München
03.10.2018 - 21:49 Uhr

Irdische Bayern

Für die Krisen-Keule ist es noch zu früh. Doch nach dem 1:1 gegen Ajax Amsterdam in der Champions-League verfestigt sich der Eindruck: Der FC Bayern wirkt so schlagbar wie lange nicht mehr.

Autsch, das tat weh: Mats Hummels (unten) rumpelte gegen Ajax gleich zweimal mit Gegenspielern zusammen (in dieser Szene mit Amsterdams Keeper Andre Onana). In der Kabine musste dem leicht benommenen Innenverteidiger mit mehreren Stichen eine Platzwunde genäht werden. Bild: agentur_dpa
Autsch, das tat weh: Mats Hummels (unten) rumpelte gegen Ajax gleich zweimal mit Gegenspielern zusammen (in dieser Szene mit Amsterdams Keeper Andre Onana). In der Kabine musste dem leicht benommenen Innenverteidiger mit mehreren Stichen eine Platzwunde genäht werden.

(fle) Nüchtern betrachtet ist noch alles im Lot: Vier Punkte nach zwei Champions-League-Auftritten - gleichauf mit Ajax Amsterdam steht der FC Bayern an der Tabellenspitze. In der Bundesliga rangiert die Elf von Niko Kovac mit einem Zähler Rückstand auf Borussia Dortmund in Schlagdistanz. Doch drei sieglose Partien binnen einer Woche lassen die Alarmglocken schrillen und selbst den Neu-Coach ratlos zurück. "Ich muss das erstmal sacken lassen. Geben Sie mir ein, zwei Tage", sagte Kovac nach dem 1:1 gegen Amsterdam am Dienstag in der Münchener Arena vor 70 000 Zuschauern.

Dabei legten die Bayern einen Auftakt nach Maß hin: Mats Hummels verwertete eine Flanke von Arjen Robben schon nach vier Minuten zur frühen Führung. "Wir wollten ein schnelles Tor, das ist uns gelungen. Unverständlicherweise geben wir danach das Spiel aus der Hand und machen zu viele Fehler", kritisierte Joshua Kimmich. Die blutjungen Holländer (Durchschnittsalter 21,4 Jahre) legten jegliche Scheu ab und traten in der Folgezeit so auf, wie es sich eigentlich die Hausherren vorgenommen hatten. Frühes Pressing, aggressive Zweikampfführung, kompromisslos in der Defensive und ein mannschaftlich geschlossenes Vorgehen. "Von der Qualität her war das nicht gut. Wir sind immer einen Schritt zu spät gekommen", monierte etwa Robben.

Mitunter hatte die Begegnung den Charme eines ungleichen Duells, wenn die talentierte und hochmotivierte A-Jugend der in die Jahre gekommenen und nicht mehr ganz so spritzigen Seniorenmannschaft die Grenzen aufzeigt. Die Bayern durften sich glücklich schätzen, dass die Amsterdamer Rasselbande nur einmal ins Schwarze traf. Noussair Mazraoui rannte David Alaba davon, stieß zwischen die viel zu weit auseinanderstehenden Hummels und Jérôme Boateng hinein und ließ Manuel Neuer mit einem strammen Flachschuss keine Chance. Vor allem die quirlige Ajax-Offensive stürzte die hüftsteife und schwerfällige Bayern-Hintermannschaft von einer Verlegenheit in die nächste. Donny van de Beek brachte das Kunststück fertig, sechs Meter frei vor Neuer das Tor zu verfehlen und der Nationaltorwart rettete den Bayern zumindest den einen Zähler, indem er ein Freistoß-Geschoss von Lasse Schöne in der Nachspielzeit an die Latte lenkte. Nur zwei Beispiele, die exemplarisch für das Chancenplus des Tabellenzweiten aus der holländischen Eredivisie standen.

"Vor dem Spiel hätte jeder von uns einen Punkt in München sofort unterschrieben. Jetzt müssen wir uns fast ärgern, da mehr drin gewesen wäre", sagte der Ex-Schalker Klaas-Jan Huntelaar, der mit 35 Jahren so etwas wie der Mannschafts-Opa bei Ajax ist und "taktisch bedingt" in München nicht zum Einsatz kam. Die bayerische Speerspitze um Robert Lewandowski, Thomas Müller, Franck Ribéry und Robben blieb dagegen stumpf und verzeichnete zwischen der 19. und 77. Spielminute nicht einen Torabschluss.

"Die Stimmung ist bei uns gerade nicht besonders prickelnd, das kann sich jeder vorstellen. So schön es in den ersten Spielen war, so schwach ist die Phase nun, in der wir angelangt sind", gestand Müller. Erst die eingewechselten James und Serge Gnabry brachten neuen Schwung ins Münchener Angriffsspiel, doch verdient wäre ein später Siegtreffer nicht gewesen.

Hintergrund:

(fle) Bei einem Duell Bayern München gegen Ajax Amsterdam durfte einer nicht fehlen: Louis van Gaal. Der frühere Trainer beider Teams (1991–1997 bei Ajax und 2009–2011 in München) genoss sichtlich die Rückkehr nach München. Vom couragierten Auftritt seiner Landsleute war van Gaal nicht überrascht: „Ajax hat das super gemacht. Überraschender war, dass Bayern nicht so gut gespielt hat.“

Eine Krise wollte er seinem Ex-Team noch nicht andichten: „Das müssen Sie Uli Hoeneß fragen und nicht einen van Gaal.“ Das Wiedersehen mit seinem einstigen Widersacher Hoeneß fiel derweil unerwartet herzlich aus. „Das war sehr warm. Wir haben uns sogar umarmt“, sagte der 67-Jährige. Den Grund für die verbale Friedenspfeife schob van Gaal sogleich hinterher: „Der FC Bayern hat Uli viel zu verdanken, das weiß auch ich. Dass wir zwei nicht miteinander konnten – okay, das ist das Leben. Aber das hat jeder mit dem ein oder anderen Menschen.“

Vor dem Spiel unterhielt sich Louis van Gaal (rechts) mit dem aktuellen Bayern-Trainer Niko Kovac. Bild: agentur_dpa
Vor dem Spiel unterhielt sich Louis van Gaal (rechts) mit dem aktuellen Bayern-Trainer Niko Kovac.
 
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