(jrh) "Wir haben ein europäisches Verbundnetz, da können wir auch die Wasserkraft aus Skandinavien einspeisen", will Professor Frank Späte den Horizont erweitern. Schon jetzt könne man regenerativ so viel Strom erzeugen wie mit den Kernkraftwerken. Und für den Dunkelfall habe man, solange, bis man ihn anders überbrücken kann, noch die Braunkohle. "Wenn wir in Deutschland eine Energiewende umsetzen, sind wir weltweit Vorreiter - das hat das Land immer vorwärts gebracht", sieht der Umweltingenieur in der grünen Technologie einen Wohlstandsgaranten.
Beim Preis Vorreiter
"Bisher sind wir nur beim Preis Vorreiter", wendet Steinbock ein. "Der Erzeugungspreis bei erneuerbaren Energien ist doch gesunken", hält Schröpf dagegen, "das können Sie bei Tennet nachlesen." Steinbock hakt nach: "Aber ich kaufe doch nicht den Erzeugerpreis, ich brauche den geglätteten Strom." Geglättet oder nicht, selbst produzierter Solarstrom sei schon heute günstiger als konventioneller: "Ich kann Ihnen meine Angebote zeigen." Dennoch findet Steinbock, diese Entwicklung sei nur dem EEG geschuldet: "Ein reines Geschenk an Ihre Branche." Von wegen: "Eine Anschubfinanzierung wie bei jeder neuen Technologie, oder wer, glauben Sie, hat die viel höheren Forschungs- und Entwicklungskosten für die Kernenergie bezahlt?", ärgert sich Schröpf, "und da sind die Kosten für Entsorgung, Endlagerung, Stilllegung, Transport samt Polizeieinsatz noch nicht berücksichtigt."
Preis der Strombörse
Professor Späte will grundsätzlich die Preisgestaltung klären: "Den Preis bestimmt die Strombörse nach Angebot und Nachfrage, den Zuschlag bekommt, wer den geringsten Preis aufruft." Der Braunkohlepreis sei bisher am niedrigsten, weil bei den Fossilen nur die Energieträgerkosten ins Gewicht fielen, alles andere sei abgeschrieben. "Die Grenzkosten der Erneuerbaren sind allerdings sehr gering, also sind auch sie mit sehr niedrigen Preisen an der Börse."
Kein freier Markt
Von Börse und Merrit Order möchte Dr. Steinbock nichts wissen: "Das ist doch kein freier Markt", wendet er ein. "Da sind wir uns einig", stimmt Späte zu. Auf Verlangen der EU sei das Monopol der Konzerne halbherzig zerschlagen worden. Die Regulierung sah eine Spaltung in Stromerzeuger und Netzbetreiber vor. "Ohne die Erneuerbaren wären in diesen Markt Steinkohle und Gas mit viel höheren Preisen eingespeist worden, dann würden wir heute viel mehr bezahlen." Außerdem hätte man dann mehrere Hundert Stunden Bedarf nicht decken können.
Schröpf führt ein weiteres Argument an: "Wir haben kaum noch eigene Rohstoffe, die Abhängigkeit vom Import von Öl der OPEC-Staaten und Gas aus Russland ist volkswirtschaftlich nicht gut."
"Ich habe nichts gegen einen Mix", deutet Steinbock eine Kompromisslinie an, "aber ich bin dafür, dass wir die vorhandenen Kapazitäten nutzen." Späte ist skeptisch: "Die Kernkraftwerke laufen ja schon eine Zeit, die haben wir reichlich genutzt."
Überalterter Kraftwerkspark
Das sei im Übrigen einer der Gründe, warum die Strompreise auch ohne Energiewende nicht günstiger werden, im Gegenteil: "Wir haben einen völlig überalterten Kraftwerkspark, da wurde seit 40 Jahren nicht mehr investiert." Allein für den Süd-Ost-Link fühle sich die Politik bemüßigt, Investoren mit einer garantierten Rendite von 9 Prozent zu locken. Zum Preis kämen die unkalkulierbaren gesellschaftlichen Kosten: "Die Frage ist, ob Sie heute solche Großprojekte überhaupt noch realisieren können, wenn schon gegen jedes Windrad eine Bürgerinitiative gegründet wird."
Solarunternehmer Schröpf nimmt Steinbocks Faden wieder auf: "Ich kann damit leben, dass wir die Energiewende zu 75 Prozent schaffen, 100 Prozent sind immer überproportional teuer." Auf einen Energiemix könnte sich die Runde also verständigen. Und auch in einem anderen Punkt herrscht Einigkeit: "Im Strompreis stecken versteckte Posten, die ihn teuer machen", erklärt Schröpf. "Vor allem natürlich die Steuer - der Kohlepfennig und die AKW-Folgekosten sind in anderen Töpfen versteckt."
Absolut wettbewerbsfähig
Dr. Steinbock ist nicht restlos überzeugt, ob viel Energiewende für wenig Preis möglich ist. Aber zumindest ein Argument ist angekommen: "Der Strompreis muss sinken", das Wie ist dem Rentner dabei fast egal. Und die Wendebefürworter wären im Gegenzug gerne bereit, auf weitere Subventionen zu verzichten: "Wir sind absolut wettbewerbsfähig, nur Knüppel sollte man uns nicht mehr zwischen die Beine werfen, wie mit der inzwischen gekappten Deckelung der Ausbaukapazität", fordert der Unternehmer.





















Man kann über den Sinn oder dem Unsinn eines solchen Gesprächs wohl ebenso lang diskutieren, wie die Herren Steinbock, Späte und Schröpf über das Thema an sich diskutiert haben. Herr Steinbock der sich selbst als „Energiewirtschaftler“ bezeichnet, „der einen Teil seines Lebens mit dem technisch-ökonomischen Zusammenwirken von Kernkraftwerken und konventionellen Kraftwerken beruflich befasst war“, konnte keinen aktuellen Gesprächsbeitrag liefern, außer die vorliegenden Fakten zu leugnen. Steinbock beruft sich dabei gerne auf AfD-nahe Autoren und Positionen. Forschungen haben schon vor Jahren einen signifikanten Unterschied bei der Bewertung von Umwelt- und Naturschutzfragen zwischen Ost und West ergeben. Eine Sozialisation in der DDR, wo Umwelt- und Naturschutz einen geringeren staatspolitischen Stellenwert hatten, prägte demnach auch ihre Bürger entsprechend. Tätigkeiten im AKW Greifswald und in Kohleheizkraftwerken, wie im vorliegenden Fall, dürften weiter prägend für veraltete Technologien gewesen sein. Hinzu kommt oftmals eine Isolation gegenüber Informationen, die nicht dem Standpunkt des Benutzers entsprechen (Filterblase). In seinem Leserbrief springt Manfred Schiller dem Klimaleugner Dr. Steinbock bei, schließlich sei ein kernkraftbefürwortender Rentner, der auf Erfahrung und ein langes Berufsleben zurückblicken kann und sicher kein persönliches monetäres Interesse an dem Thema hat, glaubhafter als 97 % der weltweiten Klimaforscher. Ohne die Lebensleistung von Herrn Dr. Steinbock herabwürdigen zu wollen, muss doch festgehalten werden, dass H. Steinbock (nach eigenen Angaben) zuletzt 1977 in einem Kernkraftwerk gearbeitet hat. Anschließend habe er in einem Gummiwerk, und bis zur Wende in der Geschäftsführung eines Möbelwerks gearbeitet. Anschließend habe er umgeschult und bei einem Steuerhilfeverein gearbeitet. Man tritt H. Steinbock also nicht zu nahe, wenn man seine Qualifikation in Klima- uns Stromversorgungsfragen zumindest anzweifelt. Einen echten Klimawandelleugner stört das aber kaum (siehe vorstehende Kommentare).
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