Weiden in der Oberpfalz
06.02.2020 - 21:33 Uhr

"Dieses Pferd ist eine tickende Zeitbombe"

Das Landgericht Weiden muss sich derzeit mit einem Pferd befassen, das partout nicht leiden kann, wenn auf ihm geritten wird. Tinker-Wallach "Merlin" gibt alles, um seinen Reiter loszuwerden. Mit massiven Folgen.

Ein Tinker – wie dieses Pferd (Symbolbild) – steht im Mittelpunkt eines Rechtsstreits vor dem Landgericht Weiden. 	Bild: exb/Henk Monster Bild: exb/Henk Monster
Ein Tinker – wie dieses Pferd (Symbolbild) – steht im Mittelpunkt eines Rechtsstreits vor dem Landgericht Weiden. Bild: exb/Henk Monster

„Merlin“, später in „Taffy“ umgetauft, hat eine lange Vorgeschichte. Schon die Vor-Vorbesitzerin bezeichnet das Pferd als „lebensgefährlich“ und verkaufte es nach Stuttgart. Auch mit dieser Pferdehalterin ging das Tier durch. Die Stuttgarterin berichtet von einem „schlimmeren Unfall im Gelände“, bei dem sie verletzt wurde. Sie sagt: „Dieses Pferd ist eine tickende Zeitbombe.“ Und als solche habe sie das Pferd zum Verkauf angeboten: „Ich habe jedem Interessenten mitgeteilt, dass das Pferd einen Schuss hat.“ Der Wallach neige dazu, ohne Anlass loszurennen. „Ich habe Angst vor ihm.“

60 000 Euro gefordert

Auch die dritte Besitzerin – eine 30-Jährige aus dem Landkreis Neustadt/WN – verunglückte bei einem Reitunfall mit „Taffy“. Die Neustädterin war blutige Anfängerin und hatte sich erhofft, mit dem eigenen Tinker die Angst vor dem Reiten zu überwinden. Der Sturz ereignete sich acht Wochen nach dem Kauf. Die 30-Jährige erlitt einen komplizierten Oberschenkelbruch, der zu allem Übel medizinisch fehlerhaft behandelt wurde. In einem Arzthaftungsprozess sind ihr dafür 9000 Euro zugesprochen worden.

Aktuell klagt sie in einem Zivilprozess auf rund 60 000 Euro Schadensersatz (Schmerzensgeld, Haushaltsführung und entgangene Einkünfte). Es gibt zwei Beklagte: Zum einen die Vorbesitzerin aus Stuttgart, der sie vorwirft, beim Verkauf nicht mit offenen Karten gespielt zu haben. Der Text der Facebook-Anzeige lautete: „Ich bin lieb, aber leider nicht richtig ausgebildet.“ Die zweite Beklagte ist die Reitstallbetreiberin aus dem Landkreis Neustadt/WN, bei der „Taffy“ untergestellt war. Die 32-Jährige soll der Anfängerin zum Kauf des Tieres zugeredet haben und ihr Unterstützung beim Beritt zugesagt haben.

Beides wird von der Reitstallbetreiberin energisch bestritten. Sie habe abgeraten: „Ein Tinker für 2200 Euro! So ein Pferd ist entweder jung und kann nix oder hat irgendeinen Fehler“, sagt die 32-Jährige vor Gericht. Die Bekannte habe das Pferd trotzdem gekauft. „Sie hat einen Tierrettungstick.“ Die Stall-Chefin beharrt auch darauf, die Verletzte nie trainiert zu haben. Am Schicksalstag in den Osterferien habe sie „Taffy“ nur aus Gefälligkeit ein paar Meter über den Reitplatz geführt, mit der Longe als Führseil.

Dem widersprechen zwei Zeuginnen, die den Unfall vom Putzplatz aus beobachteten. Sie sagen: Es handelte sich um eine Reitstunde. „Taffy“ zog alle Aufmerksamkeit auf sich. „Ich fand das Pferd echt schön, obwohl es hieß, dass er ziemlich wild sein soll“, erinnert sich die Reitschülerin, damals 13. Die Zeuginnen sagen: Die Pferdebesitzerin saß im Sattel, die Reitstallbetreiberin hielt die Longe. Man habe sich noch gewundert, dass die Chefin das Pferd mit der Gerte zum Trab antrieb. Bis dahin war die Anfängerin nur im Schritt spazieren geführt worden. Prompt sei „Taffy“ durchgegangen und gegen eine Stange gekracht. Die Reiterin fiel „im Sturzelbaum“ zu Boden.

Kaufberatung – ja oder nein? Reitunterricht – ja oder nein? Richter Josef Hartwig hörte am ersten Verhandlungstag 16 Zeugen, die teils widersprüchliche Angaben machten. Die Klägerin fehlte: Sie war am Tag vor dem Prozess notoperiert worden – immer noch eine Folge des Unfalls.

Westernreiterin springt ab

Nach dem Sturz war „Taffy“ auf einem anderen Hof eingestellt. Hier versuchte eine Western-Turnierreiterin ihr Glück. „Wie aus dem Nichts“ stieg das Pferd beim Antraben, schlug aus, drückte gegen die Bande. „Nach drei Minuten bin ich abgesprungen.“ In der Folge versuchte sie es mit Sandsäcken, die sie am Sattel montierte. Ergebnis: „die komplette Eskalation.“

Der inzwischen über zehnjährige Wallach fristet einen ruhigen Lebensabend – und frisst. Nach Auskunft des Klägeranwalts, Dr. Konstantin Graf von Wengersky aus Krefeld, ist einiges an Unterhaltskosten aufgelaufen. Alle Parteien haben jetzt vier Wochen Gelegenheit, zur Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Möglicherweise wird ein weiterer Termin angesetzt.

 
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