Am späten Vormittag dieses Dienstags muss Tobias Reiß seine Hoffnungen auch amtlich begraben. Mit 84 von 85 Stimmen wird der bisherige Gesundheitsminister Klaus Holetschek zum neuen Chef der CSU-Landtagsfraktion gewählt – ein Posten, auf den der Nordoberpfälzer Reiß schon länger ein Auge geworfen hatte. Reiß war im vergangenen Jahr in vielen Debatten das Gesicht der CSU im Landtag, in einem vom ihm angestoßenen Zukunftsdialog hatte er programmatische Kärrnerarbeit geleistet. Ob er jetzt enttäuscht sei? Nein, sagt Reiß. Dass es auf Holetschek zulaufen werde, habe sich schon in den vergangenen Wochen abgezeichnet, "er ist sicher einer unserer Besten". Ihm sei auch von Anfang an klar gewesen, dass seine Ambitionen "in dünne Luft" führen würden. Nun wolle er wieder für den Job als parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Fraktion kandidieren, kündigt Reiß an.
Holetschek braucht nach seiner Wahl keine Sekunde Anlaufzeit. Er werde sein Amt "voll selbstbewusst ausüben", der Truppe der CSU-Abgeordneten eine "eigene DNA" verpassen und Impulse in die Regierungsarbeit einbringen. Mit diesem drei Punkten umreißt der 58-Jährige in etwa genau die Mängel, die seinem Vorgänger Thomas Kreuzer intern vorgehalten wurden. Den Bürgern stellt Holetschek die neue Fraktion so vor: "Wir machen, wir kümmern, wir lösen." Er spricht vom "Aufbruch in eine neue Ära". Daran wird sich der Allgäuer fortan messen lassen müssen.
"Raus aus dem Bierzeltmodus"
Inhaltlich macht Holetschek noch keine konkreten Ansagen, aber politisch schlägt er schon mal zwei Pflöcke ein. Erstens kündigt er eine "sehr starke Auseinandersetzung" mit der AfD an. Deren Abgeordnete werde die CSU nur dann in führende Positionen des Parlaments wählen, wenn diese sich vom Thüringer AfD-Rechtsaußen Björn Höcke distanzierten. Die zweite Mahnung gilt dem alten und wohl auch neuen Koalitionspartner, den Freien Wählern. Denen gegenüber werde man "sehr deutlich" auftreten. "Hubert Aiwanger muss erkennen, dass wir jetzt raus sind aus dem Bierzeltmodus", richtet er deren Vorsitzenden aus. Man bekommt eine Ahnung davon, was Söder damit meinte, als er erklärte, Holetschek sei "nicht der 1. Vorsitzende des Freundeskreises der Freien Wähler".
Bei Holetschek jedenfalls scheint der Ärger über den Wahlkampf des Koalitionspartners tief zu sitzen. Nicht nur wegen so mancher populistischer Anwandlung, er deutet auch an, dass mitunter Fairnessregeln verletzt und Grenzen überschritten worden seien. Dass Aiwanger auf seiner Pressekonferenz am Montag gleich wieder gegen die CSU stichelte, nennt Holetschek "nicht gerade vertrauensbildend". Es gehe jetzt darum, nicht weiter zu spalten, sondern auch in der Gesellschaft wieder zu verbinden. "So wie sich der potenzielle Koalitionspartner geriert, wird das nicht gelingen", sagt Holetschek.
Kein "Schwamm drüber"
Für die am Donnerstag beginnenden Sondierungen mit den Freie Wählern fordert Söder von diesen vorab eine Klarstellung ihres politischen Standorts. "Einfach ein Schwamm drüber nach diesem Wahlkampf wird es nicht geben", kündigt Söder an. Er strebt einen Passus in der Präambel des Koalitionsvertrages an, in dem sich beide Seiten verbindlich dazu verpflichten, auf dem Boden der gesellschaftlichen Mitte zu stehen. "Es geht um die Integrität dieser Regierungskoalition", betont Söder. Aiwangers Statements vom Montag seien jedenfalls "kein guter Start" in die neue Phase der Zusammenarbeit gewesen.
Was aber, wenn sich die Freien Wähler einer Klarstellung verweigern würden, wird Söder gefragt. Gebe es dann keine Koalition mit ihnen? "Wir werden das hinkriegen", sagt Söder, wohl wissend, dass er alle anderen Alternativen ausgeschlossen hat. Am 30. Oktober soll der neue Landtag zum ersten Mal zusammentreten, einen Tag später will sich Söder erneut zum Regierungschef wählen lassen. Bis dahin soll der Koalitionsvertrag stehen und auch die Postenverteilung geklärt sein. Eine gemähte Wiese wie vor fünf Jahren ist das nach Lage der Dinge dieses Mal nicht.













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