München
21.02.2024 - 14:26 Uhr

Verfassungsschutz warnt vor Vernetzung der AfD mit Rechtsextremisten

Seit Mitte 2022 wird die AfD vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet. Seitdem hat sich bei der Behörde eine lange Liste bedenklicher Vorfälle angesammelt. Vor allem die Kontakte zu und Kooperationen mit Rechtsextremisten nehmen zu.

Beim Politischer Aschermittwoch der AfD stehen Fahnen der Partei auf dem Biertisch. Der Verfassungsschutz warnt vor Vernetzung der Partei mit Rechtsextremisten Bild: Daniel Löb/dpa
Beim Politischer Aschermittwoch der AfD stehen Fahnen der Partei auf dem Biertisch. Der Verfassungsschutz warnt vor Vernetzung der Partei mit Rechtsextremisten

Die bayerische AfD vernetzt sich nach Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) zunehmend mit rechtsextremistischen Organisationen. Diese Aktivitäten hätten im vergangenen Jahr "an Quantität und Qualität zugenommen", berichtete LfV-Präsident Burkhard Körner im Innenausschuss des Landtags. Beteiligt seien daran auch einige AfD-Abgeordnete. Körner bestätigte, dass bei einzelnen Parlamentariern der Partei gerade geprüft werde, ob sie künftig mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden. Ein Ergebnis dazu soll Ende März oder Anfang April vorliegen. Namen nannte Körner wegen des laufenden Verfahrens nicht.

Nach Angaben Körners steht die AfD seit Mitte 2022 unter Beobachtung des LfV. Dazu würden bislang nur öffentlich zugängliche Quellen genutzt. Der Beobachtungsauftrag erstrecke sich nicht auf alle Funktionäre und Mitglieder, sondern nur auf "Extremisten in der AfD und deren Einfluss auf die Partei". Körner listete dazu mehrere Veranstaltungen im vergangenen Jahr auf, bei denen AfD-Funktionäre oder einzelne Abgeordnete aktiv die Kooperation mit rechtsextremistischen Organisationen wie der Identitären Bewegung (IB) betrieben oder sich mit diesen solidarisch gezeigt hätten. Dazu gehörte auch das geheime Treffen in Dasing zur "Remigration". Zudem gebe personelle Verquickungen mit verfassungsfeindlichen Burschenschaften und Studentenverbindungen.

Als Belege für eine besondere Nähe von AfD-Politikern zur IB wertete Körner, dass ein Abgeordneter ein T-Shirt der Bewegung getragen habe. Auf anderen Veranstaltungen hätten sich AfD-Vertreter für eine strategische Zusammenarbeit mit rechtsextremistischen Organisationen ausgesprochen. Ein Abgeordneter habe zudem offengelegt, dass er einen "großzügigen Anteil" aus seinen Bezügen als Parlamentarier an als rechtsextremistisch eingestufte Organisationen spende. "In der Gesamtschau für das Jahr 2023 liegen zahlreiche Belege dafür vor, dass Akteure in der AfD zum einen extremistische Organisationen nachdrücklich unterstützen und zum anderen gezielt versuchen, mit diesen zu kooperieren", fasste Körner das Lagebild zusammen. Sorge bereite ihm, dass eine Distanzierung der AfD als Gesamtpartei von derartigen Aktivitäten nicht stattfinde.

Körner betonte, dass das LfV in seiner Tätigkeit weder vom Landtag noch von der Staatsregierung weisungsabhängig sei. "Wir arbeiten selbstbestimmt auf der Grundlage der Gesetze und daraus abgeleiteten Gerichtsurteilen", sagte er. Deshalb halte man auch die vom Bundesverfassungsgericht auferlegte sechsmonatige Prüffrist ein, bevor eine Entscheidung über die nachrichtendienstliche Beobachtung von Abgeordneten der AfD falle. Die Schwelle für eine derartige Beobachtung sei "sehr sehr hoch", erklärte Körner. Ein Verbotsverfahren gegen die AfD beurteilte er wegen der hohen rechtlichen Hürden skeptisch.

"Hysterie gegen rechts"

Überrascht vom Auftritt Körners im Landtag zeigte sich der AfD-Abgeordnete Richard Graupner. Es liege der Verdacht nahe, dass der Besuch vor der "allgemeinen Hysterie gegen rechts motiviert" sei. Die Interpretationen Körners von Vorgängen rund um AfD-Vertreter bezeichnete er als "nicht sachgerecht" und "Fehlalarm". Es dürfe keine "Kontaktschuld" geben, nur weil ein AfD-Mitglied auf einer Veranstaltung gewesen sei, auf der auch Rechtsextremisten aufgetreten seien. Jörg Baumann (AfD) erklärte, die AfD handle "auf dem Boden des Grundgesetzes". Er vermisste Aussagen Körners zu gemeinsamen Veranstaltungen von Grünen und SPD mit Linksextremisten.

Den Einschätzungen der AfD widersprach Thorsten Freudenberger (CSU). "Wenn man sich mit Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum trifft, sich mit ihnen bespricht und gemeinsame politische Planungen vornimmt, dann handelt man und tut etwas - und dann ist man Täter, nicht Opfer", führte er aus. Wäre die AfD tatsächlich Opfer, gäbe es genügend Gelegenheiten, sich von solchen Vorgängen zu distanzieren. Das geschehe aber bewusst nicht. Lieber zeige man auf andere, um von eigenen Verantwortlichkeiten abzulenken. "Die Radikalisierung der AfD zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Geschichte", resümierte Freudenberger.

Der Grünen-Abgeordnete Florian Siekmann bezeichnete es "fast als Schande", dass AfD-Abgeordnete in so engem Kontakt zu Rechtsextremisten stünden. Für eine Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz gebe es "mehr als genug Anlass". Christiane Feichtmeier (SPD) urteilte, der Bericht Körners habe gezeigt, dass weite Teile der AfD "gezielt auf die Beseitigung des Kerns unserer Verfassung hinarbeiten". Widerstände gegen diese Entwicklung gebe es innerhalb der Partei nicht. "Die AfD in Bayern liefert mehr Belege für ein Verbot als Hindernisse", erklärte Feichtmeier.

Weidener AfD und "Reichsbürger"

In Zusammenhang mit Verknüpfungen der AfD zur "Reichsbürger"-Szene thematisierte die SPD-Politikerin das Weidener Bürgerbüro der AfD-Abgeordneten Roland Magerl und Stefan Löw. Dieses werde von einer den "Reichsbürgern" nahestehenden Frau vermietet, womit vom Landtag zur Mandatsausübung zur Verfügung gestellte Gelder direkt in die Szene flössen. Körner konnte dazu keine Erkenntnisse beisteuern. Solange die Voraussetzungen für eine Beobachtung der AfD mit nachrichtendienstlichen Mitteln nicht erfüllt seien, könne man über Geldflüsse zwischen der AfD und den "Reichsbürgern" keine Aussagen treffen.

Zum Begriff "Remigration":

Zum umstrittenen Begriff der "Remigration" erklärte Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner, dieser sei "per se nicht verfassungswidrig". Es komme auf dessen Interpretation an. Problematisch werde "Remigration", wenn dahinter die Idee stehe, einen "ethnisch oder kulturell homogenen Staat" anzustreben, wie dies in rechtsextremistischen und identitären Kreisen der Fall sei, zu denen manche AfD-Abgeordnete engen Kontakt pflegten. Diese verstünden unter "Remigration" auch die Abschiebung deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund, die sich "nicht vollständig assimiliert" hätten, also sich nicht gänzlich von der Kultur ihres Geburtslandes oder der Herkunftsländer ihrer Vorfahren gelöst hätten. Eine solche Einteilung sei eine "ganz klare Verletzung der Menschenwürde", wie es das Bundesverfassungsgerichts 2017 festgestellt habe, erläuterte Körner. In offiziellen Stellungnahmen verwendet die AfD den Begriff "Remigration" für die Abschiebung illegaler sowie straffälliger und nicht bleibeberechtigter Zuwanderer, vermeidet aber eine klare Distanzierung vom deutlich weiter gefassten Remigrationsbegriff der Identitären.

 
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