Ein letztes Mal hat am Montag die schwer gesicherte Fahrzeug-Kolonne das Regensburger Priesterseminar verlassen. Der emeritierte Papst Benedikt XVI. (93) brach vormittags zum Flughafen München auf, um von dort zurück nach Rom zu fliegen. Zuvor hatte er allerdings – auch für Beteiligte überraschend – noch ein letztes Mal seinen Bruder Georg Ratzinger (96) am Krankenbett besucht. Eigentlich hatten sich die beiden bereits am Sonntag Lebewohl gesagt.
Der fünftägige Kurzbesuch in Regensburg war rein privater Natur. Dennoch sorgte der unerwartete Aufenthalt des emeritierten Papstes in seiner alten Heimat für enorme Aufmerksamkeit. Ganz ohne Rummel lief auch sein Abflug nicht ab. Ministerpräsident Markus Söder und Staatskanzleichef Florian Herrmann ließen es sich nicht nehmen, Benedikt am Flughafen persönlich mit einem zu verabschieden. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer hatte den emeritierten Papst nach München begleitet.
Kein Protokoll vorgesehen
Zwei Stunden nach dem Abflug zog Voderholzer dann im Garten des Bischöflichen Ordinariats vor Journalisten Bilanz über den hohen Besuch aus Rom – und zeigte sich tief bewegt von der Begegnung der zwei hochbetagten Brüder. Voderholzer hatte erst einen Tag vor der Ankunft Benedikts von dem Besuch erfahren. Was dann folgte, war eine große Herausforderung für alle Beteiligten. „Ein Protokoll für den Besuch eines emeritierten Papstes gibt es nicht“, erklärte der Bischof. „Alles war neu zu gestalten und zu erfinden.“
Für beide Brüder sei das Wiedersehen hoch emotional, aufbauend und stärkend gewesen. Benedikt sei regelrecht aufgeblüht, als er durch die Autofenster die vertraute Landschaft, die Gassen und die winkenden Menschen sah, erzählte Voderholzer, der ihm bei den Fahrten gelegentlich gegenüber saß. Sogar Benedikts Hautkrankheit im Gesicht sei in den Tagen besser geworden, merkte Voderholzer an. Auch auf den Anlass der Reise ging der Bischof nochmal ein: Benedikt habe bei den täglichen Telefonaten mit seinem Bruder Georg gemerkt, dass dessen Stimme sehr schwach geworden war. Er habe dann keine Zeit mehr verlieren wollen – aus Angst, dass er seinen Bruder nicht mehr lebend antrifft. Papst Franziskus sei voll hinter der Unternehmung gestanden, fügte Voderholzer hinzu.
Neun Besuche in fünf Tagen
Neun Mal besuchte der 93-Jährige, der von 2005 bis zu seinem Amtsverzicht 2013 Oberhaupt der katholischen Kirche war, in den fünf Tagen seinen Bruder. Jedes Mal rollte dafür zum Schutz des emeritierten Papstes eine lange Fahrzeugkolonne durch die Altstadtgassen – vom Priesterseminar am Bismarckplatz, wo Benedikt wohnte, bis zu Georgs Haus in der Luzengasse. Benedikt nutzte seinen Aufenthalt aber auch dafür, sein ehemaliges Wohnhaus in Pentling zu besuchen und mit dem dortigen Hausmeister-Ehepaar zu plaudern. Ehemalige Nachbarn winkten ihm zu. Er war am Grab seiner Eltern und seiner Schwester in Ziegetsdorf und auch im Regensburger Dom. Für Benedikt, den früheren Kardinal Joseph Ratzinger, sehr berührende Erlebnisse: Schließlich hatte seine Lebensplanung ursprünglich vorgesehen, seinen Lebensabend genau hier, in Regensburg, zu verbringen.
Nur der Körper gebrechlich
„In den vergangenen fünf Tagen haben wir diesen großen Mann des Geistes in seiner Gebrechlichkeit, in seiner Altersschwäche und seiner Endlichkeit erlebt“, sagte Bischof Voderholzer. Das Sprechen bereite ihm Mühe, er könne sich kaum auf den Beinen halten. „Doch seine Gedanken sind klar, sein Gedächtnis, seine Kombinationsgabe phänomenal.“ Seine verbliebene Kraft hebe er vollständig mobilisiert, um Abschied zu nehmen.
Der Besuch habe gezeigt, was wirklich wichtig ist, sagte Voderholzer. Er sprach von der Liebe der Eltern, die einem Lebensweg die Richtung schenke und einen Menschen auch dann noch tragen, wenn das Ende in Sicht ist. Auch die beiden Brüder seien einander in großer Zuneigung zugetan. Der gemeinsame Glaube verbinde sie. Die Hälfte der Zeit während der Begegnungen habe das gemeinsame Gebet ausgemacht. Schwer war für beide sicherlich der Abschied am letzten Tag. Voderholzer erklärte, er habe Benedikt versprochen, „dass wir gut auf seinen Bruder schauen werden“.
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