„Vieles, was aus München kommt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Trojanisches Pferd, als Geschenk, das man gar nicht haben möchte“, hatte Roland Richter, SPD-Fraktionsvorsitzender im Weidener Stadtrat, bei seiner Aschermittwochsrede kritisiert. Es dauerte einen Tag, bis das Finanzministerium in München die Botschaft entdeckte. Die Reaktion kam dann aber prompt.
„Die SPD verkennt ganz offensichtlich den Sinn und Zweck von Stabilisierungshilfen: Hier wird Hilfe zur Selbsthilfe angeboten – niemandem wird Geld aufgezwungen“, wundert sich Finanzminister Albert Füracker gegenüber den Oberpfalz-Medien. Diese Hilfen würden Kommunen in Anspruch nehmen, die mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen hätten, und würden gerade nicht mit der Gießkanne quer über das ganze Land verteilt.
„Sie kommen zielgerichtet denen zu Gute, die es am dringendsten benötigen“, erklärt Füracker. „Warum Herr Richter das verhindern will, ist nicht nachvollziehbar.“ Über 36 Millionen Euro gingen an 26 Kommunen in die Oberpfalz. „Wenn Weiden zukünftig darauf verzichten will, werden sich andere Kommunen sicher freuen“, warnt der Minister. Das Land Bayern sei und bleibe ein starker Partner seiner Städte und Gemeinden. „Dieses Jahr wird mit 9,97 Milliarden Euro wieder ein Rekordbetrag an die Kommunen überwiesen.“
ONETZ: Herr Füracker, der Weidener SPD-Fraktionschef Roland Richter wirft Ihnen vor, dass die Stabilisierungs-Millionen vorher lediglich aus dem Topf des Finanzausgleiches herausgenommen worden sei. Bekommen die Kommunen wirklich nur bei Wohlverhalten genau das Geld wieder, das ihnen sowieso zusteht?
Albert Füracker: Ich muss mich schon sehr wundern. Von den 150 Millionen Euro Stabilisierungshilfen stammen über 50 Millionen Euro aus allgemeinen Haushaltsmitteln des Freistaats. Die geben wir dazu. Und dass knapp 100 Millionen Euro aus dem Steuerverbund kommen, heißt noch lange nicht, dass dieses Geld den Kommunen automatisch gehört. Das muss jedes Jahr im Landtag beschlossen werden. Dort könnte man jederzeit sagen, wir geben weniger. Und man könnte auch die Stabilisierunghilfen kürzen. Das wollen wir nicht, weil wir uns in einem gutem Einvernehmen mit den Kommunen befinden. Im Fall von Weiden ist ganz interessant, dass 25 Prozent aller Stabilisierungshilfen in die Oberpfalz, 40 Prozent nach Oberfranken gehen – und am allermeisten in ganz Bayern profitiert Weiden mit 9 Millionen Euro.
ONETZ: Werfen Sie Weiden finanzpolitisches Fehlverhalten vor oder war die Stadt eher Opfer des Strukturwandels mit Tendenz zur Besserung – von 2013 auf 14 sind die Schulden noch einmal gestiegen, danach ging die Verschuldung nach unten.
Albert Füracker: In die Stadtpolitik mische ich mich nicht ein. Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe, das ist eine zielgerichtete Unterstützung. Sie können mir glauben, dass die Oberbayern und Schwaben davon weniger begeistert sind. Ich habe mit Oberbürgermeister Kurt Seggewiß oft über die Situation gesprochen, und wir haben immer Wege gefunden, die Kommunen bei Investitionen in Pflichtausgaben wie Schulbau und -sanierung zu unterstützen. Andere Gemeinden beobachten das sehr intensiv und ich muss die Höhe einer Förderung genau begründen können.
ONETZ: Richter spricht von den Hilfen als Trojanisches Pferd – können Sie nachvollziehen, dass aus städtischer Perspektive die erzwungene Verweigerung freiwilliger Leistungen etwa für viele kulturelle Projekte als Gängelung erscheint?
Albert Füracker: Es gehört zu den Auflagen für die zusätzliche Unterstützung, dass eine verschuldete Stadt oder Gemeinde einen Konsolidierungsplan vorlegen muss. Dabei muss sie auch im freiwilligen Bereich auf Ausgaben verzichten. Dabei diskutieren wir aber oft um die Frage, was man den freiwilligen und was den Pflichtaufgaben zuordnen muss. Die Gemeinden werden aber nie allein gelassen: Bei einem der letzten Gespräche in Weiden habe ich den Förderbescheid für eine Schulbaumaßnahme mitgebracht – wir unterstützen die Stadt mit der sehr hohen Förderungen beim Schulbau, allein in den letzten Jahren mit rund 16 Millionen Euro.
ONETZ: Sie beschwören in vielen Reden die Oberpfalz als Erfolgsregion. Wie reagieren da andere Kommunen auf die finanzielle Unterstützung besonders der Nordoberpfalz?
Albert Füracker: Das wird jedes Jahr schwieriger, vor allem, wenn wir öffentlich solche Diskussionen führen. Da ist eine Landtagsmehrheit sehr empfänglich für einen Kurswechsel. Es gibt Gemeinden, die würden sich über 500.000 Euro freuen. Die fragen, warum bekommt Weiden so viel? Im Übrigen entscheide das nicht ich, sondern der sogenannte Verteilerausschuss, bei dem auch die kommunalen Spitzenverbände mit am Tisch sitzen.
ONETZ: Im selben Zeitraum, in dem die 31 Millionen an Stabilisierungshilfen geflossen sind, habe Weiden über 52 Millionen Euro an Bezirksumlage und rund 24 Millionen an Gewerbesteuerumlage gezahlt, rechnet Richter vor. Ist Weiden nicht auch Geberstadt?
Albert Füracker: Herr Richter müsste selbst genau wissen, dass Weiden die Umlagen auch ohne Stabihilfen zahlen muss. Das eine hat mit dem anderen gar nichts zu tun.
ONETZ: Weiden gehe es wie einem Sohn, dem der Vater sagt: „Ich muss dein Taschengeld neu strukturieren, weil mir nicht gefällt, wie du mit deinem Geld umgehst. Du bekommst ab jetzt 20 Euro Taschengeld und 10 Euro Stabilisierungshilfe. 20 Euro musst du aber für Verpflegung und Unterkunft bezahlen?“ Trifft das Bild zu?
Albert Füracker: Das ist eine völlig unzureichende Darstellung. Es gibt nicht weniger sondern mehr. Ich glaube nicht, dass Weiden jemals so viel Unterstützung erfahren hat, wie in den vergangenen Jahren. Es ist ja auch nicht der Fall, dass die Stabilisierungshilfen von den Schlüsselzuweisungen der Stadt Weiden abgezogen werden. Im Gegenteil – Weiden erhält in diesem Jahr erneut Schlüsselzuweisungen von 21 Millionen Euro, das sind doch Summen. Ich bin erschüttert ob der mangelnden Kenntnis der Zusammenhänge.
ONETZ: Sie haben aber jetzt nicht vor, die Stadt Weiden wegen dieses Disputs zu bestrafen?
Albert Füracker: Wir machen das immer objektiv, da gibt‘s keine Bestrafung. Aber parteipolitisch dem Freistaat Bayern bei so einem Thema eine reinzuwürgen, ist auch am Aschermittwoch kein Stil. Da hat sich Weiden keinen Gefallen getan. Selbst am Aschermittwoch müssen Aussagen aber doch einen Sinn und Wahrheitsgehalt haben.
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.