Habe ich Lust auf Schokokuchen oder doch auf eine Nussschnecke? Kaufe ich die braune Ledertasche, um die ich schon so lange herumschleiche, oder bin ich vernünftig und spare das Geld für Notfälle? Und will ich meine Wand in der Küche wirklich grün streichen oder lasse ich sie weiß? Schließlich könnte es ja sein, dass ich die Farbe nach ein paar Monaten nicht mehr sehen kann. Ja, ich gebe es zu. Manchmal bin ich wenig entscheidungsfreudig. Ich überlege und überlege und schreibe Pro- und Contra-Listen, die ich täglich erweitere. Ein anstrengender Einzelfall? Das dachte ich auch. Doch auch bei vielen meiner Freunde erkenne ich das Muster: ausufernde Unentschlossenheit. Und ich frage mich: Haben wir uns zu einer Generation entwickelt, die sich nicht mehr festlegen kann?
Ich bewundere Menschen, die sich schnell entscheiden, ihrer Intuition folgen und sich dadurch viel Zeit und Geduld ersparen. Sei es beim Waschmaschinenkauf, der Urlaubsplanung oder der Wahl ihrer Pizza im Restaurant. Kurz und schmerzlos. Meine Realität sieht oft anders aus. Bleiben wir beim Beispiel Ledertasche. Ich weiß, dass ich sie will. Doch einfach kaufen? Das wäre zu leicht. Ich suche im Internet nach Angeboten, Alternativen, die noch schöner sein könnten, vergleiche und entscheide mich am Ende für – nichts. Vor einem ähnlichen Problem stand ich vor Kurzem mit einer Freundin. Wir wollten ins Kino, zwei Filme standen zur Auswahl. Was sich daraus ergab war ein halbstündiges Abwägen, welcher besser sein könnte. Am Ende haben wir uns in ein Café gesetzt. Merkwürdigerweise fallen mir wichtige Entscheidung wesentlich leichter: mein Job, die Wahl meiner Freunde, bestimmte Ansichten zum Leben. Je elementarer, desto einfacher. Je banaler, desto zermürbender.
Vergebene Chancen
Betrachten wir es objektiv: Der Duden sagt, „Entscheidung bedeutet die Wahl von mehreren Möglichkeiten“. Doch viel zu oft bleiben wir vor der endgültigen Wahl regungslos stehen. Warum? Weil wir immer nach der bestmöglichen Option streben, nichts verpassen wollen und oft nicht genug bekommen können – wie ein Kind im Süßigkeitenladen, das sich nicht festlegen will, weil doch alles so unglaublich lecker aussieht. Das Problem: Kann es sich nicht entscheiden, geht es leer aus.
Ich beobachte, dass es nicht nur materielle Dinge sind, die uns hadern lassen. Auch in Liebesangelegenheiten scheint es, als wollten wir uns nicht mehr festlegen. Vor Kurzem habe ich mit einem Freund geredet. Bei Tinder hat er eine junge Frau kennengelernt, sie ein paar Mal getroffen und ja, sie haben sich gut verstanden. Doch eine endgültige Entscheidung für oder gegen sie blieb aus. „Ich finde sie toll. Wer weiß, vielleicht treffe ich ja eine, die noch besser passt. Ich denke, ich werde noch ein bisschen weitersuchen.“ Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht und die Chance ist vergeben. Natürlich verlangen uns manche Entscheidungen Mut ab. Das macht es nicht gerade leichter. Wir riskieren, Fehler zu machen. Doch wenn wir ehrlich sind, nimmt uns Unentschlossenheit auch ein großes Stück persönliche Freiheit. Unsere Leichtigkeit und die Freude an vielen Kleinigkeiten und Besonderheiten des Lebens.
Die Lösung? Ich will über meinen Schatten springen und Klarheit statt permanentem Abwägen. Entscheidungen treffen und meiner Intuition vertrauen. Natürlich können sie gegen mich ausfallen – oder sich zu etwas Wundervollem entwickeln. Wenn wir uns nicht festlegen, machen wir nichts falsch. Aber auch nichts richtig. Und es wäre doch schade um all die Möglichkeiten, die wir verpassen. Ich habe die Ledertasche nun doch gekauft. Kurz und schmerzlos. Ohne ewiges Gedankenkreisen. Es war die richtige Entscheidung. Und es hat sich gut angefühlt.
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