50 Minuten berät die Erste Große Strafkammer unter Vorsitz von Heindl, dann verkündet sie: Beide Angeklagte sind des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern schuldig. Der 49-jährige Florin M. in fünf Fällen, Darius M. in vier Fällen. "Beide Angeklagte waren Mitglieder einer Schleuserorganisation, wobei sie unterschiedliche Rollen hatten. Florin M. war nicht in der untersten Ebene tätig, Darius M. als Fahrer schon." Entsprechend unterschiedlich fällt die Gesamtfreiheitsstrafe aus. Der 49-jährige Rumäne wird zu fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, sein Mitangeklagter zu vier Jahren. Zwei Schleusungen nach Österreich, die Florin M. vorgeworfen werden, stellen die Richter ein, auch die Fahrt am 10. August 2017 im Fall Darius M.
Am Morgen des neunten und letzten Verhandlungstages steigen die Richter, Schöffen und Anwälte selbst in den weißen Klein-Lkw, mit dem die zwei Männer 37 Menschen - meist Iraker und Syrer - "unter unmenschlichen Bedingungen" nach Deutschland geschleust haben. Das Fahrzeug steht vor dem Haupteingang des Landgerichts. Drei Beamte öffnen die Seitenplane. Auf der Ladefläche liegen Leichtpaletten aus Holz und ein Reifen - Gegenstände, mit denen die Schleuser die Luke, die in den doppelten Boden des Fahrzeugs führt, verdeckt haben.
Das Versteck ist eng, dunkel, die Klappe schwer. Acht Personen transportierten die Männer pro Fahrt - ohne Essen, ohne Wasser, ohne Pause. Die Luft ist knapp. Die zu wenigen Luftlöcher liegen nahe am defekten Auspuff. Die Situation: lebensbedrohlich. Viele der Geschleusten hatte die Kammer als Zeugen geladen. Alle sprachen von Todesangst, Panik, Hilflosigkeit. "Schön ist das nicht", sagt Richter Markus Fillinger und schüttelt den Kopf, während er in das enge Versteck blickt.
Beide Angeklagte hatten vier Transporte gestanden. Gegen eine Tat hat sich Florin M. vehement gewehrt: die Fahrt am 10. August 2017. Einen Tag zuvor sei dem am HI-Virus Erkrankten Blut in einer Klinik in Bukarest abgenommen worden. Am 10. August habe er die Ergebnisse bekommen. Doch das ist in den Krankenhausakten nicht vermerkt, wie Heindl bekanntgibt. Ihm liegt eine Stellungnahme des Klinikums vor. "Florin M. wird am 10. August nicht als präsent geführt." Das spreche für die Auswertung der Mobiltelefone, die belege, dass das Handy von Florin M. an diesem Tag in einen deutschen Funkmasten eingeloggt war.
"Beide Angeklagte haben versucht, ihre Rollen in der Organisation klein darzustellen", betont Staatsanwalt Christian Härtl in seinem Plädoyer. "Die Geschleusten hatten Angst, nichts zu essen, verharrten stundenlang in der Dunkelheit. Einer hat es beschrieben als Transport in einem Sarg. Nachdem wir das Fahrzeug heute gesehen haben, können wir uns alle vorstellen, was er damit meinte." Härtl weist auf das professionelle Vorgehen der Männer hin. "Sie hatten ein Abdeckfahrzeug im Einsatz, die Menschen im Versteck mussten ruhig sein, wenn der Fahrer bei Kontrollen geklopft hat." Härtl fordert eine Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren für Darius M. und 7 Jahre und 6 Monate für Florin M.
"Die Fahrt am 10. August ist nicht erwiesen. Jeder hätte das Handy benutzen können", betont Marc Steinsdörfer, Verteidiger von Florin M. Einen "schlagenden Beweis", dass der 49-Jährige an diesem Tag in Deutschland gewesen sei, gebe es nicht. Er rekonstruiert das Leben des Angeklagten: Geldnot, auch seine schwere Krankheit mache ihm zu schaffen. Er fordert 4 Jahre und 6 Monate.
"Mein Mandant ist nicht vorbestraft, hat 30 Jahre lang gearbeitet, seine Familie versorgt", betont Julijana Hermann, die Darius M. vertritt. Zu keiner Zeit habe er von einer kriminellen Organisation gewusst, nur Anweisungen befolgt. Ihre Forderung: drei Jahre Haft. Die Kammer setzt deutlich höher an - und verurteilt die Angeklagten zu vier beziehungsweise fünf Jahren und sechs Monaten. Angemerkt













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