Der durchschnittliche Strompreis in Bayern könnte bis 2030 um bis zu 50 Prozent steigen. Hauptgründe sind der wachsende Strombedarf sowie die Kosten für die Energiewende. Nach deren Abschluss Mitte der 2030er Jahre sei aber wieder mit sinkenden Strompreisen zu rechnen, sagte Almut Kirchner von der Prognos AG voraus. Ohne die Umstellung auf erneuerbare Energien würden die Strompreise aber noch stärker steigen. Diese hätten wegen ihrer vergleichsweise niedrigen Produktionskosten eine "dämpfende Wirkung".
Um einen zu steilen Anstieg der Strompreise zu verhindern, forderten mehrere Experten die Abschaffung der EEG-Umlage sowie die Absenkung der Stromsteuer auf das von der EU zugelassene Mindestmaß. Allein das entlaste private Haushalte um bis zu fünf Cent je Kilowattstunde, teilte Thomas Engelke von der "Verbraucherzentrale Bundesverband e.V." mit. Einkommensschwache Haushalte könnten durch höheres Wohngeld oder einen Aufschlag auf andere Sozialleistungen unterstützt werden. Für Geringverdiener ohne Anspruch auf Sozialleistungen müssten andere Hilfen greifen, zum Beispiel bei der Anschaffung stromsparender Haushaltsgeräte.
Nachteil für nordostbayerische Industrie
Wirtschaftsvertreter warnten vor Wettbewerbsverzerrungen wegen der hohen Strompreise. So plädierte Bernhard Langhammer als Sprecher des Chemieparks Gendorf für einen stabilen Industriestrompreis. Die Differenz zum jeweils aktuellen Marktpreis müsse für die Unternehmen zum Beispiel über einen auch staatlich unterstützten Fonds ausgeglichen werden. Ähnlich äußerte sich der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, Bertram Brossardt. Die hohen Strompreise seien eine "echte Belastung für unsere Unternehmen" und behinderten den Weg in die Klimaneutralität. Vor allem energieintensive Unternehmen bräuchten andere Marktregeln als Mittelständler und private Haushalte. Ansonsten drohe gerade in den Regionen Nord- und Ostbayerns eine De-Industrialisierung.
Brossardt sprach sich zudem für einen umfassenden Ausbau der erneuerbaren Energien und damit auch der Windkraft in Bayern aus und forderte einen raschen Ausbau der Stromnetze. Dem schloss sich Ingo Schmidt vom Stromnetzbetreiber Tennet an. Ohne Netzausbau würden immer mehr Eingriffe in die Netzstabilität erforderlich. Sein Unternehmen habe dafür allein 2020 mehr als eine Milliarde Euro aufwenden müssen, was letztlich auch auf den Strompreis durchschlage.
In Europas Mittelfeld
Im Gegensatz zu den anderen Fachleuten lehnte Swantje Fiedler vom Forum ökologisch-soziale Marktwirtschaft eine Absenkung der Strompreise ab. Bezogen auf das Durchschnittseinkommen lägen die monatlichen Kosten für den Strombezug im europäischen Mittelfeld. Für einkommensschwache Haushalte brauche es aber Hilfen. Energieintensive Branchen genössen schon heute Ausnahmeregelungen. Eine pauschale Strompreissenkung sei auch aus ökologischer Sicht der falsche Weg. Fossil erzeugter Strom müsse eher verteuert, regenerativ hergestellter verbilligt werden, meinte Fiedler.
Eine Einzelmeinung vertrat der wissenschaftliche Mitarbeiter der Rechtspopulisten im Europaparlament, Josef Fäßler. Er bezweifelte, dass der geplante Atom- und Kohleausstieg sinnvoll sei, da Wind- und Solarstrom selbst bei maximal möglichem Ausbau "hinten und vorne nicht ausreichen" würden, um eine preisgünstige und sichere Stromversorgung zu gewährleisten. Deutschland und Bayern sollten deshalb zur Kernkraft zurückkehren.
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