Weiden in der Oberpfalz
06.06.2019 - 21:53 Uhr

Bontu, die Weidener Winterkönigin aus Äthiopien

Sie fällt nicht nur auf, weil sie so zierlich ist. Seit einiger Zeit dominiert in der Region eine Läuferin der DJK Weiden das Geschehen, wenn sie an den Start geht: Bontu Kaba Desso. Die Äthiopierin lenkt sich mit dem Laufen aber auch ab. Es stehen wichtige Entscheidungen an.

Bontu Kaba Desso bei ihrer Lieblingsbeschäftigung. Bild: Alfred Schwarzmeier
Bontu Kaba Desso bei ihrer Lieblingsbeschäftigung.

Die leise Stimme wird noch leiser. Sie druckst herum. "Ich mag das nicht." Bontu verzieht das Gesicht. "Ich mag das wirklich nicht. Ich mag nicht im Mittelpunkt stehen." Das ist aber bei all dem, was sie da tut, ziemlich schlecht. Denn sie steht oft im Mittelpunkt. Hier in der Region ohnehin, denn die Läuferin Bontu Kaba Desso gewinnt hier fast alles, wenn sie an den Start geht.

Früher schon in China

Die gebürtige Äthiopierin ist so zierlich, dass sie am Start im Pulk der vielen Läuferinnen und Läufer kaum auszumachen ist. Aber sie hat einen Laufschritt und ein Tempo, dass sie schon wenige Meter nach dem Startschuss auffällt. Bontu läuft für ihr Leben gerne. Früher in ihrem Heimatland Äthiopien, jetzt in der Oberpfalz. In Afrika wurde sie früh gefördert. "Ich war viel auf 5000- und 10 000-Meter-Strecken unterwegs", erzählt sie. Die Trainer hatten die junge Dame immer im Blick, da war sie noch keine 20 Jahre alt. Ihre Entwicklung war noch nicht abzusehen. Aber eine Karriere als Profi-Läuferin war durchaus möglich. Auch bei Marathonläufen überzeugte sie. "Ich bin früher mal den Münster-Marathon gelaufen, dann einen in China", kramt sie in Erinnerungen. Dort lief sie die gut 42 Kilometer in 2:36 Stunden.

"Kein richtiger Lauf"

Dann lief sie weg. Aus ihrer Heimat. Im Jahr 2013 war das. Über die Flucht mag sie nicht reden, es wühlt sie noch zu sehr auf. Auslöser der Flucht waren politische Gründe. Bontus Familie gehört in Äthiopien zum Stamm der Oromo. Der damalige Präsident des Landes war dieser Volksgruppe - eigentlich die größte in Äthiopien - nicht wohlgesonnen. Aufgrund des Erlebten blieb ihr nichts anderes als die Flucht. Mit dem Flugzeug kam sie nach Frankfurt. Von dort ging es ins Auffanglager Zirndorf. Und dann weiter in die Oberpfalz. Nach Waldthurn. Erst allmählich betrieb sie wieder ihren Sport. "Ich bin da immer wieder gelaufen, aber nicht so lange wie früher", erzählt sie und meint augenzwinkernd: "Ich hatte Angst, dass ich mich verlaufe." Für eine halbe Stunde zog sie die Laufschuhe an, um den Kopf freizukriegen. "Aber das ist ja kein richtiger Lauf", sagt sie kichernd.

Jetzt sind die Touren wieder länger. Seit zwei Jahren wohnt sie nämlich in Weiden. Wenn sie aus ihrer Wohnung in der Stadt geht, dann läuft sie schnurstracks hinaus in die Wälder und Fluren rund um Weiden. Mittlerweile hat sie schon ihre festen Touren. Oder sie startet bei Halbmarathon-Veranstaltungen in Deutschland. Zeiten unter 1:20 Stunden ist sie, die für die DJK Weiden an den Start geht, schon gelaufen. "Es ist nicht so, dass ich keine Ziele habe", sagt die junge Dame, die 2018 bei der dreiteiligen Laufserie im Kreis Schwandorf Winterlauf-Weltmeisterin wurde. Aber derzeit ist Laufen nicht mehr die Hauptsache in ihrem Leben, sie läuft anderen Dingen hinterher. "Ich gehe jetzt wieder zur Schule", erzählt die 27-Jährige. "Im Juli mache ich meinen qualifizierten Hauptschulabschluss." In Weiden. Sie muss viel büffeln, sie will unbedingt diesen Abschluss. Ihre Lieblingsfächer? Bontu grinst, rückt aber nicht damit heraus. Bedauerlich findet sie aber eines: "Es gibt keinen Sportunterricht." Da wäre wohl eine glatte Eins garantiert.

Großer Freundeskreis

Bontus Leben ist mittlerweile auch ein Hürdenlauf: Das "Sporthaus Fehr" in der Weidener Sebastianstraße wollte der Afrikanerin nach einem Praktikum einen Ausbildungsplatz anbieten. "Ich hätte das so gern gemacht", blickt die junge Frau auf das Jahr 2017 zurück. Beim Fehr hatte sie sich bewährt, doch die Ausländerbehörde sagte Nein. Ihr Asylverfahren ist immer noch nicht abgeschlossen. "Wir wissen nicht, wie es ausgeht", sagt Bontu, die überwältigt ist von der Freundlichkeit der Menschen ihr gegenüber. Zunächst in Waldthurn, jetzt in Weiden."Ich kann mich gar nicht oft genug dafür bedanken." Mittlerweile hat sie einen großen Freundeskreis in der Stadt: Leute, die mit ihr laufen, mit ihr reden, die ihr helfen, wo es nur geht.

Bontus Kontakt in die Heimat Äthiopien ist spärlich. Ab und an kann sie mit ihrem Bruder sprechen. Wenn denn mal die Verbindung steht. Auch ihm kann sie noch nicht mitteilen, ob sie hier in Deutschland bleiben kann. Manchmal hat sie Heimweh, erzählt sie, aber trotzdem würde es ihr sehr wehtun, wenn sie wieder zurück nach Äthiopien müsste. Von dieser Ungewissheit lässt sich die zierliche Frau nicht entmutigen. Lachen ist ihr Lebenselixier. Und wenn sie dann doch mal wieder zu viel grübelt, geht es mit den Laufschuhen raus in die Natur. Ein bisschen weglaufen. Aber sie kommt immer zurück. "Ich will aus Weiden nie mehr weg."

Viele Leute unterstützen Bontu: Leute wie Birgit Löw (links) oder Thomas Sturm. Die Läuferin hat mittlerweile einen großen Freundeskreis. Bild: mr
Viele Leute unterstützen Bontu: Leute wie Birgit Löw (links) oder Thomas Sturm. Die Läuferin hat mittlerweile einen großen Freundeskreis.
Bontu Kaba Desso:

Erfolge am laufenden Band

Es ist heiß, oft unerträglich heiß in Äthiopien. Die durchschnittliche Jahrestemperatur in diesem ostafrikanischen Land liegt bei 27 Grad Celsius. Bontu Kaba Desso trainierte früher oft unter diesen unerträglichen Bedingungen.

Doch die 27-Jährige, die seit 2013 in der Oberpfalz lebt, fühlt sich auch in der Kälte wohl – sie ist auch Winterlauf-Weltmeisterin. Bei der alljährlichen Winterlauf-Challenge im Landkreis Schwandorf, mit drei Läufen am Steinberger und Murner See, wird dieser inoffizielle Titel vergeben. Im Jahr 2018 war die Afrikanerin klare Siegerin.

Den Titel nahm sie mit, aber ihr Hauptaugenmerk liegt vor allem auf dem Halbmarathon. Wegen ihrer schulischen Verpflichtungen stehen in diesem Jahr nicht so viele Veranstaltungen in ihrem Kalender. Beim Lauf in Berlin absolvierte sie aber die 21,1 Kilometer in 1:20:36 Stunden. Das war Platz 29 unter etwa 11 000 Frauen. Zuletzt war sie am Sonntag als Titelverteidigerin in Regensburg am Start. Und sie siegte erneut. Nach 1:23:02 Stunden kam sie ins Ziel, die Temperaturen waren dabei für einen Langstreckenlauf eigentlich viel zu hoch.

Im Jahr 2018 war sie sehr oft unterwegs. In Berlin wurde sie damals 19. in der Zeit von 1:21:48 Stunden. In München war sie Zweite (1:20:25 Stunden). Bei den Läufen in Regensburg, Fürth oder Ebermannstadt siegte sie jedes Mal. Bei Letzterem, dem Fränkische Schweiz Halbmarathon, lief sie mit 1:19:16 Stunden Streckenrekord bei den Frauen.

Aber sie fühlt sich immer wieder auch auf kürzeren Strecken wohl, wie sie zuletzt vor zehn Tagen beim Nofi-Lauf in Weiden bewies. Unter den knapp 8000 Läufern war sie klar die schnellste Frau. Und wurde insgesamt auch nur von zehn Männern geschlagen. Beim Nofi-Lauf startete sie für das "Sporthaus Fehr".

 
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