Experten verschiedener Rettungs- und Hilfsdienste haben die Politik aufgefordert, den Katastrophenschutz in Bayern "klimafest" zu machen. Die Sturzfluten im vergangenen Sommer hätten gezeigt, dass Ausrüstung, Ausbildung und Einsatzpläne an die neuen Wetterextreme angepasst werden müssten, hieß es bei einer Fachanhörung im Innenausschuss des Landtags. Zudem müssten Warnmeldungen an die Bevölkerung beschleunigt werden. Als neue Herausforderung nannten die Experten die vielen "Spontanhelfer" aus der Bevölkerung. Deren Hilfsangebote führten zu einem zusätzlichen Koordinierungsaufwand. Insgesamt sei der Katastrophenschutz im Freistaat gut aufgestellt, lautete das einhellige Urteil.
Zentrale Koordinierung
Als ein Problemfeld identifizierten die Experten die Einsatzkoordinierung bei Großschadensereignissen über Landkreisgrenzen hinweg. Hier brauche es klare Führungsstrukturen und mehr Großübungen. Johann Eitzenberger, Präsident des Landesfeuerwehrverbandes, riet zur Schaffung gemeinsamer Lage- und Beobachtungszentren, in denen alle Daten und Analysen zusammenlaufen müssten. "Es muss jeder wissen, wer wann was zu sagen hat", brachte es der technische Leiter der Wasserwacht Bayern, Marcus Röttel, auf den Punkt. Der Landesvorsitzende der Bergwacht in Bayern, Thomas Lobensteiner, sprach vom Prinzip "regional führen, zentral koordinieren". Vor allem für die Anfangsphase nach einer Alarmierung forderte er den Aufbau gut ausgebildeter und ausgerüsteter Spezialteams zur schnellen Hilfe.
Aus der Erfahrung der Sturzfluten mit mehr als 100 Todesopfern in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen drängte der Präsident des Medizinischen Katastrophen-Hilfswerks, Robert Schmitt, darauf, die Bevölkerung besser auf überraschend eintretende Katastrophenfälle vorzubereiten. "Sirenen allein reichen nicht", betonte er. Die Menschen müssten wieder lernen, wie sie sich im Ernstfall verhalten sollten. Er empfahl Aufklärung schon in der Schule und "Selbstschutzkurse" für die breite Bevölkerung. Mehrere Experten forderten die Einstellung professioneller Krisenmanager an den Landratsämtern sowie mehr Personal für die Aufstellung regionaler Katastrophenschutzpläne.
"Spontanhelfer" mit einbinden
Kontrovers diskutiert wurde die Hilfe durch unorganisierte "Spontanhelfer" aus der Bevölkerung. Deren Engagement sei in vielen Bereichen hilfreich, führe aber auch zu Problemen, teilten erfahrene Katastrophenschützer mit. Laut Schmitt müssen die "Spontanhelfer" von den Einsatzkräften von Beginn an in die Hilfsmaßnahmen integriert werden, "sonst verstopfen sie uns den Einsatz und vergrößern das Chaos".
Der Münchner Oberbranddirektor Wolfgang Schäuble riet dazu, die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung zu nutzen. Diese müsse aber in die offiziellen Strukturen eingebunden werden, um die "Spontanhelfer" nicht selbst bei ihrem Einsatz zu gefährden. Genau darin sah der THW-Landesbeauftragte Fritz-Helge Voß das größte Problem. Unter die Helfer mischten sich zunehmend Personen, die mit ihrem Einsatz nur vordergründig helfen, dafür aber den vermeintlich handlungsunfähigen Staat vorführen wollten. "Das ist auch ein Staatsschutzproblem", sagte Voß.
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