Um eine lautmalerische Darstellung des vielfältigen Einzugsgebietes der Donau sei es ihm beim brandneuen, bei Sony Classical erschienenen Album nicht gegangen, schreibt der erfolgreiche Neoromantik-Pianist Florian Christl auf Nachfrage von Oberpfalz-Medien. Vielmehr sei das fließende Element, das Flüsse und Musik verbindet, ein wichtiger Bezugspunkt: „Ich möchte mit diesem Album meine Zuhörer mitnehmen auf eine spannende Reise entlang der Donau von der Quelle bis zur Mündung ins Schwarze Meer.“ Dabei stehe das Fließen des Flusses selbst im Fokus: „Das Album ist sozusagen ein Versuch, die Donau und ihre Geschichte(n) nicht einfach vorbeiziehen zu lassen, sondern Teil von ihr zu werden – von einem Betrachtenden von außen zu einem Entdecker aus dem Inneren.“
Die musikalische bzw. kompositorische Idee, die dem Album daher zu Grunde liege, sei genau dieses fließende Element: „Denn trotz aller Veränderungen und Einwirkungen von außen auf seiner langen Reise ist das Fließen diejenige Eigenschaft, die der Fluss nie verliert. Ich habe versucht dem gesamten Album musikalisch einen fließenden Charakter zu verleihen. Verschiedene Phrasen, Elemente und Melodien finden sich in unterschiedlicher Gestalt in den verschiedenen Stücken des Albums wieder und symbolisieren somit das fließende Wasser, das sich unter den wechselnden Einflüssen stetig verändert und im Kern doch immer das selbe bleibt“.
Reise ohne Klavier: Unterwegs im Kajak durch Rumänien
Vor dem ersten Ton und der ersten Note stand jedoch erst einmal ein ausgiebiger Rechercheprozess: „Erst wenn man inhaltlich – und beim Thema ‚Donau‘ gibt es sehr, sehr viel zu entdecken geografisch, geschichtlich, kulturelle Entwicklungen, die verschiedenen Naturräume, die Donaumetropolen, lokale Musiktraditionen usw. – so in das Thema eingetaucht ist, dass man eine Art natürliches Verständnis dafür entwickelt hat, kann man sich an den kreativen Prozess wagen.“
Das Studium von Informationsmedien aller Art reichte Christl aber nicht aus: „Ein sehr wichtiger Teil des Rechercheprozesses waren meine Reisen an die Donau. Für so ein Projekt ist es natürlich unerlässlich, die Aura des Stroms vor Ort aufzusaugen und hautnah zu erleben. Irgendwann kam dann der Moment, an dem ich mich bereit fühlte, die Komposition des Albums zu beginnen.“ Sein ausflugs- und reiseerprobtes Klavier, das schon auf der Alm stand oder unter blühenden Parkbäumen erklang, musste allerdings zu Hause bleiben. Weil diesmal Recherche und Komposition bewusst getrennt vonstattengingen, hätte das Instrument die Reise nur erschwert. Und: „Insbesondere im Donau-Delta in Rumänien wäre es mit einem Klavier in meinem Kajak ziemlich eng geworden“, ergänzt der Pianist lachend.
Auf der Erkundungstour stand mehrere Tage Paddeln auf dem Programm, und auch die letzten Kilometer der Donau bis zur Mündung ins Schwarze Meer legte Christl auf diesem Weg zurück: „So kurz vor dem Ende beziehungsweise dem Ziel herrscht eine besondere Atmosphäre – der Strom kommt nach seiner mitreißenden Reise von über 2.800 Kilometern zur Ruhe und verzweigt sich in unzählige Verästelungen.“ Einen prägenden Moment erlebte er, als er sein Lager direkt am Schwarzen Meer aufgeschlagen hatte: „Auf der einen Seite nur das Rauschen des Meeres, auf der anderen Seite das Rauschen des Windes im Schilf. Über uns ein strahlender Sternenhimmel – wenn man das so erzählt, klingt das schon fast etwas kitschig. Doch in diesem Moment der Ruhe denkt man daran, dass nur ein paar Kilometer nördlich die Grenze zur Ukraine ist. Eine in diesem Moment der Ruhe absurde Diskrepanz, die einen packt.“
Christl: "Donau immer präsent"
Die Vielfalt, die die Donau auf ihrer Reise durch zehn Länder gewissermaßen mittransportiert, spielt eine zentrale Rolle für Christl: „Das ist eine der Kernbotschaften, die ich vermitteln möchte. Auf dem Album geht es nicht nur um die Donau. Es geht um Vielfalt. Es geht um Zusammenhalt und Veränderung. Es geht um Europa und es geht natürlich um Musik.“ Um die Vielfalt an Kulturen, Ethnien, Sprachen und Ländern musikalisch festzuhalten, habe er sich intensiv mit lokalen Musiktraditionen und Volksmusik auseinandergesetzt und versucht, diese Traditionen in seinen Stil und die heutige Zeit zu übersetzen.
Dass er überhaupt auf dieses spezielle Thema kam, liegt auch an Christls Oberpfälzer Wurzeln: „Die Donau ist ja nicht weit entfernt von Amberg und auch die Vils mündet schließlich in die Donau. Durch diesen regionalen Bezug war die Donau schon immer irgendwie präsent und es gab schon immer Bezugspunkte, was am Ende sicher auch dazu beigetragen hat, dass ich mich bei diesem Projekt für die Donau und nicht für irgendeinen anderen Strom entschieden habe.“
Vier erfolgreiche Alben, umjubelte Tourneen auch außerhalb Europas – für den weitgehend autodidaktischen Musiker, der seit seiner Kindheit am Klavier sitzt, lief es von Anfang an sehr gut. „Mein Anspruch war schon immer, selbst etwas Neues zu schaffen, kreativ sein zu können und meine Kreativität in der Musik frei auszuleben. Ich denke, diese Freiheit zu erlangen, ist der ultimative Ansporn eines jeden Künstlers. Der Punkt ist, diese Freiheit kann man sich nicht einfach nehmen, man muss sie sich hart erarbeiten.“ Erst wenn man Technik und Theorie derart verinnerlicht habe, dass man über solche Dinge nicht mehr nachdenke, könne man künstlerisch frei gestalten: „Auf welchem Weg man zu diesem Punkt kommt, sei es durch ein Musikstudium oder autodidaktische Aneignung wie in meinem Fall, spielt meiner Meinung nach keine Rolle. Was am Ende zählt, ist die Musik. Gleichzeitig sei gesagt, dass dies natürlich kein endlicher Prozess ist. Mit jedem Tag, an dem man an sich arbeitet, Neues lernt, seine Technik und sein Wissen verbessert, erweitert man diesen Raum der künstlerischen Freiheit.“
Zu Person und Album
- Florian Christl: Pianist und Komponist, geboren und aufgewachsen in Amberg, erster Klavierunterricht im Alter von 6 Jahren, später Autodidakt, 2013 erste Live-Konzerte mit eigenen Kompositionen, 2018 Debüt-Solo-Klavier-Album „Inspiration“ direkt auf Platz 1 der iTunes-Klassik-Charts, 2020 zweites Album „Episodes“, 2022 drittes Album "About Time". Florian Christl lebt in München.
- "Donau - eine musikalische Reise entlang der Donau", 12 Titel, unter anderem mit Cellistin Raphaela Gromes und Seeger Saitenmusik, erschienen am 8. November bei Sony Classical
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