06.03.2019 - 15:15 Uhr

CSU in Passau: Söder mit Bart, Weber mit Elan

Seine Verkleidung hat sich Markus Söder für den Politischen Aschermittwoch aufgehoben. Für Passau hat er sich ein Outfit ausgesucht, das ihn zeigt, wie er wohl gerne gesehen werden möchte - als cooler Typ.

CSU-Chef Markus Söder (rechts) und Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei. Bild: Peter Kneffel/dpa
CSU-Chef Markus Söder (rechts) und Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei.

Markus Söders üblicherweise glatt rasiertes Gesicht ziert ein Bartschatten, der noch keine drei Tage steht - so wie das heutzutage gern von männlichen Models getragen wird. Dass Söder sich anhören muss, die Stoppeln würden ein wenig in Richtung des Grünen-Chefs Robert Habeck tendieren, provoziert ihn zu einer Spitze gegen den Konkurrenten um Wähler und Zuneigung. "So lässig wie der sind wir schon lange, nur wächst bei uns mehr", gockelt Söder. Beim testosteron-gesteuerten Aschermittwoch in Passau zünden solche Sätze immer.

Der Parteichef Söder ist im 100. Jubiläumsjahr des Politischen Aschermittwochs allerdings nur der Ko-Referent bei der CSU. Die Europawahl steht vor der Tür, und die europäischen Konservativen ziehen mit CSU-Vize Manfred Weber als Spitzenkandidat in den Wahlkampf. Der Niederbayer möchte den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker beerben. Den Auftritt in der Heimat als Hauptredner des CSU-Aschermittwochs genießt Weber sichtlich. "Heute ist Passau Europas größter Stammtisch", ruft er in den Jubel der Drei-Länder-Halle.

Damit das auch überall bekannt wird, hat Weber gut drei Dutzend Journalisten aus ganz Europa im Begleittross. Für sie werden die Reden simultan ins Englische übersetzt. Wobei die Dolmetscher schon am Vorabend ins Schleudern geraten waren, als sie ein Grußwort des Passauer Landrats Franz Meyer aus dem Niederbayerischen in die Weltsprache übersetzen mussten. Weber macht es ihnen leichter. Denn statt einer zünftigen und zotigen Bierzeltrede wirbt Weber mit großem Engagement und ebensolcher Sachlichkeit für das europäische Projekt. Von dem ist er überzeugt, er brennt regelrecht dafür - und das merkt man ihm jede Minute am Rednerpult an.

Weber präsentiert sich als Kandidat der Mitte. Aus der heraus müsse Europa gestaltet werden, "nicht von den Linken oder den rechten Dumpfbacken". Besonders Letztere nimmt er aufs Korn. Immer "dreister und radikaler" werde die AfD. Franz Josef Strauß würde diese Partei nicht wählen, "sondern mit seiner brillanten Rhetorik gegen sie anreden", verwahrt er sich gegen die Vereinnahmung der CSU-Ikone durch die AfD. Ein Beifallssturm seiner Getreuen brandet ihm da entgegen. Weber erinnert an den Strauß-Satz, wonach Bayern Heimat, Deutschland Vaterland und Europa Zukunft sei. "Wir lassen uns von keinen Populisten einreden, dass das ein Widerspruch ist", wettert Weber.

Dann redet er so liebevoll und überzeugend von der europäischen Idee, wie das bei der CSU in Passau wohl noch nie jemand getan hat. Der Aufstieg und der Wohlstand Bayerns wäre ohne den von der EU garantierten freien Handel nicht denkbar. Die Freiheit, die Überwindung des Hasses zwischen den Völkern und das Ende des Wahnsinns der Kriege sei ein Geschenk des vereinten Europas. Weber bittet darum, das Wertvolle Europas mehr wahrzunehmen, weniger den Ärger über kleinteilige Entscheidungen. "Es hat noch nie eine besseres Europa gegeben als das, in dem wir heute leben", betont Weber.

Und Europa werde gebraucht. Bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise, bei der Abwehr feindlicher Firmenübernahmen aus China, bei der Besteuerung multinationaler Konzerne wie Amazon und Facebook, beim gemeinsamen Auftritt gegen den amerikanischen Handelskrieger Donald Trump und nicht zuletzt, um dem russischen Machtstreben entgegentreten zu können. Sollte er wirklich EU-Kommissionpräsident werden, habe er sich zwei Ziele gesteckt, kündigt Weber noch an. Einen "europäischen Masterplan gegen Krebs" will er anstoßen und "die Dienste der EU anweisen, die Beitrittsgespräche mit der Türkei zu beenden". Dieses Versprechen hat noch immer jeden CSU-Aschermittwochsgänger aus der Lethargie geholt.

Wie einem Heilsbringer jubeln sie Weber nach seiner Rede zu. Söder steht längst am Rednerpult und will mit seiner Ansprache beginnen, doch die Gäste in der Halle lassen Weber minutenlang nicht von der Bühne. Vielleicht ahnen sie da schon, dass Söder eine seiner maueren Reden mit vielen bekannten Pointen halten wird. Auffällig ist aber, wie kämpferisch auch er sich für Europa ins Zeug legt. "Bei aller Kritik im Detail: Wir sind nicht bereit, Europa den Nationalisten und Populisten zu überlassen", erklärt er.

Den wirklich Konservativen in der AfD ruft er zu: "Kehrt zurück und lasst die Nazis in der AfD allein." An SPD und Grünen arbeitet er sich erwartbar ab, der Geräuschpegel im Saal steigt kontinuierlich. Nur am Ende reißt Söder seine Parteigänger noch einmal mit, als er die Zeit für eine "neue Stärke" der CSU ausruft. Optimistisch wolle man sein und nicht destruktiv wie die SPD, zerstörerisch wie die AFD und besserwisserisch wie die Grünen. Im kommenden Jahr wird Söder die Bühne vermutlich erstmals allein für sich haben. Vielleicht ist dann auch der Hauch eines Bartes wieder weg.

 
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