Discotheken-Inhaber: "Wir sind systemrelevant"

Weiden in der Oberpfalz
14.10.2020 - 16:07 Uhr
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Während Kneipen und Bars in der Corona-Pandemie wieder öffnen dürfen, schauen die Disco-Inhaber weiterhin in die Röhre. Manche werden in der Krise aber auch kreativ. Wie ergeht es ihnen, nach monatelangem Stillstand?

„Die Lage ist nach wie vor scheiße“, sagt Daniel Zienert, Inhaber vom „Hashtag“ in der Weidener Altstadt. Aktuell lebt er noch von seinen Ersparnissen. Wenn es im kommenden Jahr keine Lösung gibt, wird es für ihn "richtig eng".

„Die Lage ist einfach nach wie vor scheiße.“ Das ist der erste Satz, der aus Daniel Zienert, Chef vom „Hashtag“ in Weiden, gleich zu Beginn des Gesprächs herausbricht.

Denn seit mittlerweile sieben Monaten sind sämtliche Discotheken geschlossen, Aussicht auf Wiederbetrieb gibt es bislang keine. Denn Clubs gelten als potenzielle Corona-Hotspots. Als Orte, an denen sich das Virus besonders schnell verbreiten könnte. Bars und Kneipen hingegen dürfen ihren Betrieb wieder aufnehmen. Auch private Feiern sind mit einer gewissen Gästezahl erlaubt.

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Weiden in der Oberpfalz04.06.2020

Lachen kann Zienert aus Weiden aber trotzdem noch. „Es hilft ja nichts“, sagt er. „Jammern bringt mich auch nicht weiter.“ Sein Club, in das er „alles Herzblut“ hineingesteckt hat, liegt in der Weidener Altstadt. Aktuell lebt Zienert von seinen Ersparnissen. Bisher, sagt er, geht das noch. Sollte sich die Lage aber bis nächstes Jahr nicht ändern, könnte es „richtig eng“ werden.

Für Alex Holländer, Betreiber der Discothek „No4“ in Tirschenreuth, ist das alles „blanker Spott“. Er spricht von Politikversagen, kann die Regelungen nach wie vor „nicht nachvollziehen“. Wie können Fußballspiele mit vollen Stadien erlaubt sein, der Clubbetrieb aber bis auf unbestimmte Zeit nicht? Diese Frage treibt ihn um.

Ohne Hauptjob "Game over"

Holländer hat den Club-Betrieb von der Pike auf gelernt. Weit über zehn Jahre lang ist er mit der Tirschenreuther Disco verbunden, hat die vielen Wechsel in der Chefetage miterlebt, die Namensänderungen. Holländer hat sich hochgearbeitet, die klassische Geschichte vom Tellerwäscher zum Club-Inhaber durchlebt, erzählt er. „Wenn man in dieser Branche ist, dann macht man das mit Leib und Seele“, sagt er. Umso mehr schmerzt ihn die momentane Lage. „Gott sei Dank habe ich einen Hauptjob“, sagt er. „Sonst hieße es Game over.“

"In den Discotheken", ist Holländer überzeugt, "könnten wir die Hygienemaßnahmen umsetzen. Wir würden die vollständigen Daten erfassen, Desinfektionsmittel aufstellen, die Maskenpflicht kontrollieren." Auch elektronische Fiebermessgeräte an den Eingängen könne er sich vorstellen.

Inhaber Alex Holländer in seiner leeren Diskothek. Die Türen zum No4 werden, wegen der Coronakrise, noch bis auf unbestimmte Zeit geschlossen bleiben.

Kein politischer Fahrplan

Dennoch: Für Discotheken gibt es nach wie vor keinen politischen Fahrplan. Und das würde, so Holländer, einen fatalen Rattenschwanz nach sich ziehen: Denn nun würden sich die Feiern ins Private verlagern - ohne irgendwelche Hygienekonzepte. Holländer selbst habe von Veranstaltungen gehört, die in nahegelegenen Wäldern stattgefunden hätten. "Die Leute kommen mit ihren Sprintern mit Anlagen und Aggregat und ab geht's."

Von solchen Parties will Daniel Zienert vom „Hashtag“ zwar nichts wissen, könne sich das aber „gut vorstellen“, wie er sagt. „Die Leute sind eben heiß aufs Feiern.“ In der Discotheken-Debatte erkennt er einen deutlichen Generationenkonflikt. „Ich verstehe vollkommen, dass die Politik solche Maßnahmen umsetzt“, sagt er. Niemand will, so Zienert, dass Clubs zu Hotspots werden. Gleichzeitig würden aber junge Menschen, die feiern möchten, unter Generalverdacht gestellt, als unvernünftig abgeurteilt werden. „Die Politiker vergessen total die Bedürfnisse der jungen Leute in der Krise. Dabei waren sie doch auch mal jung.“

"Die Leute kommen mit ihren Sprintern mit Anlagen und Aggregat und ab geht's."

Alex Holländer, Inhaber der Disco "No4"

Auf Junge eingeteufelt

Das bestätigt auch Alex Holländer aus Tirschenreuth. Es ärgert ihn, dass Discotheken oft in ein schlechtes Licht gerückt, als Orte von Saufgelagen dargestellt würden - und immer wieder "von Älteren auf Jugendliche eingeteufelt wird". Denn: "Clubs sind in meinen Augen systemrelevant."

Hier würden junge Menschen zusammentreffen, den Umgang miteinander lernen. Sich in die Augen schauen, Gestik und Mimik lesen lernen. Wichtig sei das, so Holländer, wo so viele junge Leute nur noch über ihre Handys kommunizieren. Discotheken würden da wichtige Arbeit leisten. "So viele Paare, die ich kenne, haben sich in der Disco kennengelernt. So viele Freundschaften haben sich dort entwickelt."

Onlineshop eröffnet

Recht entspannt sieht Thomas Walch die Lage. Er ist stellvertretender Geschäftsführer des Kultclubs „Happy Rock“ in Kropfersricht bei Sulzbach-Rosenberg. Walch hat einen Hauptjob, für das „Happy Rock“ muss er keine Miete zahlen, denn die Disco gehört Urgestein Hedwig Müller. „Das nimmt eine große Last von den Schultern“, sagt Walch.

Einen Disco-Livestream mit Rock- und Technomusik hat Thomas Walch bereits organisiert. Die Aktion macht aber viel Arbeit und bringt kein Geld ein. Walch sieht die Lage aber entspannt - er hat keine Mietkosten.

Mittlerweile hat er einen Onlineshop eröffnet, in dem sich treue Besucher Fanartikel vom „Happy Rock“ kaufen können - Gesichtsmasken, T-Shirts, Pullover und Feuerzeuge. Außerdem sind "Gespräche mit der Stadt" geplant - Walch hat viele Ideen, wie er sagt. Er will nun abklären, wie man die umsetzen kann. "Ich kann mir ein Weißwurstfrühstück oder ein Dartturnier vorstellen." Die Räume seien vorhanden - das „Happy Rock“ verteilt sich auf zwei Stockwerke, auch eine Gaststätte gehört dazu.

Alle drei Betreiber sind sich aber einig: Ihre Discotheken wird es trotz allem weiterhin geben. Niemand möchte zusperren. „Wir werden nicht aufgeben“, sagt Daniel Zienert. Was allerdings fehle, sei eine größere Lobby. „Solange wir nicht endlich Gehör finden, werden wir wohl weiterhin in der Schwebe bleiben.“

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