dieselbe Leistung einzufordern und sie an das Subsidiaritätsprinzip unseres Staates zu erinnern, besonders nach so langer Zeit des Nehmens?
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Sehr geehrter Herr Kreitmair,
ich habe nichts von meinen Social Media Kanälen entfernt. Diesen "Rechenfehler" hat der Ministerpräsident bewusst an mehreren Tagen in ganz Bayern verbreitet. Eine größere bayerische Zeitung hat dies bereits thematisiert und auf den Fehler ebenfalls aufmerksam gemacht. Ich bleibe bei meiner Position und möchte noch hinzufügen, dass meiner Kenntnis nach Markus Söder als bayerischer Finanzminister den jetzt kritisierten Länderfinanzausgleich verhandelt hat, was sein Statement noch schiefer wirken lässt.
Mit freundlichen Grüßen,
der Kollege Skutella
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Planlos geht die CSU mit Söder in die Landtagswahl.
Farblose Veranstaltung – bis auf die Glasherzen.
Nicht alle Oberpfälzer kann man mit Stories von gestern locken.
Keine Kernaussagen zur Zukunft in Bayern.
Weiter so, der Ast der CSU ist angesägt.
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diese durchschaubare selbst herrliche rede von herrn söder ist mal wieder typisch. ihm gehts nicht um die oberpfalz, sondern um ihm selbst. so für dumm verkaufen lassen sich die oberpfälzer wähler auch nicht mehr
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