Zu den schönsten Anglizismen dieser Tage zählt, finde ich, das "Rabbit-Hole". Also der Kaninchenbau. Dafür muss man kein Liebhaber von Nagetier-Schleichwegen sein. Wer in einem "Rabbit-Hole" verschwindet, der liest sich im Internet exzessiv zu einem bestimmten Thema ein, gräbt sich von Artikel zu Artikel oder von Video zu Video. Und er landet sodann, nach wirrem Zickzack, oft an einer völlig anderen Stelle als dem Einstiegspunkt. Der weit verzweigte, manchmal düster-modrige Bau der Online-Welt.
Geben Sie's ruhig zu: Sie sind auch schon einmal nach einem lustigen Katzenvideo plötzlich, zwei Stunden später, bei den besten Tipps zum Abschmecken einer Teriyaki-Soße gelandet. Oder so ähnlich. Diagnose: Rabbit-Hole.
Mein liebster Kaninchenbau derzeit hat eine Ost- und eine Westküste. Irgendwo dazwischen liegen die Appalachen, der Mississippi, Texas. Und ein grantiger, alter, weißer, reicher, blondbehaarter Ober-Hase namens Donald will wieder der Chef werden.
Anders gesagt: Ich lese zurzeit sehr (sehr) viel über die politische USA und die anstehenden Wahlen. Meine Internet-Lesezeichen quellen über von Times, Posts, Economists oder Atlantics. Zwei, drei Podcasts fast jeden Abend als flankierende Maßnahme. Dazu US-Sender je nach Verfügbarkeit, Live-Streams, Bücher. Verrückt? Ja, ein bisschen.
Warum ich das mache ... drei Gründe, mindestens. Erstens: Der Wahlkampf ist irre unterhaltsam. Hier ein Schuss, dort ein Urteil, dazu Pornostars, superreiche Knallköpfe mit starkem Rechtsdrall und vermeintliche Katzenfresser in Springfield (in Ohio, nicht bei den Simpsons). Hulk Hogan röhrt. Elon Musk hetzt. Taylor Swift mischt mit. Der US-Wahlkampf ist wie "Schwiegertochter gesucht" gekreuzt mit "Game of Thrones". Pikanter Mix.
Zweitens: Diese Wahl ist wichtig. Womöglich wichtiger als jede vor ihr in den Vereinigten Staaten. Sie wird auch Deutschland (be)treffen, auch die Oberpfalz, Grafenwöhr, Weiden. Die politische Analyse überlasse ich aber den echten Experten.
Drittens: Ich darf am 5. November mit meiner Schwester live, vor Ort und in Farbe dabei sein, wenn in New York am Times Square Zigtausende ihre Köpfe nach oben recken, um die Ergebnisse zu verfolgen. Wenn, hoffentlich, eine dunkelhäutige Frau jamaikanisch-indischer Abstammung zur mächtigsten Person der Welt gewählt wird. Zur Ober-Häsin Kamala im Kaninchenbau. Es wäre wichtig.
OTon
Wir sind junge Mitarbeiter der Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne „OTon“ schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen.
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