München
11.12.2024 - 13:08 Uhr

Diskussion um bayerischen Nachtragshaushalt: "Kleinkarierter Buchhalterhaushalt" oder "alles, was möglich ist"?

Mitten in der Vorweihnachtszeit hält Finanzminister Albert Füracker im Landtag eine Fastenpredigt. Wegen schlechter Konjunktur und sinkenden Steuereinnahmen werde der Freistaat bald sparen müssen. Die Opposition hält dagegen.

Mitten in der Vorweihnachtszeit hält Finanzminister Albert Füracker (rechts) bei den Beratungen zum Nachtragshaushalt 2025 im Landtag eine Fastenpredigt. Archivbild: Sven Hoppe/dpa
Mitten in der Vorweihnachtszeit hält Finanzminister Albert Füracker (rechts) bei den Beratungen zum Nachtragshaushalt 2025 im Landtag eine Fastenpredigt.

Der Steinerne Saal vor dem Plenum des Landtags ist weihnachtlich geschmückt. Eine Krippe ist aufgebaut, dahinter steht vor dem großen Panoramafenster ein weit in die Landeshauptstadt leuchtender Christbaum. In diesem Ambiente könnte Finanzminister Albert Füracker (CSU) eine festliche Rede zum Auftakt der Beratung über den Nachtragshaushalt 2025 halten. Angesichts der aktuellen Lage entscheidet er sich aber für eine Art Fastenpredigt. „Wir befinden uns in Deutschland in einer Wirtschaftskrise, davon können wir uns in Bayern nicht abkoppeln“, setzt Füracker den Ton. Die Auswirkungen auf die bayerischen Finanzen seien „gravierend“.

Mit ihrem Haushaltsentwurf habe die Staatsregierung beschlossen, „das Beste für Bayern zu machen, was im Moment möglich ist“, sagt Füracker. Man könne aber nicht jedes Problem lösen „und auch nicht die heile Welt schaffen“. Adventliche Freude klingt anders, das Füllhorn vergangener Jahre ist leer. 2025 drohten 1,3 Milliarden Euro Steuermindereinnahmen, die bei der „kleinen Volksbefragung“ festgestellte niedrigere Einwohnerzahl koste den Freistaat weitere 500 Millionen, zählt Füracker auf. Dazu kämen 500 Millionen Mehrausgaben für Asyl und Integration sowie 140 Millionen als Folge der Hochwasser im Jahr 2024. „Die Spielräume werden jährlich, sie werden täglich kleiner.“

Füracker verordnet „strikte Ausgabendisziplin“

76,7 Millionen Euro wird der Freistaat im kommenden Jahr nominell ausgeben, 1,2 Prozent mehr als zunächst veranschlagt. Doch ist die Summe theoretisch. Denn Füracker hat den Ressorts „strikte Ausgabendisziplin“ verordnet und unter anderem eine Haushaltssperre von 15 Prozent verhängt, fünf Punkte mehr als bisher. Mit anderen Worten: Die Ministerien dürfen für Investitionen und Anschaffungen im Regelfall nur 85 Prozent dessen ausgeben, was ihnen eigentlich zusteht. SPD-Haushälter Volkmar Halbleib nennt den offiziellen Haushaltsansatz deshalb einen „Etikettenschwindel“. Trotz der Sperre reichen die Einnahmen zur Deckung des Haushalts aber nicht, weshalb Füracker 1,8 Milliarden Euro aus der Rücklage entnehmen muss.

Bernhard Pohl: "Gürtel enger schnallen"

Für die Zukunft klingt der Minister nicht optimistischer. Wenn die Wirtschaft nach der Bundestagswahl nicht rasch anspringe, würden auch die Staatseinnahmen nicht wieder steigen. Für die Zeit ab 2026 bedeute dies „deutlich mehr Konsolidierungsbedarf“. Was das im Klartext heißt, macht Bernhard Pohl (Freie Wähler) deutlich: „Wir sind an einem Punkt angekommen, wo es ohne Einschnitte nicht gehen wird. Wir müssen den Gürtel enger schnallen.“ Im Doppelhaushalt 2026/27 blieben Kürzungen wohl unvermeidlich.

Eine solche hat Halbleib schon im aktuellen Etatentwurf entdeckt. 330 Millionen Euro sollen demnach beim Pflegegeld gekürzt werden, ohne dass die eingesparten Mittel wie versprochen in die Verbesserung der Pflegestruktur fließen sollen. Sozialpolitisch sei der Nachtrag ein "Kürzungshaushalt", urteilt Halbleib. Dass Füracker dazu keinen Satz gesagt habe, zeige, dass den Minister "wohl das schlechte Gewissen drückt". Auch an anderer Stelle vermisst Halbleib eine Aussage. Versprochen worden sei ein Transformationsfonds für die Autoindustrie, im Haushaltsentwurf finde sich dazu keine Zeile.

Wenig weihnachtlich beseelt gibt sich Andreas Jurca (AfD). Nach dem Sturz der Assad-Diktatur fordert er die "sofortige Rückführung aller Syrer" aus Bayern. Damit könne viel von den drei Milliarden Euro eingespart werden, die im Haushalt für Asyl und Integration veranschlagt seien. Dass viele Syrer inzwischen arbeiten und selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen, übergeht Jurca dabei. Zudem hat er einen weiteren Sparposten in Fürackers Entwurf entdeckt. Die noch Anfang 2024 geplante Konjunkturvorsorge in Höhe von 771 Millionen Euro sei komplett gestrichen worden.

In weihnachtlicher Geberlaune präsentiert sich dagegen Claudia Köhler (Grüne). Die im Laufe des Jahres unerwartet auf vier Milliarden Euro gestiegene Rücklage des Freistaats müsse dafür genutzt werden, den klammen Kommunen zu helfen. Zu den vereinbarten 600 Millionen mehr im kommunalen Finanzausgleich müsse eine weitere Milliarde kommen, damit Städte, Gemeinden und Landkreise ordnungsgemäße Haushalte aufstellen und dringende Investitionen in Schulen, Kitas und Klimaschutz tätigen könnten. Gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten müsse die öffentliche Hand antizyklisch handeln und investieren statt sparen. So aber liegt nach Köhlers Ansicht ein "kleinkarierter Buchhalterhaushalt" unterm bayerischen Christbaum.

 
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