Vier-Tage-Woche, Dienstwagen, unbefristeter Vertrag: So kann Zeitarbeit aussehen

Weiden in der Oberpfalz
31.05.2023 - 16:09 Uhr
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Ist Zeitarbeit ein zukunftsfähiges Arbeitsmodell? Ja, meint Jürgen Schneider, Geschäftsführer einer Weidener Firma, die Facharbeiter verleiht. Gerade erst in einen großen Neubau umgezogen, erklärt Schneider, wie er Zeitarbeit definiert.

Moderne Sklavenarbeit, geringe Qualifikation, einsatzfreie Zeiten ohne Bezahlung: Der Begriff Zeitarbeit ist häufig negativ besetzt. Jürgen Schneider, Geschäftsführer von Schneiders Jobagentur und Montageservice, kennt die Vorurteile und weiß, dass sie nicht selten zutreffen. Der 50-Jährige war jahrelang selbst auf Montage und zwei Jahre lang Disponent bei einer Firma, von der er selbst sagt, sie habe negative Klischees bei Bezahlung und Behandlung der Leiharbeiter sowie bei deren Qualifizierung erfüllt. „Das war unterste Schublade“, sagt er heute. Seine Erfahrungen haben aber nicht dazu geführt, dass er die Branche verließ. Im Gegenteil: Schneider, Tiefbaumeister und Betriebswirt, gründete vor sechs Jahren die eigene Firma und versucht nach eigener Aussage seitdem, Leiharbeit so umzusetzen, dass sie für alle Beteiligten unter fairen Bedingungen stattfindet. Pauschale Vorurteile gegen Zeitarbeit hält er für unangebracht, den Begriff Zeitarbeit eigentlich für veraltet.

Seit Januar befindet sich der Firmensitz der GmbH in einem Neubau in der Professor-Zintl-Straße. Von hier aus wird der Einsatz von rund 200 Mitarbeitern auf Großbaustellen im ganzen Bundesgebiet koordiniert. Sie alle haben laut Schneider unbefristete Arbeitsverträge und sind zudem nicht Helfer, sondern Facharbeiter in den Bereichen Heizungs-, Kälte und Sanitärtechnik, Klima- und Lüftungstechnik, Elektrotechnik, Rohrleitungsbau oder Schweißtechnik. Die Männer werden grundsätzlich in Zweierteams auf die Baustellen geschickt. "Von 0 auf 200 in 5 Jahren, mit Facharbeitern – das wäre nicht so, wenn die Mitarbeiter nicht zufrieden wären", meint Schneider. Seine Firma mache 10 Millionen Euro Umsatz. "So etwas, in so einer Größe, gibt es nicht mal annähernd in Altbayern."

Autarke Zweierteams

Mit seinen Arbeitern können die Kunden Auftragsspitzen und personelle Engpässe abfedern. Den Facharbeitern steht eine Flotte von 110 Firmenwagen zur Verfügung, die in der firmeneigenen Kfz-Werkstatt auf dem neuen Firmengelände gewartet werden. Ausgestattet werden die Teams mit dem benötigten Werkzeug, Übernachtungen werden von einer eigens dafür abgestellten Vollzeitkraft gebucht. Die Teams sind somit autark und benötigen von den Auftraggebern keinerlei Logistik oder Ausstattung.

Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben auch die Baubranche getroffen, in der Schneiders Leiharbeiter arbeiten. Doch seine Firma habe die Krisen der jüngsten Zeit vergleichsweise gut überstanden, sagt der Geschäftsführer. "Wir haben schon vor Jahren angefangen, uns neue Geschäftsfelder zu überlegen. Wir haben sukzessive angefangen, an verschiedenen Stellschrauben zu drehen und uns unter anderem unsere Zeitarbeitsaufträge angeschaut. Für welche Anfragen gibt es noch Bewerber? Mit welchen Kunden arbeiten wir fair zusammen, Kunden, die uns nicht jedes Jahr weiter im Preis drücken möchten? Wo muss man nachschärfen? Welche Geschäftsfelder gibt es darüber hinaus?" Nur dank solcher Überlegungen, Anpassungen und zeitweiser Kurzarbeit sei die Firma bislang mit einem blauen Auge durch die Krise gekommen.

Übernahme in Festanstellung

Auf Vorurteile gegen Zeitarbeit stößt Schneider trotzdem immer wieder: "Viele Mitarbeiter und Neukunden berichten über Vorurteile und haben negative Erfahrungen." Trotzdem ist der 50-Jährige überzeugt, dass Zeitarbeit kein Auslaufmodell ist. Im Gegenteil: Da es für die Unternehmen immer schwieriger werde, zuverlässiges Fachpersonal zu finden, werde die Branche in den nächsten Jahren wachsen, so seine Prognose. "Heutzutage können sogar Ärzte, IT-Spezialisten, Juristen, Buchhalter, Controller, Produktdesigner und Führungskräfte über Arbeitnehmerüberlassung vermittelt werden." In Zeiten des Fachkräftemangels nutzten viele Kunden die Arbeitnehmerüberlassung als "strategische Rekrutierungsform", um an gutes Personal heranzukommen. Viele Fachkräfte sähen Zeitarbeit als Chance, Erfahrungen in mehreren Unternehmen zu sammeln. "Somit besteht bei guter Zusammenarbeit zwischen Zeitarbeitnehmer und Kunden eine Übernahmeoption in Festanstellung."

Wer nicht übernommen wird, soll zeitnah einen Folgeauftrag auf einer anderen Baustelle bekommen. "Ich hatte schon öfters den Fall, dass bei mir top qualifizierte Bewerber im Vorstellungsgespräch saßen, die bereits bei einem anderen Personaldienstleister gearbeitet hatten, dort jedoch in der einsatzfreien Zeit nicht bezahlt wurden", so Schneider. Er handhabe das anders und sehe die Verantwortung nicht beim Leiharbeiter: "Wir als Personaldienstleister tragen das Risiko. Wenn ich die Leute nicht unterbringe, ist das meine Schuld. Es ist unsere Aufgabe, so schnell wie möglich einen Folgeauftrag zu finden." Sollte das nicht klappen, würden die Mitarbeiter trotz einsatzfreier Zeit weiter bezahlt.

Viel diskutiert wird in der Arbeitswelt aktuell die Vier-Tage-Woche. Bei Schneiders Jobagentur ist die 40-Stunden-Woche schon seit fünf Jahren auf nur vier Wochentage verteilt. "Manche glauben das anfangs gar nicht. Aber wir ziehen das konsequent durch", sagt der 50-Jährige. "Wenn die Leute schon auf Montage gehen, dann ist es schon wichtig, dass sie freitags bis sonntags ihre Familien sehen können."

Hintergrund:

Schneiders Jobagentur und Montageservice GmbH

  • Gründung: 2017
  • Firmensitz: seit Januar 2023 Professor-Zintl-Straße 24, Weiden
  • Geschäftsbereich: Arbeitnehmerüberlassung in der Heizungs-, Kälte-, Sanitär-, Elektro-, Schweiß-, Klima- und Lüftungstechnik sowie im Rohrleitungsbau
  • Mitarbeiter: 200
  • Einsatzgebiet: bundesweit
  • Fuhrpark: 110 Fahrzeuge, eigene Kfz-Werkstatt auf dem Betriebsgelände
  • Geschäftsführer: Jürgen Schneider
 
 

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