Es ist ungefähr 9.45 Uhr, als am 18. August 1971 ein US-amerikanischer Hubschrauber vom Typ CH-47 "Chinook" in Oberfranken technische Probleme bekommt. Der Helikopter, im Volksmund wegen seiner Form auch «Banane» genannt, gerät ins Trudeln und stürzt in der Nähe der Stadt Pegnitz ab. 37 US-Soldaten sind an Bord. Keiner überlebt. Der Absturz ist bis heute das größte Unglück des US-Militärs auf deutschem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg. An diesem Mittwoch jährt er sich zum 50. Mal, US-Truppen und die Stadt Pegnitz erinnern mit einer Gedenkveranstaltung daran.
In einem Zeitzeugenbericht, der in einer Ausstellung der Stadt Pegnitz gezeigt wird, erinnert sich eine damals achtjährige Pegnitzerin, sie sei im Garten auf der Schaukel gewesen und habe den Hubschrauber gesehen. "Ich sah, wie die Rotorenblätter wegflogen und er fiel wie ein Stein vom Himmel." Danach habe es eine Explosion und eine große Rauchwolke gegeben. "Werde das nie vergessen, hatte viele, viele Jahre danach immer Angst und ein mulmiges Gefühl, wenn ich einen Hubschrauber hörte."
"Junge, fröhliche Menschen"
Das Unglück hat sich in das kollektive Gedächtnis der oberfränkischen Kleinstadt eingebrannt. Der Pegnitzer Stadtarchivar Andreas Bayerlein will mit der Ausstellung die Opfer in den Vordergrund stellen. "Das waren junge Kerle, junge fröhliche Menschen", sagt er. Fotos zeigen sie mit ihren Verlobten, Ehefrauen, ihrer Familie. Gerade einmal 18 Jahre alt sei der Jüngste gewesen.
Die vier Besatzungsmitglieder waren zuvor in Vietnam stationiert gewesen. Die Familien hätten schon gejubelt, als sie nach Deutschland versetzt worden seien, erzählt Bayerlein. Dort starben sie gemeinsam mit den 33 Soldaten, die als Passagiere vom baden-württembergischen Kornwestheim aus nach Grafenwöhr zum Training unterwegs waren.
"Mein Herz blieb stehen, als ich gelesen habe, dass du am Mittwoch mit einem Hubschrauber nach Grafenwöhr geflogen bist", schreibt eine Mutter ihrem Sohn in einem Brief, den Bayerlein ausstellt. Sie habe gedacht, er würde sich gleich melden und der Familie sagen, dass er okay sei. "Sei vorsichtig", warnt sie ihn. Er solle bald heimkommen, sie habe eine Milliarde graue Haare mehr. Der Brief stammt vom 19. August 1971, der Sohn lebte zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr. An die tragischen Schicksale der Opfer und der Angehörigen soll am Mittwoch erinnert werden, es werden auch Hinterbliebene aus den USA erwartet.
Freundschaften über Jahrzehnte
Die Absturzursache sei ein technischer Defekt gewesen, sagt André Potzler, Sprecher des im nahen Grafenwöhr stationierten 7th Army Training Command. "Chinook"-Hubschrauber sind – mit modernen System ausgerüstet – auch heute noch im Einsatz und waren zuletzt etwa bei der Evakuierung der US-Botschaft in Kabul beteiligt.
Viele Leute hätten damals Anteil genommen und Hilfe angeboten, erzählt der Pegnitzer Bürgermeister Wolfgang Nierhoff. Es seien Freundschaften entstanden, die über Jahrzehnte gehalten hätten. "Der Helikopterabsturz beschäftigt auch 50 Jahre später Pegnitzer und Amerikaner gleichermaßen, sei es hier in Bayern oder auch in den USA", sagt US-Army-Sprecher Potzler, selbst gebürtiger Pegnitzer. Auch ihn hätten in seiner Kindheit Spaziergänge mit dem Großvater oft an der Gedenkstätte vorbeigeführt.
Viele Deutsche arbeiteten als Zivilangestellte bei der US-Armee, umgekehrt kämen Soldaten in die umliegenden Gemeinden, sagt Nierhoff. Im nahen Grafenwöhr sind laut Potzler rund 5500 US-Soldaten stationiert, im Großraum sind es - inklusive Zivilangestellter - rund 50 000. Einer der verunglückten Soldaten war der Sohn von Walter Cherry, dem Gründer der Cherry Corporation, die vor allem für Computertastaturen bekannt ist. Er kam über das Unglück mit der Gegend in Kontakt und ließ ein Werk in der Nähe von Pegnitz bauen, heute einer der größten Arbeitgeber in der Region.
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