Die innige Liebe zu dir begann schon früh. Sehr früh. Mit der Muttermilch quasi aufgesogen. Zugegeben, manchmal riechst du etwas streng. Andere sagen abfällig "wie stinkende Füße". Du würdest alles andere in deiner Umgebung verpesten. Blödsinn, du gibst Aroma ab und zeigst deinen wahren Charakter. Andere sind angeekelt, wenn sich über deinen Körper blaugrünlicher Schimmel legt. Das ist Quatsch, denn erst jetzt wirst du für mich richtig interessant. Endlich erlebe ich deinen intensiven Geschmack auf meinem Gaumen. Es ist wie im (französischen) Himmel.
Ich liebe Käse. Ich verehre Käse. Wo andere bei Ziege und Schaf die Nase rümpfen, halte ich Kuhmilch-Käse, wenn er nicht monatelang gereift ist, für schmalbrüstig. Mal bist du etwas salziger, mal schmecke ich deutlich das frische Heu heraus, manchmal bleibst du sanft auf der Zunge zurück. Käse ist die höchste Kunst der Lebensmittelverarbeitung. Aus mehreren Litern Milch, ein paar Zugaben und viel Zeit entsteht ein Meisterwerk, zu dem ich selten ein Stück Brot brauche. Genuss geht auch ohne. Aber ein Glas Wein dazu bereichert deine Vollkommenheit.
Seit des ersten Lockdowns habe ich mich selbst immer wieder am Käsen versucht. Die Coronapandemie gibt uns mehr Zeit, Dinge zu tun, zu denen wir ansonsten nie gekommen wären. Seitdem lagern bei mir im Kühlschrank Fläschchen mit Natur-Lab, Calciumchlorid, ein paar Tütchen mit Kulturen. Und siehe da! Es gelingt.
"Abfülltemperatur ist Einlabtemperatur", "Säulenschnitt mit dem Bruchschneider", "pasteurisieren" - all das sind keine Fremdwörter mehr für mich. Der Weichkäse mit Kräutern oder getrockneten Tomaten - gelagert im Glas - hat im Freundes- und Familienkreis viel Beachtung gefunden. An "richtigen" Käse, also den richtig gelagerten Käse mit dem Knaller-Odeur, habe ich mich noch nicht herangetraut. An Schimmelkulturen beziehungsweise Milch, die mit den Kulturen behandelt wurde, habe ich mich in der Mietswohnung auch noch nicht gewagt.
Meine Ehrfurcht vor den Maîtres fromager affineur und all den anderen Künstlern, die aus Milch Käse zaubern, ist dennoch noch einmal gewachsen. Darauf gönnen wir uns ein Stück vom Munster, Bleu d’Auvergne oder Valençay. Lasst euch diese Kunst zwischen den Fingern auf der Zunge zergehen.
OTon
In der Kolumne "OTon" schreiben junge Mitarbeiter von Oberpfalz-Medien über das, was ihnen im Alltag begegnet. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie sie die jungen Leute tagtäglich für die Leser aufbereiten, sondern um ganz persönliche Geschichten und Meinungen.
Hallo Frau Wilcke,
als Käse-Liebhaber sind Sie natürlich nicht alleine. Aber kennen Sie den Unterschied zwischen "Kas" und "Käse"? Wenn nicht, begeben Sie sich schnellstens ins Internet und lesen Sie diesen Artikel: http://www.josephmlutz-museum.de/content/textauszug_114.pdf
Viel Vergnügen und eine gute Zeit
Hans Zimmermann
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