München
29.08.2023 - 12:15 Uhr

Söder erhöht Druck auf Aiwanger: Soll 25 Fragen beantworten

Die Affäre um ein antisemitisches Flugblatt hat die Koalition in Bayern ins Wanken gebracht. Ministerpräsident Söder sieht nicht alle Fragen beantwortet - und setzt Freie-Wähler-Chef Aiwanger unter Zugzwang.

Markus Söder (r), Minsterpräsident von Bayern, mit Hubert Aiwanger, Wirtschaftsminister. Bild: Stefan Puchner/dpa
Markus Söder (r), Minsterpräsident von Bayern, mit Hubert Aiwanger, Wirtschaftsminister.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erhöht in der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt den Druck auf seinen Stellvertreter Hubert Aiwanger. Der Freie-Wähler-Chef solle einen Katalog mit 25 Fragen schriftlich beantworten, sagte Söder nach Beratungen im Koalitionsausschuss am Dienstag in München. Aiwanger habe zugesagt, die Fragen zu beantworten.

Erst danach könne man den Fall abschließend bewerten, sagte Söder. Eine Entlassung aus dem Amt des Wirtschaftsministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten wäre zum jetzigen Zeitpunkt „ein Übermaß“, so der CSU-Chef. Eine Frist zur Beantwortung der Fragen nannte er zunächst nicht.

Söder hatte am Dienstag eine Sondersitzung des Gremiums einberufen, Aiwanger sollte dort persönlich Stellung nehmen zu den Vorwürfen. Der 52-Jährige hatte am Samstagabend schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten in den 1980er Jahren ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet hatte.

Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien „ein oder wenige Exemplare“ in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf gestand Aiwangers älterer Bruder ein, das Pamphlet geschrieben zu haben. Später sagte er, er glaube, dass sein Bruder Hubert die Flugblätter wieder habe einsammeln wollen. Söder reichen diese Erklärungen aber bislang nicht aus.

In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Die CSU hatte bislang stets erklärt, die Koalition mit den Freien Wählern nach der Wahl fortsetzen zu wollen. Alle Umfragen hatten bis zuletzt auch fast keinen Zweifel daran gelassen, dass dies möglich sein wird - wobei die Freien Wähler zuletzt bei 11 bis 14 Prozent lagen. Die CSU regiert im Freistaat seit 2018 zusammen mit den Freien Wählern.

Die Landtags-CSU wollte die Koalition auch am Dienstag grundsätzlich fortsetzen. Ein schwarz-grünes Bündnis wurde bei Online-Beratungen des erweiterten CSU-Fraktionsvorstandes am Dienstagfrüh ausgeschlossen, wie die Deutsche Presse-Agentur von Teilnehmern erfuhr. Allerdings gab es in der Runde demnach ebenfalls den Ruf nach weiterer Aufklärung.

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© dpa-infocom, dpa:230829-99-999131/3

 
Kommentare

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A. Schmigoner

Hubert Aiwanger und die Freien Wähler sehen sich jetzt als „Opfer einer Kampagne“ und zwar selbstverständlich eine Kampagne gegen die „Guten“. Gegen „die da oben“ lästern kommt fast immer an und seine Meinung wechselt Aiwanger öfter als die Presse nachkommt zu berichten. Oberpfälzer FW-Vertreter beeilten sich heute zu betonen, dass man von „Hubert noch nie rechtsextreme Äußerungen oder Tendenzen bemerkt habe“. Eine erstaunlich geringe Anforderungsschwelle an einen stellvertretender Ministerpräsidenten von Bayern und an den Bundesparteivorsitzenden, dass dieser sich noch nie offen rechtsextrem geäußert habe. Natürlich liegt auch diese Beurteilung im Auge des Betrachters, aber die „One-Man-Show“ der FW must go on. Unstrittig hat Aiwanger Schritt für Schritt die Grenze des „Sagbaren“ weiter nach rechts verschoben, wie die AfD auf Bundesebene, deren Vokabular er zuweilen übernahm. Aiwanger war nie zimperlich bis grenzwertig beim Umgang mit dem politischen Gegner. „Spinner“ und „Chaoten“ waren noch die harmlosesten Schimpfwörter für Bundesminister und Abgeordnete der Ampelparteien. Aiwanger wusste auch, spätestens wenn er von den "grün versifften Insektenfressern" schwadronierte, „die noch nie im Leben eine Schaufel in der Hand hatten“, stand das Bierzelt Kopf. Jetzt gerät Aiwanger mit einer Aktion aus der Schulzeit in die Defensive, die man als „dummer-Jungen-Streich“ abtun könnte, wenn nicht eine gewisse Kontinuität zu diesen Vorgängen erkennbar wäre und die heutigen Äußerungen Aiwangers in einem ganz anderem Licht erscheinen lassen. Die SZ berichtet von Zeugenaussagen, die eine offen rechtsextreme Haltung Aiwangers in der Schule beschreiben, inklusive der Lektüre „Mein Kampf“ und dem Einüben von „Hitlerreden vor dem Spiegel“. Die bisherigen Erklärungen der Aiwanger-Brüder widersprechen dem sonst gerne beschworenen „gesunden Menschenverstand“ und auch die halbseidene Distanzierung vom Pamphlet können keinesfalls überzeugen. Wieso ist das Flugblatt im Plural verfasst und wieso hat Aiwanger die Flugblätter nicht sofort vernichtet, statt sie, wie angegeben, wieder eingesammelt und im Schulranzen verwahrt, -um zu deeskalieren? Zahlreiche Politikwissenschaftler und Kommentatoren trauen Aiwanger deshalb ohne weiteres die Urheberschaft des antisemitischen Pamphlets zu.
Als Aiwanger im März 2006 zum bayerischen Landesvorsitzenden der FW gewählt wurde, sagte der damalige CSU-Generalsekretär Söder über ihn: »Der Mann ist meiner Meinung nach radikal. 17 Jahre später sagte Söder am Dienstag in München: „Schon jetzt sei der Schaden für den Ruf Bayerns hoch“. Wieso hält Söder dann weiter an Aiwanger fest, zumal seine Leistungen als Wirtschaftsminister sehr überschaubar sind?

29.08.2023
Andreas Brummer

Ich bin kein Aiwanger-Fan. Aber diese Hexenjagd kurz vor der Wahl stinkt gewaltig.
Jeder von uns, und da nimm ich mich auch nicht aus, hat in der Jugend was gesagt, geschrieben oder getan, was er jetzt im Alter am liebsten Ungeschehen machen möchte oder froh sein kann, dass es dafür keinen Beweis gibt.
Auch hat sich die Weltanschauung und die eigene Haltung durch den Reifeprozess, den das Erwachsenerden mit sich bringt, bei den meisten grundlegend geändert.
Ich möchte nicht wissen, wieviele Leichen die anderen Politiker, allen voran die aktuelle Regierung, im Keller schlummern hat.
Hier sollte man mal das rumstochern anfangen und auch der Verfassungsschutz sollte bei so mancher grüner Aussage aktiv werden.

29.08.2023
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