Armin Laschet macht einen hypernervösen Eindruck. Der Kanzlerkandidat der Union steht umringt von Fernsehkameras an der Seite von Markus Söder im Eingangsbereich zum CSU-Parteitag. Gleich wird es auf ihn und seine Rede ankommen in der Höhle von Löwen, die ihm bislang nicht übermäßig wohlgesonnen waren. Laschet nestelt ununterbrochen an seiner Brille und der FFP2-Maske, dazwischen fingert er ziellos in seinen Sakkotaschen. Dann geht es hinein in den Saal – und oh Wunder: Die Delegierten feiern den Mann aus Aachen stehend und johlend. Die CSU-Basis hat begriffen, dass dieser Moment für den Ausgang der Bundestagswahl entscheidend sein könnte, und liefert die Bilder, die es für die herbeigesehnte Trendwende im Umfragetief braucht.
"Wir begrüßen den Kanzlerkandidaten der gesamten Union, auch der CSU", ruft Markus Söder in den "euphorischen Empfang" hinein und überlässt Laschet ohne Umschweife die Bühne. Der beginnt - und es hört sich tatsächlich völlig ironiefrei an nach den bayerischen Quer- und Heckenschüssen der vergangenen Wochen - mit einem Gruß an die "lieben Freundinnen und Freunde der CSU". Überraschend schnell erreicht er deren Herzen, indem er an den legendären CSU-Gründer Josef Müller, den "Ochsen-Sepp", erinnert, natürlich Franz Josef Strauß zitiert und als Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens die Vorbildrolle Bayerns und der CSU lobt. Laschet macht das so geschickt, dass dieses Anwanzen an die ihm kritisch verbundene Schwester überhaupt nicht wie Anwanzen daherkommt.
Hochkonzentriert, staatsmännisch
In der Folge legt Laschet einen seriösen, kämpferischen und in einigen Passagen geradezu staatsmännischen Auftritt hin. An keiner Stelle bricht das bei ihm gern eingestreute Karnevaleske durch, der Mann präsentiert sich hochkonzentriert. Seine Rede ist klar strukturiert. An fünf Punkten zeigt er auf, warum die Bundestagswahl eine "Richtungsentscheidung" sei, dass es - wie Angela Merkel zuletzt im Bundestag erklärte - eben nicht egal sei, wer in Berlin regiere. "In den entscheidenden Momenten der deutschen Geschichte standen CDU und CSU immer für den richtigen Weg", blickt Laschet auf Zäsuren wie die Wiederbewaffnung Deutschlands nach dem Krieg, die deutsche Einheit oder die Bewältigung der Krisen in den vergangenen Jahren zurück. Immer die richtigen Entscheidungen zu treffen, "das traue ich SPD, Grünen und den Linken nicht zu" - und auch einem SPD-Kanzler Olaf Scholz nicht, der ja als Finanzminister nur so gut dastehe, "weil Angela Merkel auf ihn aufgepasst hat".
Laschet hält eine "Die oder wir"-Rede. Egal ob innere oder äußere Sicherheit, die Union könne mit klarem Kurs beides garantieren, während das linke Lager bei der modernen Ausrüstung für Bundeswehr blockiere und Kriminalität nicht konsequent bekämpfe. Für die Wirtschaft strebe die Union ein "Modernisierungsjahrzehnt" an, während die anderen für Steuererhöhungen, mehr Bürokratie und staatliche Eingriffe stünden. "SPD und Grüne regieren zu lassen, ist ein Angriff auf den Wohlstand in Deutschland", mahnt Laschet. Und beim Klimaschutz sei man sich zwar in den Zielen einig, aber nicht über den Weg dahin. Statt mit Verboten und Vorgaben wolle er es mit Anreizen und Innovation schaffen. Es gehe darum, Klimaschutz und den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie miteinander zu verknüpfen. Wirklich konkret wird Laschet aber bei keinem der Themen, die genaue Umsetzung lässt er im Vagen.
Geradezu genüsslich stößt Laschet dafür in einer offenen Flanke der Kampagne von SPD-Konkurrent Olaf Scholz. Er stört sich daran, dass Scholz eine Koalition mit der Linken nicht ausschließt. Dabei müsse man doch klare Kante gegen Extremisten von links wie rechts zeigen. "Wir koalieren nicht mit den Linken und wir bekämpfen die AfD und die Rechten - das ist doch ein relativ einfacher Satz. Warum bekommt es Olaf Scholz nicht auf die Beine, diesen Satz auszusprechen", fragt Laschet geradezu spitzbübisch in den Applaus der CSU-Delegierten hinein. "Weil er sich eine Hintertür offen lassen will", antwortet er sich selbst, um schließlich eine Art Finale furioso hinzulegen. In den entscheidenden Momenten müsse man Kurs halten, sagt Laschet. "Das können Rot-Rot-Grün nicht, und deshalb will ich Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden."
„Rede des künftigen Kanzlers“
In den Stuhlreihen der Nürnberger Messehalle gibt es jetzt kein Halten mehr. Gut acht Minuten stehen die Delegierten und applaudieren dem Mann zu, den die meisten bis zu diesem Zeitpunkt für die bestenfalls zweite Wahl in der Kandidatenfrage gehalten hatten. Für Laschet sind diese Minuten eine Genugtuung, er strahlt Erleichterung und - ja auch - Siegesgewissheit aus. "Das war die Rede unseres künftigen Kanzlers", tönt Söder in den Jubel hinein. Er sieht in diesem Moment tatsächlich überzeugt von dieser Aussage aus. Die Delegierten gehen danach beinahe wie beseelt nach Hause. Als "hervorragend" bewertet auch der vormals skeptische Tirschenreuther Abgeordnete Tobias Reiß Laschets Auftritt. "So was hätten wir schon vor zwei oder drei Monaten gebraucht", blickt er auf die nur noch wenig verbleibende Zeit bis zum Wahltag. Immerhin gehe man nun motiviert und zuversichtlich in die letzten beiden Wahlkampfwochen. Das ist deutlich mehr, als viele in der CSU vor diesem Parteitag erhofft hatten.
Oberpfälzer im CSU-Vorstand
Die Oberpfälzer CSU hat ihre sechs Posten im CSU-Landesvorstand verteidigt. Neben Bezirkschef Albert Füracker wurde die Regensburgerin Astrid Freudenstein als Schriftführerin im engeren Führungszirkel der Partei bestätigt. Als Beisitzer im Parteivorstand wiedergewählt wurden die Regensburger Landtagabgeordnete Sylvia Stierstorfer, die Pleysteiner Stadträtin Andrea Lang sowie die Landräte von Schwandorf und Sulzbach-Rosenberg, Thomas Ebeling und Richard Reisinger.
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