Amberg
21.11.2022 - 11:02 Uhr

"Amberger Seminar" des Lehrerverbands sucht "Weg aus der Bildungskrise"

Nach zwei Jahren Pause lud der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrer-Verband (BLLV) die Pädagogen wieder zur „größten Lehrerfortbildung in der Oberpfalz“ ein. Das „Amberger Seminar“ feierte zudem einen runden Geburtstag.

Seit 60 Jahren gibt es schon diese vom BLLV organisierte Fortbildungsveranstaltung "Amberger Seminar", was der Lehrerverband in der Kümmersbrucker Grund- und Mittelschule auch gebührend feierte. Nach zweijähriger Unterbrechung hatte die Veranstaltung mit über 40 Workshops und Vorträgen nichts von ihrer Anziehungskraft verloren, und das, obwohl Wochenende war. Höhepunkt war am Samstagvormittag der Vortrag, gehalten von Prof. Dr. Klaus Zierer, Dozent für Schulpädagogik an der Universität Augsburg.

Das „Intro“ zum Vortrag passte zum Thema des Vortrags mit dem Titel „Schule neu denken- bildungswirksamer, gerechter, schülerorientierter“. Denn was Unterricht leisten kann, zeigte Lehrerin Christa Meyer mit ihren Schülern der 5. bis 7. Jahrgangsstufe der Mittelschule Kümmersbruck, die zur Einstimmung das perfekt einstudierte Schwarzlicht-Theaterstück „Moldau“ aus dem Programm der Regensburger Traumfabrik boten.

Gleich zu Beginn seines Vortrages machte der Referent klar: „Wir leben in Krisenzeiten, die sowohl gesamtgesellschaftlich als auch bildungspolitisch von großer Bedeutung sind. Die Krise der Bildung und die Krise der Demokratie hängen eng zusammen“. Ob ein Bildungssystem erfolgreich sei, lasse sich aber nicht am Abiturschnitt messen. Bildung umfasse nicht nur die kognitive Leistung, sondern auch psychosoziale Aspekte und die physische Verfassung. In allen drei Bereichen habe Corona in den vergangenen Jahren viel Schaden angerichtet. „Corona war ein großer Treiber in der Bildungsungerechtigkeit. Die Jüngsten und die Schüler aus bildungsfernen Haushalten hat es am meisten erwischt“, lautet die Meinung Zierers.

Um die Bildungskrise zu bewältigen, brauche es, so der Referent, eine Lehrplanreform. Hier habe sich in der Vergangenheit wenig bewegt. „Die Lehrplanreform ist im Kern gescheitert“, lautet sein Fazit vergangener Bemühungen. Ein zentraler Punkt einer neuen Reform müsse aus seiner Sicht eine Neugewichtung der Fächer sein. „Kein Scherz, aber Kunst, Musik und Sport zähle ich zu den wichtigsten Fächern. Sie haben einen ganz bestimmten Gehalt“, sagt er. Deren Unterricht falle aber immer als erstes aus, würde in unserem Bildungssystem nur ein Schattendasein fristen, beklagt Zierer. Das sehe man aktuell zum Beispiel an der hohen Zahl der Nichtschwimmer seit Corona.

Als zweite wichtige Aufgabe zur Bewältigung der Bildungskrise fordert Zierer eine Stoff-Entrümpelung in vielen Fächern. „Das Einzige, das ein Abiturient nach dem Abitur noch weiß, ist, dass er es nicht noch einmal so gut schreiben würde“, kritisiert der Hochschulprofessor. Besonders im Fach Mathematik stecke aus seiner Sicht viel Gerümpel. „Nicht viel von dem, was in den Lehrplänen steht, ist auch für das spätere Leben wichtig“, ist seine Überzeugung.

Lernen mit Papier und Stift

Zum Einsatz von digitalen Medien im Unterricht bezieht der Referent auch klar Stellung. Dass Smartphones in unmittelbarer Nähe zuhause beim Lernen die Lernleistung mindern würden, sei wissenschaftlich nachgewiesen. Der Einsatz von Tablets im Unterricht erhöhe lediglich kurzfristig die Motivation. „Wir brauchen eine begleitende Medienerziehung“, fordert er. Denn analoges Lernen mit Papier und Stift führe nach wie vor zu größerem Erfolg als Lernen am Tablet.

"Epochen-Unterricht" einführten

Revolutionär – besonders für die Situation an den weiterführenden Schulen – mutet seine Forderung an, statt fächergebundenen Unterricht sogenannten „Epochen-Unterricht“ einzuführen. „Die Fächer existieren ja nur nebeneinander“, sagt er. Epochenunterricht mit fächergebundenem Unterricht in der ersten Stufe, interdisziplinärer Unterricht in der zweiten Stufe und dann die Zusammenschau mit den entsprechenden Schlussfolgerungen, so müsste aus seiner Sicht der Unterricht aussehen, der auch den bayerischen Bildungszielen gerecht werden würde. „Dieser Unterricht würde der bayerischen Verfassung gerecht werden, wonach unser Bildungssystem nicht nur Wissen und Können, sondern auch Herz und Charakter, also Werte vermitteln soll“, ist Zierer überzeugt.

Das alles Entscheidende, was einen erfolgreichen Unterricht ausmacht, ist für den Schulpädagogen am Ende aber die Person, die vor der Klasse steht. „Die Ausstattung der Schule oder die Klassenstärke, das sind alles nur Oberflächenmerkmale“, relativiert er deren Bedeutung. Letztendlich sei es die Lehrperson selbst, die die Lernleistung der Schüler entscheidend beeinflusse, erklärt Zierer. Die Lehrer-Schülerbeziehung, die Glaubwürdigkeit der Lehrperson, sein Feedback als Methode des Unterrichts, das seien die entscheidenden „Tiefenstrukturen“. „Wir müssen Kompetenz und Haltung vermitteln“, ist seine Überzeugung.

Diese Lehrer-Kompetenzen würden auch nicht von der Besoldungsstufe abhängen, ist Zierer überzeugt. „Sie werden aus einem schlechten Lehrer durch mehr Besoldung keinen guten Lehrer machen“, schrieb Zierer am Ende dem BLLV ins Hausaufgabenheft.

 
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