Der Berg kreißte – und gebar einen "Heimat.Erlebnistag". Nach einem Jahr "Zukunftsdialog Heimat.Bayern" mit acht Regionalkonferenzen, dem Einsatz prominenter Heimatbotschafter, einer Bürgerumfrage und der Auswertung von 8000 Bürgerbeiträgen mit deren Anliegen zur künftigen Gestaltung ihrer Heimat verkündet Heimatminister Albert Füracker (CSU) tatsächlich als erste Konsequenz der Staatsregierung die Durchführung eines Heimaterlebnistages. Ach ja, ein Forschungsprojekt "Heimat – mehr als ein Gefühl" soll es auch geben.
Vor einem Jahr also startete der Zukunftsdialog, der den Regierenden einen "geschärften Blick auf heimatrelevante Themen" bringen sollte, woraus man "neue, ganz konkrete Maßnahmen ableiten" wollte. Zum Abschluss des Prozesses hat Füracker nicht nur einen Ergebnisbericht vorgelegt, der laut Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) "fast so dick wie die Bibel" ist, dem Vorbild nach erster Durchsicht aber inhaltlich nicht ganz das Wasser reichen kann. Füracker hat auch zu einer Festveranstaltung mit Blasmusik und Quetsche nach München geladen und dafür Ministerpräsident Markus Söder (CSU) als Festredner gewonnen. Minister der Freien Wähler, obgleich für Landesentwicklung und die Natur zuständig, sucht man auf dem Podium vergebens.
"Es soll noch besser werden"
Die Chance, Bayern und damit auch seine Regierungspolitik über den grünen Klee zu loben, ergreift Söder vor einer guten Hundertschaft geladener Gäste und den per Livestream zugeschalteten Menschen an ihren Flachbildschirmen – für die hätte während der 90-minütigen Feier eigentlich der Schriftzug "Dauerwerbesendung" eingeblendet werden müssen – natürlich sehr gerne. Mit seinen verwurzelten Traditionen und seiner Offenheit für Neues sei Bayern "Sehnsuchtsort und Glücksland zugleich", sagt Söder also. Der Zukunftsdialog habe gezeigt, dass in Bayern "alles bestens ist, aber es soll noch besser werden". Als Stichwort nennt Söder hier die Mobilfunkabdeckung.
Heimat- und Zukunftsthemen
Dann ist wieder Füracker dran. "Wir fühlen uns von den Ergebnissen des Zukunftsdialogs sehr bestätigt", bilanziert er. Drei Heimatthemen wie regionale Identität, Ehrenamt und Traditionen hätten sich herausgeschält, dazu sieben Zukunftsthemen wie Klimawandel, Daseinsvorsorge, Demographie und Landwirtschaft sowie als übergeordnetes Querschnittsthema der Bürokratieabbau. Hunderte und vor allem aus dem "Jungen Forum" heraus auch kritische Vorschläge, hat die Bevölkerung gemäß Ergebnisbericht dazu eingebracht, doch wirklich großen Handlungsbedarf sieht die Staatsregierung nicht.
Den Vorschlägen stellt sie die Programme und (Modell-)Projekte gegenüber, die sie längst umgesetzt hat, egal ob die nun für den konkreten Fall einschlägig sind oder nicht. "In Bayern passt einfach alles", juchzt Kaniber und fügt – Achtung: Am 8. Oktober ist Landtagswahl! – die Feststellung an, wie erfreulich es doch sei, dass das "Gespür des Ministerpräsidenten und auch der Staatsregierung in sehr vielen Bereichen sehr deckungsgleich mit der Bürgerschaft ist". Haken dran also.
Bürgernahe Wohlfühlveranstaltung
Glaubt man den Ausführungen Kanibers weiter, dann interessiert sich die Jugend in Bayern weniger darum, ob und wie sie in Zukunft auf diesem Planeten leben kann, sondern vielmehr, wie man eine Steuererklärung macht und welche Versicherungen man braucht. Vielleicht hat Kaniber dieses Beispiel aus dem Jugenddialog aber deshalb genommen, weil sie einen weiteren Haken setzen kann. Denn das Lehren von Alltagskompetenz hat die Staatsregierung bereits in den Schulen verankert, bei Klimaschutz und Heimatrettung – siehe Energiewende oder Flächenverbrauch – ist man noch nicht ganz so weit. Dabei hat der Zukunftsdialog explizit unter anderem den Wunsch der Bürger nach weniger Autoverkehr und mehr Naturschutz gebracht.
Damit noch einmal zurück zu Markus Söder, der sich durchaus berechtigt dafür lobt, in den vergangenen Jahren den ländlichen Raum durch die finanzielle Unterstützung klammer Kommunen, den Breitbandausbau und Behördenverlagerungen gestärkt zu haben. Aber man wird als Beobachter der mit viel heißer Luft gefüllten Veranstaltung den Eindruck nicht los, dass der riesige personelle und logistische Aufwand für den Zukunftsdialog mehr als bürgernahe Wohlfühlveranstaltung denn als echte Politikbeteiligung der Menschen in Bayern konzipiert war. Das zumindest lassen das mitunter wortreiche Zerreden konkreter Vorschläge und die durchwegs soft ausgefallenen Neuerungen wie der "Tag des immateriellen Kulturerbes" oder die Ehrung vorbildlicher "Heimat.Unternehmer" vermuten. Zusätzliches Geld für die Umsetzung der Bürgervorschläge wird es übrigens nicht geben.
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