Dass die Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung angemessen sind, finden demnach nur 16 Prozent der Befragten in Bayern. Das ist noch weniger als im Bundesschnitt (22 Prozent). 36 Prozent unter Bayerns Rentnern fürchten zudem um die Zukunft ihrer Rente (27 Prozent).
Mit Blick auf den Ruhestand hätten Bayerns Erwerbstätige große Sorgen, dass sie krank und pflegebedürftig werden. 70 Prozent nennen das als ihre größte Sorge (60 Prozent). Besonders hoch ist im Freistaat allerdings auch das ehrenamtliche Engagement unter Ruheständlern. 12 Prozent wollen laut Umfrage auf keinen Fall darauf verzichten (9 Prozent).
Ludwig Spreitzer aus Waldsassen ist Seniorenbeauftragter für den Landkreis Tirschenreuth, in dem das Rentenniveau traditionell relativ niedrig ist. "Die Angst, dass die Rente nicht reichen könnte, ist zweifelsohne da", sagt der frühere Lehrer. Viel größer sei aber mitunter die Angst vor Vereinsamung. "Zum Teil berechtigt, zum Teil aber auch unberechtigt." Spreitzer ist der Meinung, "dass es den Rentnern und Pensionären im Prinzip gut geht, aber es gibt auch Ausnahmen". Schwierig sei vor allem die Situation der Frauen.
System das Problem
Diese, erklärt der Seniorenbeauftragte, hätten in der nördlichen Oberpfalz früher entweder gar nicht oder häufig im Niedriglohnbereich der Glas- und Porzellanindustrie gearbeitet. Entsprechend gering fielen die Renten aus. "Aber viele sind, glaube ich, zu stolz, um staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen." Spreitzer beobachtet auch Ängste in der Generation der 55- bis 60-Jährigen. Er kann die Besorgnis verstehen: "Ich persönlich glaube, dass wir unser ganzes Rentensystem umstellen müssen. Dass wir in 20 Jahren noch dasselbe haben, kann ich mir nicht vorstellen." Seiner Meinung nach lohne es sich, hierbei vom Nachbarland Österreich zu lernen.
Siegmund Bergmann, Geschäftsführer des VdK-Kreisverbands Weiden, glaubt, dass die "Bayern sich mehr um die Rente kümmern" als andere. "In unserer Beratung kommt fast täglich das Thema Berufsausstieg zur Sprache", sagt Bergmann, der sich selbst in den Ruhestand verabschiedet. "Dafür braucht man heutzutage fast schon einen Coach", scherzt der VdK-Mann. "30 Jahre lang nur noch Rasen mähen ist ja auch nicht erfüllend."
Vor allem Männer fielen nach dem Ausstieg aus dem Erwerbsleben nicht selten in ein Loch, berichtet Bergmann. Manche wählen auch deshalb den sachten Übergang durch die seit Juli 2016 mögliche "Flexi-Rente". Die aber will gut geplant sein, damit der Zuverdienst nicht zu einer Kürzung der normalen Altersbezüge führt. "Es treibt die Leute schon um, ob ihre Rente sicher ist, wie viel Steuern sie noch zahlen müssen und wie hoch die Krankenversicherungsbeiträge ausfallen."
Letztere wirken sich vor allem auf Betriebsrenten aus: "Wenn man Pech hat, werden da bis zu 25 Prozent fällig", kritisiert Bergmann: "Der VdK fordert deshalb schon lange Beitragsparität. Und wer als Schwerbehinderter oder Erwerbsgeminderter vorzeitig in Rente gehen muss, darf dafür nicht auch noch mit Abschlägen bestraft werden. Das ist ungerecht. Diese Menschen sind schließlich krank." Bergmann sorgt sich auch um Ältere, die mit der zunehmenden Digitalisierung überfordert sind, "sie werden komplett vergessen und ausgegrenzt". Auch die Pflege sei keineswegs gewährleistet, da Fachkräfte fehlten. "Hier müssen wir richtig Geld in die Hand nehmen."
Großes Engagement
Catherine Dill, Leiterin der Freiwilligenagentur bei der Stadt Amberg, vermittelt Interessierte in Ehrenämter. Ältere zwischen 50 und 65 Jahren seien noch sehr aktiv, hat sie beobachtet. Erst ab etwa 75 Jahren lasse das ehrenamtliche Engagement nach. "Wir hatten aber auch schon einen 90-Jährigen, der sich noch eingebracht hat." Viele Senioren wünschten sich eine "sinnvolle Aufgabe, die Freude macht", berichtet Dill. Besonders beliebt seien bei den Rentnern Aktivitäten mit Kindern.
„Das kann’s doch nicht sein“
Rosmarie Münchmeier aus Weiden, Jahrgang 1954, ist seit 1. März Rentnerin. Sie sprach mit uns über ihre Situation. „Die letzten Jahre war ich vier Stunden täglich als Reinigungskraft beschäftigt“, erzählt die gelernte Friseurmeisterin. Insgesamt hat Münchmeier 40 Jahre gearbeitet: als Friseurin, Verkäuferin, Werberin, „ich habe eine bunte Palette an Berufen ausgeübt“.
Münchmeier hat außerdem zwei Kinder großgezogen, zum Teil war sie alleinerziehend. Auch deshalb musste sie Abstriche machen, was die Jobwahl anging. „Ich war eigentlich immer im unteren Lohnsegment tätig und die Arbeit war auch nicht erfüllend, aber sie hat Geld gebracht.“ Entsprechend mager fällt nun die Rente aus: „Ich muss halt schauen, wie ich klarkomme“, sagt die Ruheständlerin. „Wenn man privat nicht für sich vorgesorgt hat, langt es auf keinen Fall. Zum Glück war ich immer sehr sparsam.“
Besonders ärgert sich die Weidnerin über die jüngste Rentenerhöhung, die gerade so hoch gelobt werde. „Da heißt es, man bekommt drei Prozent mehr, dabei rutscht man dann vielleicht in eine andere Steuerklasse und bekommt mehr abgezogen, als man dazugewinnt.“
Münchmeier fühlt sich veräppelt. Einer Bekannten habe man auf dem Amt gleich empfohlen, einen 450-Euro-Job anzunehmen, wenn die Altersbezüge nicht ausreichen. „Das ist doch eine Frechheit! Die Frau hat 50 Jahre gearbeitet, das kann’s doch nicht sein!“ (m)
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