Orakel und Wilde Jagd: Die Bedeutung der Rauhnächte zur Jahreswende

Oberpfalz
29.12.2022 - 15:35 Uhr
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Die Zeit der Rauhnächte ist magisch und sagenumwoben. Im Podcast "Es war einmal ... in der Oberpfalz" geht es dieses Mal um Bräuche, die böse Dämonen und Geister vertreiben sollten und wie diese heute noch gelebt werden.

Von Lucia Brunner und Wolfgang Ruppert

Brauchtum und Volksglaube kennzeichneten lange den Jahreskreislauf der Gesellschaft. Dazu zählten auch die Rauhnächte, die in den vergangenen Jahren etwa durch Rauhnachtsläufe wieder populärer werden und mit Lichtershow sowie aufwendiger Maskerade eventisiert werden. Meist handelt es sich bei den Rauhnächten um die zwölf Tage zwischen Weihnachten, 25. Dezember, und Heilige Drei Könige, 6. Januar. Hinzu kommen aber auch der Nikolausabend am 6. Dezember, die Luzi-Nacht am 13. Dezember, die Thomasnacht am 21. Dezember oder die Walpurgisnacht am 30. April. Zumeist gehen die Rauhnächte auf die Heiligentage im Christentum zurück.

Die Wilde Jagd, Hexen, Krampusse, Druden, die Nebelfrau, die bluadige Luzier, der Thamma mit dem Hamma, die Habergoaß oder Frau Perchta sollen in diesen Nächten ihr Unwesen treiben und den Menschen Unheil bringen. Dieser Aberglaube entstammt aus einer Zeit, wo Winter ohne elektrischen Strom und Zentralheizungen in den Häusern noch wesentlich härter und gefährlicher erlebt wurde, als es heute der Fall ist. Arme, kranke und schwache Menschen starben in dieser kargen Zeit. Raubüberfälle führten dazu, dass ganze Dörfer geplündert wurden. Die Schreckgestalten der Rauhnächte symbolisieren das Böse des Winters, die Abhängigkeit der Menschen von der Natur und dem Wetter. Zudem sind die meisten Rauhnächte im Dezember, wenn die Nächte am längsten und die Tage kurz sind.

Jede Maske ein Unikat

Timm Buckley aus Neunburg vorm Wald (Landkreis Schwandorf) fertigt und restauriert in seiner Werkstatt "Deifelswerk" Krampus- und Hexenmasken. Der 31-Jährige ist Vorsitzender des Vereins "Die Schwarzachtal-Pass", der 2022 sein zehnjähriges Bestehen feiert. Seit seinem 16. Lebensjahr ist Buckley von Krampusläufen begeistert. Mit Hilfe seiner dreidimensionalen Vorstellungskraft schafft er in Handarbeit grausige Fratzen, die Betrachtern das Fürchten lehren können. Verziert mit blutigen Narben, tiefen Falten, langen Reißzähnen und Teufelshörnern ist jede Maske ein Unikat. In den Stücken stecken 35 bis 40 Stunden Arbeit.

Es überrascht zunächst, wenn Timm Buckley die Zielsetzung seines Vereins erklärt: "In erster Linie wollen wir kein Kinderschreck sein." Zwar seien Krampusse und Hexen finstere Begleiter des Nikolauses und tadeln unartige Kinder, aber im Verein werden die aktiven Läufer speziell dafür geschult, Kinder nicht zu erschrecken. "Teilweise werden wir sogar gebucht, weil die kleinen Kinder uns sehen wollen", sagt er. Auf ihren Events und Auftritten überlegt sich der Verein regelmäßig neue Themen, die Menschen zum Nachdenken anregen sollen. Diese finden vor allem während der Rauhnächte statt. "Wir verkleiden uns auch, um das Böse zu vertreiben", sagt Buckley. In seinem Verein sind 40 Leute von Jung bis Alt Mitglied.

Ursprünglich wurden die Rauhnachtsgestalten als grausame und brutale Gesellen beschrieben. Die bluadige Luzier etwa kam am 13. Dezember im Strohgewand mit Messer oder Sichel. Damit soll sie unartigen Kindern die Bäuche aufschlitzen und sie ausweiden. In der Thomasnacht am 21. Dezember ist in der Oberpfalz und im Bayerischen Wald der "Thamma mit dem Hamma" bekannt. Im Bayerischen Wald trägt er einen großen Hammer bei sich, hat eine blutige Metzgerschürze an und hetzt die Kinder durch die Straßen. Wen er erwischt, dem soll er mit seinem großen Hammer den Schädel einschlagen.

Orakel für die Zukunft

Doch nicht nur wegen ihrer Sagengestalten sind die Rauhnächte bekannt. Gerade die zwölf Nächte über den Jahreswechsel werden auch als Losnächte bezeichnet. Mit Hilfe von Orakeln wollten die Menschen im 19. Jahrhundert wissen, ob sie im neuen Jahr ihre Liebe finden oder wie das Wetter wird. Gerade eine bäuerliche Gesellschaft war stark von der Witterung abhängig, um mit dem, was auf dem Feld wuchs, überleben zu können.

So war es ein beliebter Brauch, eine Zwiebel zur Weissagung zu verwenden. Zwölf Zwiebelschalen wurden mit Salz gefüllt und an einem nicht zu trockenen oder feuchten Platz gelegt. Jeden Tag wurden in diesem Zeitraum die Zwiebelschalen beobachtet, ob sich ihr Zustand verändert. Wurde etwa am zweiten Tag das Salz feucht, war das ein Zeichen dafür, dass der Februar auch feucht werden wird. Bis heute sind Orakel wie Bleigießen an Silvester beliebte Praxis.

Als die schlimmsten Rauhnächte zählten im 19. Jahrhundert die Thomas-, Christ- und Dreikönigsnacht. Um Geister und Dämonen zu vertreiben sowie Haus und Hof zu schützen, wurde Lärm gemacht. Daraus entwickelten sich Bräuche wie das Christkindlanschießen vor der Christmette an Heiligabend oder das Schießen von Feuerwerk an Silvester. An Heilige Drei Könige werden die Initialen für "Christus Mansionem Benedicat" (lat. für Christus segne dieses Haus) sowie die Jahreszahl an die Tür geschrieben. Auch das soll das Haus und seine Einwohner vor Unglück, Krankheit oder Bösem bewahren.

"Dunkle Zeit der Wiederkehr"

Bis heute hat sich in Teilen der Oberpfalz der Brauch erhalten, in den Rauhnächten keine Wäsche zu waschen oder draußen aufzuhängen. Der Grund besteht darin, dass die Menschen die Sorge hatten, dass sich Dämonen der Wilden Jagd darin verfangen könnten und den Tod bringen. Die Wilde Jagd wird auch das Wilde Heer genannt. Laut Kulturwissenschaftler Leander Petzold handelte es sich dabei um in der Schlacht gefallene Kämpfer, die nachts durch die Lüfte reiten, um weiter zu kämpfen. Der Märchensammler Franz Xaver von Schönwerth beschrieb in seinen "Sitten und Sagen der Oberpfalz" die Rauhnächte folgendermaßen: "Die Rauhnächte sind die dunkle Zeit der Wiederkehr der Seelen und des Erscheinens von Geistern. Das wilde Heer mit seinen geisterhaften Tieren tobt durch die Nacht. (...) Orakel erlauben den Blick in die Zukunft und zauberisches Wirken ist besonders machtvoll."

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Oberpfalz17.11.2022
Hintergrund:

Rauhnachtsgestalten

  • Der Krampus, Knecht Ruprecht oder Klaubauf
  • Die blutige Luzia
  • Der Thamma mit dem Hamma
  • Die Wilde Jagd
  • Die Habergoaß
  • Nebelfrau oder Fetznmoagl
  • Mehlweibl
  • Besenweibl
  • Bercht/Percht (in Konnersreuth gibt es auch die Abwandlung der Specht)
 
 

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