Angeblich ist Altern nicht mehr in Mode und nicht mehr nötig. Abgeschafft. Braucht’s nicht mehr. Was sind schon Lebensjahre? Was Vergänglichkeit? Die britische Zeitschrift „Economist“ titelte kürzlich, der Mensch könne sich bald vor seinem eigenen Verfall bewahren, sehr viel länger als derzeit. Eine Lebenserwartung von 150 oder mehr wäre dann kein Rekord mehr, sondern üblich.
Man stelle sich das heute vor. Eine 150 Jahre alte Frau hätte in ihrer Kindheit Bismarck gekannt (nicht den Hering). Als Erwachsene von der gesunkenen Titanic gelesen (ohne Leo). Und mit 70 Jahren (zur Midlife Crisis) den 2. Weltkrieg erlebt. Queen’s „Who wants to live forever“ würde gut drei Jahrzehnte später erscheinen, wenn unsere rüstige Beispieldame 113. Geburtstag feierte. Mit Eltern und Großeltern.
Alter. Der Brandner Kaspar samt Kirschgeist könnte einpacken. Der Boandlkramer wäre endgültig um sein Tagwerk b’schissen.
Verlockend ist all das schon. Aber auch frustrierend. Denn zu der Gruppe der künftig 150-Jährigen wird meine Generation noch nicht zählen. Und ganz ehrlich: Ich fühle mich manchmal alt. Das hat nur teilweise mit den grauen Strähnen zu tun, die sich von Zeit zu Zeit hinter meinen Ohren hervortrauen.
Ein Beispiel. Mit 18, also vor fast zehn Jahren, hätte ein Wochenendabend um 22 Uhr angefangen und um frühestens 3 Uhr geendet. Flankiert von Vorglühen und einer obligaten Weghalben. Es gibt Videos und Bilder unserer Männergruppe aus jener Zeit, man müsste sie passwortgeschützt auf einer gut versteckten Festplatte speichern. Die wilden Jahre eben. Herrlich dämlich waren wir.
Und heute? Gibt es zum Männerabend selbst gemachte Pizzasemmeln, dazu alkoholfreies Bier (nicht zu fassen!). Wenn wir bis nach Mitternacht in unserem Alter durchhalten, noch einen süßen Snack. Wir reden über „damals“, seufzen in verzückt-entrückter Nostalgie und spielen Brett- statt Trinkspiele.
Nun ja, manches hat sich doch zum Besseren entwickelt. Hat alles seine Vorteile. 150 Jahre Jungsein hält eh keiner bei Verstand durch. Sobald die Gespräche in der Männerrunde aber Richtung Nachts-raus-müssen und zur besten Knie-Reha kippen, ist Schluss mit lustig. Dann gibt es wieder Schnaps. Lebenserwartung hin oder her.
OTon
Wir sind junge Mitarbeiter der Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne „OTon“ schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen.
Zu meinem Kommentar als Ergänzung:
Mein aktives berufliches und engagiert ehrenamtliches Leben habe ich in Grafenwöhr verbracht
Erich Hannak
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