Regensburg
26.07.2019 - 16:13 Uhr

Tribunal gegen die Festung Europa

Ein Tribunal soll die Flüchtlingspolitik der EU anprangern. Der symbolische Gerichtsprozess folgt der Kampagne gegen den US-amerikanischen Saatgutkonzern Monsanto, die nach der Übernahme durch Bayer den Chemieriesen ins Straucheln bringt.

Bild: ui

Das wird für die Verantwortlichen in der EU ähnlich dramatisch wie es jetzt für Bayer wird.

Andreas Meyer

Andreas Meyer

Ganz vorne mit dabei sind der Initiator des Monsanto-Tribunals René Lehnherr und sein in Portugal lebender Freund, der Schweizer Andreas Meyer, mit der Stiftung "Sandrose - Hilfe für Menschen in Not". Die Fakten des unmenschlichen Umgangs mit Flüchtlingen in der EU seien bekannt, sagte Meyer. Sie müssten nur zusammengetragen werden. "Das wird für die Verantwortlichen in der EU ähnlich dramatisch wie es jetzt für Bayer wird", ist sich der 82-Jährige ehemalige Unternehmer sicher. "Wir wollen es den Ungerechten etwas schwerer machen."

Mit im Boot werde auch die in Frankreich bekannte Journalistin und Filmemacherin Marie-Monique Robin sein, die ebenfalls an der Anklage gegen Monsanto mitwirkte. Derzeit werden mit weiteren Helfern die Basisinformationen vorbereitet und lokale Gruppen gegründet. Zusammenschlüsse werde es in Freiburg, Worms, Berlin und Tübingen sowie voraussichtlich in Hamburg geben.

Ein Kristallisationspunkt werde in Regensburg rund um Michael Buschheuer sein. Der Sea-Eye-Gründer werde das Tribunal mittragen, aber nicht im Mittelpunkt der physischen Arbeit stehen, kündigte Meyer an. Wichtig sei vor allem sein Netzwerk an Helfern. Meyer hatte ab Februar 2019 bei der Sea-Eye an der Algarve Bootswache gehalten, war als Crew-Aushilfe anschließend mit bis Hamburg gefahren und hatte so Buschheuer kennengelernt.

Das Projekt solle sich über mehrere europäische Länder erstrecken, darunter auch Österreich und Ungarn, kündigte Meyer an. Gerade weil dort ein Victor Orban regiere, gebe es Widerstand gegen dessen Politik. Zur Finanzierung werde in den Niederlanden eine Stiftung gegründet.

Wenn die Regierungen versagen, dann muss die Zivilgesellschaft tätig werden.

Andreas Meyer

Andreas Meyer

Geklärt werden müsse nun, welche Straftatbestände in dem Tribunal angeprangert würden. "Das Delikt der unterlassenen Hilfeleistung ist fast überall bekannt, aber bei der Seenotrettung von Flüchtlingen kriminalisieren wir sogar die Helfer", nennt Meyer ein aktuelles Beispiel. "Das ist, wie wenn man einen Verletzten nicht ins Spital lässt und die Sanitäter zu Kriminellen macht." Meyer geht von 30 bis 40 Leuten aus, die die möglichen Anklagepunkte aufgeteilt in Ländergruppen unter juristischer Sichtweise diskutieren. Ziel sei, es die Politik zu brandmarken, die Europa zur Festung mache. "Diese Politik wird als Schande in die Geschichte eingehen. Wenn die Regierungen versagen, dann muss die Zivilgesellschaft tätig werden."

Konkret gelte es für jedes Land, das man in den Blick nehme, Juristen und Fachleute für das Flüchtlingswesen zu gewinnen. "Sie untersuchen, was dort konkret an Anklagen zu erheben ist." Beispiele seien Malta und Italien, die das Anlanden von Schiffen mit Flüchtlingen verhinderten. "Dazu bereiten wir Material mit Fakten und Zeugenaussagen vor, was mit Flüchtlingen in Libyen, in der Sahara aber auch an der Grenze von Kroatien und im Schwarzen Meer geschieht, was sie an Folter, Vergewaltigungen und sonst noch erleiden müssen", skizziert Meyer den Weg. Er geht von drei Tagen aus, an denen die Anklagepunkte in einem zivilen Verfahren von einem außerordentlichen Gericht in Brüssel behandelt und mit den bestehenden Gesetzen abgeklärt werden.

Mit den so festgestellten und in einem Dossier zusammengefassten Fakten zur Rechtslage könnten viele einzelne Betroffene dann vor ordentlichen Gerichten beispielsweise Schmerzensgeld einklagen, ohne im Alleingang aufwendig Beweismittel suchen zu müssen. Dass das funktionieren kann, habe das Monsanto-Tribunal, an dem man sich inhaltlich und organisatorisch orientiere, gezeigt.

Deutschland und die Welt26.07.2019
 
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