Eingeladen dazu hatte das Aktionsbündnis „Weiden ist bunt“ zum zehnjährigen Gründungsjubiläum. Die Veranstaltung wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und finanziell durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ unterstützt.
Das 1998 in Ulm gegründete „Theater Ulüm“ hat dort eine eigene Spielstätte Es bringt vornehmlich für in Deutschland lebende Türken und türkischstämmige Deutsche Stücke in der Muttersprache, in denen aber zum Teil auch Deutsch gesprochen wird. Veit Wagner, Sprecher des Aktionsbündnisses, hatte das Stück „Oh Gott, wir integrieren uns!“ („Eyvah! Türkler Entegre Oluyor!“) in Marktredwitz gesehen und konnte die Truppe damit nach Weiden bringen.
Die Integrationskomödie wurde auf inszenatorisch raffinierte Weise in beiden Sprachen aufgeführt. Für die knapp zur Hälfte deutschen Besucher ließ sich in den türkischsprachigen Passagen zum einen der textliche Zusammenhang und Sinn durch Gestik und Mimik erschließen, andererseits gab eine der Schauspielerinnen Übersetzungen ins Deutsche. Wenn auch ein großer Teil an Wortspielereien und witzigen Textstellen vor allem ein Schmunzeln und Lachen des türkischen Publikums hervorrief, so mussten die restlichen Zuschauer dem in Nichts nachstehen. Auf karg gehaltener Bühne mit wenigen Farbflecken des Mobiliars kamen das Humorvoll-Ironische des Inhalts und die Professionalität der Darsteller umso besser zur Wirkung.
Zunächst entwickelte sich im Rückblick die jahrzehntelange Migrationsgeschichte der aus Mittelanatolien stammenden Familie von Memet Taş, gespielt von Atilla Cansever. Da bedurfte es schon einer zweitätigen Bahnfahrt, um nach Istanbul zu gelangen. In Deutschland musste er medizinische Untersuchungen über sich ergehen lassen und lernte in seinem Arbeiterleben, dass Kraft und Berufserfahrung statt Intelligenz gefragt waren. Seine ersten deutschen Worte, die er kennen lernte, waren „gut“ und „langsam“. Geld wurde gespart und nach Hause geschickt. Später holte Memet seine Frau Fikriye (Hatice Onar) nach. Immer war es das Ziel, in fünf Jahren zurück in die Heimat zu kehren, doch als Sohn Remz und Tochter Remziye schulpflichtig wurden, blieb das ein Traum. Das Ehepaar beschloss, Deutsch zu lernen und einen deutschen Pass zu beantragen. Remziye wurde die „Fründin“ des Schwaben Christian, der Memet mit den Formalitäten der Einbürgerung und einem vorzulesenden Artikel half. Darin schilderte Memet, wie er für dieses Land 37 Jahre geschuftet und Steuern gezahlt hat und so mit dazu beitrug, dass es reich wurde. „Gratulation“ sagte die Beamtin zu ihm, Mehmet verstand „Integration“.
Ein türkischer Mitbürger erzählte in der Pause, in der die Süßspeise Aşure kredenzt wurde, sehr bewegt dem pädagogischen Mitarbeiter im Jugendheim, Florian Graf, es sei genauso gewesen. Danach erfuhr das Publikum von den veränderten Lebensgewohnheiten der „Deutsch-Türken“ und der „Doppelmoral“ der türkischen Männergesellschaft, etwa bei den Vorbereitungen zur Hochzeit des Sohnes und den Verhandlungen über die Aussteuer. In einem Fernsehinterview konnten Memet und Fikriye die Querelen um den EU-Beitritt der Türkei anhand der Kopenhagener und Maastrichter Kriterien veranschaulichen: Eine Tür, die verschlossen ist, kann nur von innen geöffnet werden. Die Darsteller, zu denen noch Rüya Kahraman, Aylin Ergün, Murat Karlıbel und Allan Ahmad in verschiedenen Rollen gehörten, wurden mit großem Applaus verabschiedet.
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