Floß
26.04.2019 - 22:55 Uhr

Europas faire Milchbauern

Wer denkt, dass Landwirte nicht über die eigene Furche hinausdenken, ist falsch gewickelt: Beim Besuch zweier afrikanischer Milchbauern in Ellenbach (Floß) wird deutlich, welche Folgen die EU-Agrarpolitik hat - eine Steilvorlage für die Podiumsdiskussion des BDM am Donnerstag, 2. Mai, 20 Uhr in der Stadthalle Neustadt/Waldnaab.

Internationale Milchbauern-Solidarität: (von rechts) BDM-Vorstand Hubert Meiler, Ibrahim Adama Diallo, Adama Dembele zu Gast im Kuhstall beim örtlichen BDM-Chef Werner Reinl mit Übersetzer. Bild: jrh
Internationale Milchbauern-Solidarität: (von rechts) BDM-Vorstand Hubert Meiler, Ibrahim Adama Diallo, Adama Dembele zu Gast im Kuhstall beim örtlichen BDM-Chef Werner Reinl mit Übersetzer.
Bayern26.04.2019

Ibrahim Adama Diallo, 49, lebt mit seiner Großfamilie am Stadtrand von Ouahigouya (122.000 Einwohner), der Hauptstadt der Region Nord im westafrikanischen Burkina Faso. "Mit meinen fünf Kühe ernähre ich meine fünf Kinder und weitere 25 Angehörige", sagt er stolz.

Sein Kollege Adama Dembele ist für afrikanische Verhältnisse schon fast ein Großbauer. Der 58-Jährige aus dem 7000-Einwohner-Städtchen Kassela in der malischen Region Koulikoro hat immerhin 40 Kühe im Stall stehen.

Beide haben eines gemeinsam: Sie kämpfen um ihre Existenz. Der Grund: "Billiges Milchpulver aus Europa überschwemmt unseren Markt", klagt Dialo. "Das kostet 30 Cent, unsere Milch aber 80 Cent der Liter, die kauft uns keiner mehr ab."

Verheerende Folgen für Afrika

Die Folgen sind für Westafrika verheerend: "80 Prozent unserer Landwirte sind Tierhalter, die keine Zukunft mehr sehen." Klar, dass sich die perspektivlose junge Generation auf die Wanderschaft Richtung Europa begibt: "Das sind die Fluchtursachen, die ihr bekämpfen wollt", sagt Dembele.

Dialo versucht vor Ort dem Übel so gut es geht entgegenzuwirken: "Ich bin auch noch in der Molkerei ,Fair Faso', die versucht, ein Bewusstsein für die Lage der Milchviehhalter zu schaffen." Auf nationalem Niveau produziert die Molkerei 250.000 Kilo im Jahr - die Hälfte der Menge des Störnsteiner Landwirts Hubert Meiler. "Die Naabtaler Milchwerke produzieren 700 Millionen Kilo", nennt der Vorstand des hiesigen Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM) eine Vergleichsgröße.

Es geht auch fair: Afrikanische Milchbauern besuchen zusammen mit den Gastgebern vom BDM einen Edeka in Weiden, der regionale Milch zu fairen Preisen im Sortiment hat. Bild: jrh
Es geht auch fair: Afrikanische Milchbauern besuchen zusammen mit den Gastgebern vom BDM einen Edeka in Weiden, der regionale Milch zu fairen Preisen im Sortiment hat.

Mit Palmöl angereichert

Neustadt an der Waldnaab26.04.2019

Auch nach dem Wegfall der Exportsubventionen habe sich die Situation in Afrika nicht verbessert: "Die Vorräte werden mit Palmöl angereichert", klagt Dialo. Ausgerechnet mit dem Rohstoff, für den im großen Stil tropischer Regenwald abgeholzt wird. "Das billige Fett aus der Ölpalme wird bei uns für Margarine, Knabbergebäck, Schokoaufstrich, Eiscreme und Backwaren verwendet", kritisiert der Weidener BDM-Chef Werner Reinl, "und ist Ausgangsstoff für Shampoo, Waschmittel und Biosprit."

Strategie des BDM

Vor den Europa-Wahlen am 16. Mai wollen die kritischen Landwirte auf den Zusammenhang zwischen Überproduktion, Hunger- und Fluchtkrisen sowie Umweltzerstörung aufmerksam machen. Mit der Sektorstrategie 2030 des BDM fordern sie von der Politik notwendige Weichenstellungen für einen zukunftsfähigen Milchmarkt. "Zumindest der erste Schritt dieser Strategie muss umgehend umgesetzt werden", fordert Reinl. "Mit dem BDM-Krisenmanagement-Konzept lassen sich Marktkrisen effizient begegnen - das hat ein erster Versuch im vergangenen Jahr gezeigt."

Nationale Branchenlösungen reichten nicht aus. "Wir brauchen verbindliche Verträge zwischen Milchviehhaltern und Milchverarbeitern", fordert Reinl, "konkrete Vereinbarungen von Liefermengen, die Dauer der Lieferbeziehung und Qualitätsmerkmale zum vereinbarten Preis."

Podiumsdiskussion zur EU-Agrarpolitik:

Bauern zur Europa-Wahl

Der BDM lädt am Donnerstag, 2. Mai, 20 Uhr, zur Podiumsdiskussion „Milchbauern & Gesellschaft – mit Europa in die Zukunft!“ in die Stadthalle Neustadt/WN:

◉ CSU: angefragt

◉ SPD: Maria Noichl (MdEP Rosenheim, Agrarausschuss)

◉ Grüne: Martin Häusling (MdEP aus Bad Wildungen, agrarpolitischer Sprecher der Grünen)

◉ Freie Wähler: Tobias Gotthardt (MdL Regensburg, Vorsitzender des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten)

◉ FDP: Nicole Bauer (MdB Vilsbiburg, Mitglied Agrarausschuss)

◉ BDM: Stefan Mann (BDM-Vorstandschef).

 
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