Abensberg
06.09.2021 - 15:11 Uhr

Der politische Gillamoos 2021: Virtuelle Wege und deftige Sprüche

Der Gillamoos-Jahrmarkt ist ausgefallen, trotzdem haben die Parteien den traditionellen Redewettstreit organisiert. Besonders heftig funkt es ausgerechnet zwischen den bayerischen Koalitionspartnern CSU und Freie Wähler.

Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, spricht beim "Politischen Frühschoppen" am Gillamoos 2021 in der Festhalle Bayernland. Bild: Armin Weigel
Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, spricht beim "Politischen Frühschoppen" am Gillamoos 2021 in der Festhalle Bayernland.

Bei der bayerischen Bereitschaftspolizei haben sie womöglich ein verstohlenes Dankeschön in Richtung des Corona-Virus gemurmelt. In Jahren ohne Pandemie ist der Gillamoos-Montag Großeinsatztag, wenn zur Frühschoppenzeit die politische Prominenz aus München und Berlin das Abensberger Volksfest zum parallelen Redewettstreit in verschiedenen Bierzelten aufschlägt. Die Laufwege der Herrschaften müssen abgesichert, die Besuchermassen kanalisiert werden. Mit ein paar Streifenwagen kommt man da nicht weit.

Wie andere Volksfeste auch fällt der Gillamoos in diesem Jahr aber wieder Corona zum Opfer. Was angesichts der in drei Wochen stattfindenden Bundestagswahl einige Matadore aber nicht davon abhält, ihre Veranstaltungen in örtlichen Wirtshäusern abzuhalten - immerhin mit Blasmusik, handverlesenem Publikum und virtueller Übertragungstechnik. Das kriegt die Polizei im westlichsten Zipfel Niederbayerns noch mit Bordmitteln gestemmt. Entsprechend ist die Stimmung eher pandemisch mau, den routiniert klackenden Bierkrügen und rituellen Trinksprüchen zum Trotz.

Zwei "bierzelterfahrene Haudegen"

Bei CSU und Freien Wählern liegt das auch an den Rednern. Mit den Parteichefs und Lieblingskoalitionären Markus Söder und Hubert Aiwanger treten zwar bierzelterfahrene Haudegen auf, aber die spulen in erster Linie ihre bekannten Wahlkampfreden ab mit erwartbaren Attacken gegen und Warnungen vor den versammelten linken Kräften im Land, die sich - gemäß den aktuellen Umfragen - anschicken könnten, die Macht im Bund zu übernehmen. "Für unser Land ist links immer falsch, und noch mehr links total falsch", bringt es Markus Söder auf eine knappe Formel. Rettung gebe es nur mit einer starken Union. Und für alle Zweifler stellt Söder sicherheitshalber fest: "Ich unterstütze Armin Laschet zu 100 Prozent!"

So ganz glauben mag man das bei den Freien Wählern nicht. Als Anheizer für Aiwanger stellt der parlamentarische Geschäftsführer im Landtag, Fabian Mehring, jedenfalls fest, dass die CSU in Bayern nicht den Kanzlerkandidaten Laschet plakatiere, sondern einen gewissen Markus Söder, der aber gar nicht zur Wahl stehe. In einem "bemitleidenswerten Zustand" seien die "Freunde von der Union". Wer diese wähle bekomme das unionseigene "Trio infernale" aus Laschet, Friedrich Merz und Andi Scheuer. "Die einzig verlorenen Stimmen bei der Bundestagswahl sind Zweitstimmen für die CSU", grüßt Mehring den Münchner Koalitionspartner freundlich. Bei den Freien Wählern sei das Kreuzchen dagegen bestens aufgehoben.

Der Kampf der Regierungspartner

Genau vor diesem Szenario schlottern der CSU die Knie: Dass die Freien Wähler der Union die entscheidenden Prozentpünktchen zur Verteidigung des Kanzleramtes kosten könnten. Weshalb Söder einige Zeit dafür aufwendet, die eigene verunsicherte Wählerschaft auf diese Gefahr hinzuweisen. "Die Zweitstimme ist die Bayern-Stimme", betont er, denn niemand könne bayerische Interessen in Berlin nachhaltiger vertreten und durchsetzen als die CSU. Stimmen an die Freien Wähler fehlten einer starken CSU. Denn es sei doch nun mal so: Es gebe derzeit "null Indiz" dafür, dass die Freien Wähler bei bundesweit aktuell drei Prozent eine Chance hätten, den Bundestag von innen zu sehen. "Die Wahrheit ist doch: Der Einfluss der Freien Wählern in Berlin ist nullkommanullkommanullkommanull."

Genau das aber möchte deren Spitzenkandidat Hubert Aiwanger ändern. Die Freien Wähler seien eine bewährte, aber doch frische Kraft, die nach seiner Lesart als einzige in der Lage sei zu verhindern, dass es mit dem Land weiter "den Bach runtergeht". Die Bürger hätten mehr verdient als die "Wahl zwischen einem Faschingsprinzen, einem Schlumpf und einem Kobold". So tituliert Aiwanger das Kanzlerkandidatentrio respektlos, aber bierzeltgerecht. Diese Leute dürften "keine Mehrheiten mehr ohne uns zusammenbekommen". Deshalb sollten die Bürger den Freien Wählern eine Chance geben und "denen die rote Karte zeigen, die euch die letzten Jahrzehnte veräppelt haben", pflegt Aiwanger sein vermeintliches Image als Underdog. "Die Freien Wähler zu wählen, ist bei dieser Wahl ein Akt des Patriotismus", erklärt Aiwanger in der Tonalität der ihm eigenen niederbayerischen Sprachinsel. Auf genau die setzt Söder nun seine Hoffnung. Denn: "Im Westen kennt die Freien Wähler keiner, und im Norden versteht sie keiner." Wenn Politik nur so einfach wäre.

OnetzPlus
Amberg06.09.2021
 
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