"Oft mahnt es Einen auf dem Wege, als ob ihm der und der begegnen müßte. Der Gemeynte erscheint sicher und grüßt. Aber nicht er selber ist es, sondern sein Schatten, und er ist entweder schon gestorben, oder wird bald sterben", schreibt Franz Xaver von Schönwerth, wenn er von Todes-Anzeichen spricht. In seinem ersten und dritten Band der "Sitten und Sagen aus der Oberpfalz" behandelt der Oberpfälzer Märchensammler recht ausgiebig das Thema Tod, dessen Facetten und das Brauchtum, das damit einhergeht.
Schönwerth zeigt auch, dass der Tod eines Menschen im 19. Jahrhundert ein zentrales Ereignis in der Gesellschaft war. "Ist der Kranke im Sterben begriffen, so sammelt sich alles aus der Nachbarschaft in seiner Stube, umsteht sein Bett und erwartet das Verscheiden." Macht der Sterbende seine letzten drei Atemzüge, gilt es, ein Fenster zu öffnen, damit die Seele gen Himmel steigen kann.
Heiligenbilder als Grabbeigabe
Drei Tage wird der Tote in der Wohnung aufgebahrt. Dort können sich die Angehörigen verabschieden und legen dem Verstorbenen Heiligenbilder bei. Sie sollen sicheres Geleit in den Himmel gewährleisten. Die Leiche wird auf einem Friedhof beigesetzt. Das Grab schützte, dem Volksglauben nach, nicht nur vor Menschen und Tieren, sondern auch vor Dämonen. Wie Kulturwissenschaftler Dieter Harmening in seinem Wörterbuch des Aberglaubens ausführt, schütze es auch die Lebenden vor dem Geist des Todes.
Damit gemeint ist der Glaube an Wiedergänger, die in der Populärkultur auch als Vampire oder Zombies dargestellt werden. Solche kommen bei Franz Xaver von Schönwerth eher seltener vor. Eine der wenigen Geschichten, die dieses Thema beleuchten, ist "Die Totenwache", die Erika Eichenseer in ihrem Buch "Der Klappermichl" veröffentlich hat.
Zombie-Ehemann
Hier geht es um ein Ehepaar, das viel Streit hatte. Als der Mann stirbt, wollen die Nachbarn mit der Witwe die Totenwache halten, was die Frau aber ablehnt. "Er tut mir nichts mehr. Wir haben zu Lebzeiten nichts miteinander gehabt, viel weniger im Tode", begründet sie ihre Entscheidung. Während sie allein am Bett des Verstorbenen sitzt, lässt dieser zunächst den einen und dann den anderen Arm fallen. Die Frau fürchtet sich nicht und legt die Gliedmaßen zurück.
Als sich der ganze Körper aufrichtet, flieht sie. Ihre Rettung sind die Kirchenglocken, die um 12 Uhr schlagen, und ein Hahn, der kräht. Der Zombie-Ehemann ruft: "Hätte der Hahn nicht gekräht, hätte ich dir das Genick umgedreht." Er fällt in sich zusammen.
Personifikation des Todes
Als böse Omen gibt es in der Sagenwelt der Oberpfalz auch todverkündende Gespensterwesen. Dazu zählt die Klagemutter, die in vielen Gestalten erscheinen kann. "An manchen Orten erscheint sie als kleine alte Frau, in schwarzen Kleidern mit einem weissen Halstuche; sie geht nur bis an die Häuser, nie hinein, und klagt. Ihr Klagen deutet auf Tod in dem Hause, und zwar in kurzer Zeit", schreibt Schönwerth.
Für die Personifikation des Todes steht der Sensenmann: Schönwerth schreibt: "Der Tod gilt dem Volke als Person, als der bleiche oder schwarze Mann mit der Sense der Alles niedermäht, zu bestimmter Zeit, ohne Ausnahme, Groß und Klein, Reich und Arm." Diese Vorstellung findet sich auch in der Geschichte zum "Gevatter Tod", einer Wandersage, die es in einer ähnlichen Version auch bei den Brüdern Grimm gibt.
Hier sucht ein Schneider einen Taufpaten (Gevatter) für sein neuntes Kind. Er begegnet dem Tod, als er sich selbst erhängen will. Der Tod schafft es, den Schneider von seinem Vorhaben abzubringen und bietet sich als Pate an. Bei der Taufe sagt der Sensenmann: "Wißt, wenn ich bey einem Kranken zu Füssen stehe, so kommt er wieder auf die Füsse: stehe ich aber ihm zu Kopfe, so muß er sterben. Kauft Rosoli und nehmt ihn als Arzney, wenn ihr zu einem Kranken geht; stehe ich ihm zu Füssen, so gebt ihm von eurer Arzney und man wird glauben, ihr habt ihn gesund gemacht."
Ausgehendes Licht
Der arme Schneider wird durch diesen Trick zu einem reichen Mann. Als er zu einem kranken Grafen gerufen wird, steht der Tod an dessen Kopfseite. Deshalb sagt der Schneider, dass er nicht helfen könne, was sich ändert, als ihm ein Sack voll Gold angeboten wird. Der Schneider dreht das Bett um. Und da nun der Tod an der Fußseite steht, wird der Graf gesund. Der Schneider macht sich aber damit den Tod zum Feind. In einem Wald trifft er auf den Gevatter, der ihn in eine Höhle voller Lichter mitnimmt. "Das bedeutet das menschliche Leben. Jedem Menschen ist hier ein Licht angezündet", erklärt der Tod.
Der Schneider fragt nach seinem Licht. Der Tod deutet auf eines, das gerade dabei ist, auszugehen. Der Schneider bettelt um sein Leben: "Erlaubt mir doch, ein anderes anzuzünden." Der Tod gewährt ihm den Wunsch, doch der Schneider hat zittrige Hände, so dass das Licht, welches er anzünden wollte, gleich wieder ausgeht.
Beispiele für Todes-Anzeichen
- Offene Augen: Ist das rechte oder linke Auge offen, steht das für den Tod eines Mannes oder einer Frau. Ist kein Auge zu, stirbt jemand zu Hause.
- Berufe: Totengräber oder Schreinern werden Vorahnungen nachgesagt. "Der Todengräber zu Tirschenreuth wußte immer genau, wann Jemand zum Sterben kommen sollte; es rührten sich einige Tage zuvor Pickeln und Schaufeln in seiner Kammer." (Schönwerth)
- Tiere: Katzen heulen oder streiten sich, schwarze Hunde schauen winselnd zu Boden, Nachteulen setzen sich auf das Fensterbrett und Fledermäuse flattern durch den Kamin oder durch das Haus.
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