München
11.03.2021 - 17:00 Uhr

Streit in der SPD Oberbayern - und drei Oberpfälzer mittendrin

Was als Münchner Provinzposse zu beginnen schien, entwickelt sich allmählich zur Zerreißprobe für die bayerische SPD. Es geht um gescheiterte Kandidaturen, einen krawalligen Altvorderen und mehrere Oberpfälzer.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post gibt im Deutschen Bundestag ein Interview. Archivbild: Bernd von Jutrczenka
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post gibt im Deutschen Bundestag ein Interview.

Wenn ein Kandidat der Münchner SPD bei der Listenaufstellung in Oberbayern für die Bundestagswahl durchfällt, entfaltet das außerhalb der Landeshauptstadt normalerweise die gleiche Wirkung wie ein umgefallener Reissack in China. Doch plötzlich geht es rund. Weil sich Münchens Alt-OB und Ex-SPD-Spitzenkandidat Christian Ude einmischt und der Noch-Parteichefin Natascha Kohnen und ihrem ambitionierten Generalsekretär Uli Grötsch von der Seite mit einer Blutgrätsche in die Parade fährt. Keine sechs Wochen vor dem Parteitag mit der Neuwahl des Vorsitzenden. Und auf einmal geht es um mehr als Reissäcke.

Was war passiert? Nun, die Münchner Stadt-SPD hatte sich mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, den beim Wähler durchaus erfolgreichen, intern wegen seines Hangs zur Eigenprofilierung aber umstrittenen Bundestagsabgeordneten Florian Post erneut als Spitzenkandidat auf die oberbayerische Bundestagsliste zu setzen. Eigentlich eine Formsache nach den ungeschriebenen SPD-Gesetzen, wonach Amtsinhaber bei der Nominierung einen Bonus vor Neulingen haben. Nun aber rebellierte die oberbayerische Basis und präsentierte kurz vor der Abstimmung am vergangenen Samstag den im Landkreis Cham geborenen Sebastian Roloff. Der setzte sich überraschend genauso klar gegen Post durch wie später die amtierende Abgeordnete Bela Bach einer Newcomerin unterlag. In Münchens SPD ist seither der Teufel los.

"Niederträchtig und gemein"

In einer ersten Stellungnahme nannte Post, der aus Neustadt/WN stammt, das Vorgehen der Parteifreunde vom Land "niederträchtig und gemein". Getroffen und innerlich kochend zog er sich für ein paar Tage zurück, um dann am Donnerstag eine Erklärung zu veröffentlichen. Er werde nicht weichen, sondern nun im Alleingang versuchen, das Direktmandat im Münchner Norden zu gewinnen, um doch wieder in den Bundestag einziehen zu können. 2017 fehlten ihm dazu sechs Prozentpunkte gegen Bernhard Loos (CSU). Seine Kampfansage garnierte er mit dem Vorwurf an die Land-Genossen, diese hätten ihn "nach offenbar langwieriger heimlicher Vorbereitung" abgeschossen. Er empfinde das als "Angriff aus dem Hinterhalt", der Umgang mit ihm sei "völlig unangemessen und ungerecht". Dann verabschiedete sich Post mit ein paar giftigen Grüßen an die Partei.

So weit, so münchnerisch. Zum überregionalen Thema für die SPD machte die Geschichte eine gleichzeitig versandte Mitteilung seines "politischen Wahlkampfleiters" Christian Ude. Wer vergessen haben sollte, um wen es sich dabei handelt, dem gab Ude gleich im ersten Satz ungefragt Nachhilfe: "Als ehemaliger Spitzenkandidat der Bayern-SPD, der 2013 einen mehr als doppelt so hohen Stimmenanteil erreichte als die derzeit amtierende Landesvorsitzende 2018, fühle ich mich nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, zur derzeitigen alarmierenden Entwicklung der Bayern-SPD das Wort zu ergreifen." Damit waren Ton und Fallhöhe gesetzt.

Ude verwies auf aktuelle Umfragewerte der Bayern-SPD im Nirgendwo zwischen sieben und acht Prozent, während er bei mehreren Wahlen im Münchner Norden mehr als 70 Prozent geholt habe. Sein Schützling Post habe 2017 das beste Erststimmenergebnis für die SPD in Oberbayern geholt und werde jetzt "ohne Ansage in geheimer Wahl abgesetzt". Von "Heckenschützen" werde da auf die eigenen Leute geschossen, wie auch das Beispiel Bela Bachs zeige. Die sei wohl gescheitert, weil sie angesichts der schlechten Umfragewerte für Bayerns SPD erklärt habe, so dürfe es nicht weitergehen, mutmaßte Ude und holte zum Donnerschlag aus: "Solche Majestätsbeleidigung konnte die Kohnen-Grötsch-SPD offensichtlich nicht hinnehmen." Zudem hob Ude das Scheitern Posts und Bachs auf die Ebene der parteiinternen Debatte um ein Interview des alten SPD-Denkers Wolfgang Thierse, womit er den Zwist der Traditionalisten mit den Progressiven weiter anfeuerte.

Grötsch mit Galgenhumor

Der Oberpfälzer Uli Grötsch, der am 24. April auf dem Parteitag für die Nachfolge Kohnens kandidiert, zeigte Verständnis für die Enttäuschung Posts, nicht aber für die Tirade Udes. Dass Post und Bach gescheitert seien, sei ein "oberbayern-interner Vorgang, mit dem ich nicht befasst war". Er habe keinerlei Einfluss auf diese Entscheidung genommen. Auch dass Ude einen Zusammenhang mit der Debatte um das Thierse-Interview hergestellt habe, könne er nicht nachvollziehen. Hier werde ein "künstlicher Widerspruch" aufgebaut. Was Udes Attacke auf die "Kohnen-Grötsch-SPD" für seine Kandidatur am 24. April bedeute? "Mit einer Wahlempfehlung von Christian Ude hatte ich ohnehin nicht gerechnet", flüchtete sich Grötsch in Galgenhumor. Manchmal stehen einem Feinde eben näher als Parteifreunde.

Posts aus dem Landkreis Cham stammender Bezwinger Sebastian Roloff versteht die ganze Aufregung um seine Wahl nicht. "Es liegt in der Natur der Sache, dass es bei Listenaufstellungen mehrere Bewerber gibt", sagte er am Telefon. Das sei ein "völlig normaler Vorgang". Und dann verwies Roloff noch darauf, dass seine Kandidatur nicht ganz so überraschend gekommen sei wie dargestellt. In Münchner Zeitungen seien seine Überlegungen schon vor Wochen ein Thema gewesen. Post und Ude haben damals - um im Bild zu bleiben - diesen Sack Reis offenbar nicht umfallen hören.

OnetzPlus
Weiden in der Oberpfalz25.02.2021
 
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