Mit meiner Geburt habe ich um wenige Jahre den Mauerfall und die Wiedervereinigung eines geteilten Deutschlands verpasst. Ich dachte: Schade, dass ich so einen Meilenstein in der Geschichte nicht miterlebt habe. Was ich nicht wusste: Es sollten noch etliche folgen. Nur nicht so positive. Bildungskrise, Irakkrise, Wirtschaftskrise, Klimakrise, Energiekrise. Ein weltweites Virus, das die Menschheit dahin raffen möchte, findet in der Liste nur allzu nachvollziehbar seinen Platz. Nur das Wort ist immerhin anders: Pandemie.
Gefühlter Wendepunkt war der 11. September 2001: die Terroranschläge in New York. Damals noch viel zu jung, um zu verstehen, was da vor sich ging, berichtete ich eilig meiner Mama von dem Vorfall, der gerade als Eilmeldung in mein Kinderfernsehprogramm geplatzt war. Wer den Anschlag verübt hat? "Irgendeiner mit einem Laden." Naja, knapp daneben und noch heute der "Running Gag" in unserer Familie. Zum Glück hat sich in den 20 Jahren danach einiges getan, was mein schnelles Verständnis von Nachrichten angeht. Heute kann ich das als Journalistin besser. Versprochen. Meine Generation (also all jene, die zwischen den frühen 1980er und den späten 1990er Jahren geboren wurden) wird soziokulturell als die „Generation Y“ betrachtet. Der Buchstabe „Y“ wird dabei englisch ausgesprochen und steht für das Wort „why“ (warum) – und damit für unseren Drang alles zu hinterfragen, weil wir in einer Welt aufwachsen, in der ständig schlimme Dinge passieren.
Die Katastrophe um die Twin Towers sollte gewissermaßen der Startschuss für eine ganze Reihe von Krisen sein, die meine Generation begleiten. Die Lehman Brothers gehen pleite – Finanzkrise, Griechenland gerät in Zahlungsnot – Eurokrise, Ebola-Ausbruch, Tsunami, Irakkrieg, Brexit (und Mexit), Corona, Ukrainekrieg – und nicht zu vergessen: Drei! Rechtschreibreformen, die ich während meiner Schulzeit lernen musste. Also quasi. Denn sogar die Reform steckte um 2004 mal in der Krise. Regeln, die 1996 geändert worden waren, wurden zum Teil rückgängig gemacht. Ich kann nur vermuten, wo so manche Rechtschreibunsicherheit heute also herkommt.
Ein extra Jahr zum Ausgleich dieser Schwächen? Brauchen wir nicht, beschloss die Regierung als ich in der fünften Klasse war. G8 willkommen. Teilweise noch minderjährig ging es also an die Uni, wo man damals noch rund 500 Euro Semesterbeitrag zahlen musste. Man, bin ich alt. "In unserer Welt ist alles möglich, aber nichts ist von Dauer", schrieb einst eine Kollegin dazu. Ich glaube, das stimmt. Aber auch, dass das Lebensgefühl Unsicherheit nicht bedeutet, dass man es sich nicht schön machen kann. Man lernt widerstandsfähig zu sein und sich anpassen zu können. Und so einzigartig ist das dann auch wieder nicht. Das haben Generationen vor uns geschafft und werden die nach uns tun. Denn: Irgendwas ist immer.
OTon
Wir sind junge Mitarbeiter der Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne „OTon“ schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen. Alle Teile dieser Kolumne sind zu finden unter onetz.de/oton.
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