Schuhe binden, Kopfhörer rein, Musik an – los geht die Laufrunde. Ich jogge tatsächlich gerne. Am liebsten abends nach der Arbeit. Beim Laufen kann ich den Kopf frei kriegen und abschalten. Ich mag das Gefühl der kühlen Luft in der Lunge und das Wissen, mit jedem Schritt ein Stück weiter voranzukommen, weg vom Alltagsstress. Das bringt mich direkt zum Thema: Weit ist meine Laufstrecke in den Augen vieler passionierter Jogger wohl nicht. Zwischen fünf und sieben Kilometer meistere ich in der Regel. Doch machen wir uns nichts vor: Meistens sind es fünf.
Mir reicht das vollkommen aus, um runterzukommen. Wie lange ich für die Strecke brauche, ist mir ziemlich wurscht. Mal sind es 35 Minuten, mal 40 oder 45. Auch das mag vielen passionierten Läufern zu langsam sein. Schaue ich in mein Instagram, scheint plötzlich jeder ein Profi zu sein. Mein ganzer Feed ist voller Posts mit Tipps zum Lauftraining, mit Titeln wie: "So wirst du noch schneller" oder "Wie du endlich mehr Kilometer läufst". Die meisten, die da Ratschläge geben, joggen bei Marathons mit. Mindestens mal bei Halbmarathons.
Jede Strecke unter 21 Kilometer scheint peinlich – zumindest zum Posten zu uncool. Und selbst die, die noch keine Laufprofis sind, wollen welche werden. Instagram schlägt mir zig Videos vor, in denen Leute sich vornehmen, in diesem Jahr ihren ersten Marathon zu absolvieren. Auch in meinem privaten Umfeld beschließen immer mehr Menschen, dass sie nun auch Langstrecke oder eine Top-Pace von vier Minuten pro Kilometer laufen möchten.
Diesen Ehrgeiz, diese Disziplin und Leistung in allen Ehren. Doch mich setzen die Videos unter Druck. Inzwischen schaue ich sie mir schon gar nicht mehr an. Aber es geht mir, wie so oft im Leben, ums Prinzip. Da hat es die Leistungsgesellschaft nämlich tatsächlich geschafft, sich auch in mein Hobby einzuschleichen. Wobei "schleichen" das falsche Wort ist, regelrecht rein gesprintet ist sie. Ich frage mich: Muss das wirklich sein? Reicht es nicht schon, in vielen anderen Lebensbereichen nach seiner Leistung beurteilt zu werden? Meiner Meinung nach ja. Ich will einfach laufen, ohne auf die zurückgelegten Kilometer und die dafür benötigte Zeit zu achten. Und jetzt: Schuhe binden, Kopfhörer rein, Musik an – Kopf frei kriegen von dieser Kolumne.
O-Ton
Wir sind junge Mitarbeiter der Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne „OTon“ schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen.
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