Als bayerischer Minister verdient man ganz ordentlich. Ein Teil des Gehalts ist eine Art Schmerzensgeld, wie Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Dienstag Nachmittag gemerkt haben dürfte. Als Minister ist man nämlich auch Watschnmann für seinen Chef.
Dieser hatte in Gestalt von Markus Söder zur Mittagszeit bei einer Pressekonferenz noch die tollen neuen Lockerungen für Bayern ab Donnerstag verkündet. Im Landtag hat anschließend Holetschek die Regierungserklärung dazu gehalten und musste die Pfeile der Opposition auf sich ziehen, die in erster Linie Söder gegolten hatten. Einige davon dürften in der Tat geschmerzt haben.
Vorwürfe an Regierung in Berlin
Holetschek wählte die Strategie der Vorwärtsverteidigung. Mit den kurz zuvor beschlossenen Lockerungen hielt er sich nicht lange auf. Vielmehr zog er erst einmal eine ausführliche Bilanz nach zwei Jahren Pandemiepolitik der Staatsregierung. Er lobte den flächendeckenden Aufbau von Test- und Impfzentren und die stets der Lage angepassten Schutzmaßnahmen.
Dann richtete er den Blick auf die neue Bundesregierung. Was habe denn die geleistet seit ihrer Amtsübernahme für die Bewältigung der Pandemie, fragte Holetschek in den Saal und gab sich selbst die Antwort: "Gar nichts!" Handwerklich werde ein Fehler nach dem anderen gemacht, bei der Impfpflicht genauso wie beim Genesenenstatus oder dem Pflegebonus.
Opposition antwortet mit Spott
Die Außenposten der Berliner Ampel im Landtag zahlten mit gleicher Münze zurück. Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann schimpfte über das Aussetzen der Impfpflicht für Pflegeberufe in Bayern. "Sie haben den Kanister mit Brandbeschleuniger für die Querdenker-Szene bereitgestellt", formulierte er in Richtung Söder. Das Aussetzen erfolge nur, weil die Staatsregierung die rechtzeitige Einführung nicht ordentlich vorbereitet habe, ein hausgemachtes Versagen sei das.
Ruth Waldmann (SPD) spottete, in Bayern bekomme man zwar Führung durch die Regierung, "aber leider jeden Tag in andere Richtung". Und wenn Söder das Verordnungsdickicht in Sachen Corona beklage, fügte FDP-Fraktionschef Martin Hagen schneidend an, müsse man schon fragen, wer dieses derart habe wuchern lassen in Bayern.
Freie Wähler verteidigen Söder
Zur kernigen Verteidigung Söders und der Regierungskoalition drückte der Freie Wähler Fabian Mehring das Kreuz durch. "Die Bayern-Koalition bleibt der Goldstandard in der Pandemiebekämpfung", sagte er. Einmal mehr gehe man bundesweit voran. Das Problem sei nicht, was in Bayern gemacht werde, "sondern was in Berlin nicht gemacht wird". Dort sei zwar Führung bestellt worden, aber offenbar gebe es da Lieferengpässe.
In seiner eigenen Welt redete AfD-Fraktionschef Ulrich Singer. Er stellte alle Corona-Maßnahmen als "willkürlich" in Frage, nannte die Impfstrategie gescheitert und rückte seine Partei in den Rang der wahren Freiheitskämpfer. Die Zuhörer vor ihm wirkten dabei so, als ob auch sie gegen ein wenig Schmerzensgeld nichts einzuwenden hätten.
Die Sichtweise der bayrischen Staatsregierung auf die Corona-Pandemie ist schon bemerkenswert. Was haben die wohl geraucht? Auch die anderen Bundesländer haben Testzentren aufgebaut und geimpft. Bei den Impfungen ist der Freistaat Bayern immer noch auf Platz 9 der 16 Bundesländer, über 15 Prozentpunkte hinter dem Primus Bremen.
Und wenn Herr Söder und sein Gesundheitsminister jetzt auf den aktuellen Bundes-Gesundheitsminister schimpft, dann sollte er sich bewusst sein, dass die aktuelle Situation zu großen Teilen noch vom vorherigen Gesundheits-Minister - Herr Spahn von der CDU - verursacht wurde. Wer war zu Beginn der Impfkampagne im Januar 2021 Bundes-Gesundheitsminister? Nein, nicht Herr Prof. Dr. Lauterbach. Es war Herr Spahn von der CDU. Wer war Bundes-Gesundheitsminister, als im Sommer 2020 die Impfstoffe bestellt wurden? Nein, nicht Herr Prof. Dr. Lauterbach. Es war Herr Spahn von der CDU. Wer war im Sommer 2021 Bundes-Gesundheitsminister, als die Impfkampagne praktisch versiegte und erkennbar wurde, das es - auch und gerade bei den älteren Personen über 70 Jahre noch große Lücken gibt? Nein, nicht Herr Prof. Dr. Lauterbach. Es war Herr Spahn von der CDU.
Welche Partei konnte sich, als sie noch die Bundesregierung stellte, nicht für eine Impfpflicht begeistern? Es war die CDU und die CSU. Welcher der 16 Ministerpräsidenten hat immer munter mitgemacht, wenn es darum geht, bundeseinheitliche Corona-Regeln zu fordern, aber die vereinbarten Regeln dann anders umzusetzen, als es vereinbart war? Nein, nicht Herr Prof. Dr. Lauterbach. Es war Herr Söder von der CSU.
Wir haben hier Wahlkampf erlebt. Das Wahlkampf in der Corona-Pandemie nur dem Virus nützt, haben wir im Sommer 2021 erlebt. Wozu also jetzt Wahlkampf? Warum jetzt weiter mit Schmutz um sich werfen? Um das sowieso ruinierte Vertrauen der Bürger in die Politik weiter zu zerstören? Um zu zeigen, das man selber nicht weiß, was man eigentlich will?
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