Der Konsens des runden Tisches zum Thema Artenvielfalt sei aber auch noch nicht abgeschlossen, fügt Reisinger in einem Gespräch mit der Redaktion zum Jahreswechsel hinzu. Momentan werde allerdings von den Landwirten "schon ein Hauptbeitrag" in Sachen Artenschutz verlangt. "Da wird man sich was überlegen müssen." Das freilich sei nicht ganz einfach: "Wir haben die intensive Landwirtschaft", deshalb müsse man, wenn hier zusätzliche Auflagen verhängt werden, den Bauern einen finanziellen Ausgleich gewähren.
Verständnis für Landwirte
"Wir haben auch sehr viele Landwirte, die in der Region die Kulturlandschaften vorbildlich pflegen", betont Reisinger, auch auf Basis von Förderprogrammen. Außerdem gebe es den Vertragsnaturschutz: "Da können wir auch was anbieten, womit alle gewinnen." Reisinger zeigt Verständnis für die Bauern. "Man muss schon bedenken, dass unsere Landwirte keine gemeinnützigen, karitative Unternehmen betreiben - können." Ihnen weise die Gesellschaft eine "einseitige Vorbildfunktion" zu. Gleichzeitig sei der Verbraucher "in keinster Weise bereit, höherpreisige, wertvolle, regional produzierte Lebensmittel zu kaufen", sondern greife doch lieber "auf importierte Discounter-Billigware zurück". Reisinger freut sich dagegen "über jeden Dorf- und Unverpackt-Laden und Bioladen". Der Landkreis mache in der Öko-Modellregion "begeistert mit". Ziel sei es, den Anteil solcher Angebote erhöhen - aber dazu "brauchen wir auch die Verbraucher. Das müssen kommunizierende Röhren sein, sonst klappt das einfach nicht".
Auch ein Thema: Lichtverschmutzung
Beim Thema Artenschutz verweist Landrat Richard Reisinger als Handlungsfeld auch auf die sogenannte Lichtverschmutzung: „Da müssen auch die großen Städte mit ins Boot.“ Dort müsse heutzutage „alles beleuchtet werden, nicht nur Kulturdenkmäler, auch die Industrieobjekte, die Schaufenster“. Die Einführung der sparsamen, aber auch sehr hellen LED-Technik sei dabei „Fluch und Segen gleichermaßen. „Alles soll jetzt rund um die Uhr grell auffallend, blinkend-leuchtend aufgehellt werden.“ Und dank der modernen LED-Technik ist dabei der Energieverbrauch laut Reisinger „bei weitem nicht mehr so groß wie mit den klassischen Beleuchtungsmitteln – aber es ist halt auch hell für die Fauna. Unnatürlich hell, viel zu lang. Da muss man sich schon fragen: Muss das sein?“
Billig bleibt Trend
Billigware sei aber nach wie vor im Trend, ist Reisingers Eindruck. "Und der Online-Handel hat diese Mentalität noch befördert." Hier zähle schnell und billig. Und der Landwirt mit Familie, "der soll dann für Tierwohl sorgen, darf dabei aber nix einsetzen und soll sich auch schön Zeit lassen: Das geht nicht auf". Vielmehr laufe das darauf hinaus, dass "wir irgendwann alles importieren". Klar ist für Reisinger in der Debatte: "Trinkwasserschutz muss oberste Priorität sein." Die Landwirte brächten ihre Sorgen schon zur Sprache. "Aber sie werden weniger gehört - weil sie schon deutlich weniger sind." Reisinger bewundert die Bauern "für ihre Begeisterung für ihren Betrieb. Bei dem Arbeitseinsatz und dem vermutlich geringen Lohn - und manchmal sogar mit Draufzahlen." Seine Erfahrung: "Die Landwirte lieben ihre Umgebung, die wollen sie nicht vorsätzlich kaputtmachen."
Eigene Gewohnheiten prüfen
Natürlich sei in sozialen Härtefällen beim Einkauf "der Preis entscheidend bei Lebensmitteln", räumt er ein. Und appelliert trotzdem an jeden Verbraucher, seine Gewohnheiten "kritisch zu prüfen - auch mit Blick auf (Unterhaltungs-)Elektronik und Urlaubsreisen. " Hier gebe es oft "eine einseitige Schwerpunktsetzung": Also lieber nicht beim neuen Handy sparen, sondern wenn es sein muss, bei den Lebensmitteln. "Da müssen wir auch mal nachdenken, warum es in der Fußgängerzone mehr Handy-Läden gibt als Lebensmittelgeschäfte. Selbst in Amberg."
Bewusstsein schärfen
Der Landkreis lege übrigens "viel Wert auf Marketing für regionale Lebensmittel". Zuletzt sei dies in der "kulinarischen Landkarte der Metropolregion" deutlich geworden, auf der "AS" mit zehn Vermarktern vertreten sei. "Da bin ich schon stolz. Da haben wir ein gutes Netzwerk." Dabei schränkt Reisinger ein: "Das ist schon noch ein Minderheiten-Publikum. Das ist wie Kammermusik. Aber wir versuchen, das Bewusstsein zu schärfen."
Artenschutz an der Kreisstraße und im eigenen Garten
Beim Artenschutz richtet Landrat Richard Reisinger den Blick auch zu den Kreisstraßen: Gerade dort geben es „zum Teil schon einen großen Artenreichtum.“ Das gehe sogar so weit, dass „der Naturschutz oft schon gegen eine Neu-Anlage von Blühstreifen gestimmt hat“. Diese seien zuweilen durchaus auch Marketing, merkt Reisinger kritisch an und betont: „Es sollte schon in die Landschaft passen“ und dort angelegt werden, wo es wirklich notwendig sei.
Von Fachleuten höre man, dass es „auch nicht das Gelbe vom Ei“ sei, wenn etwa Bienengehölze direkt am Straßenrand gepflanzt werden, wo sie durch Wind und Winterdienst beeinträchtig werden. Dort, wo Landschaften „nicht ganz intensiv genutzt werden“, gebe es dagegen schon noch Potenziale, meint Reisinger. Und macht klar, dass damit nicht zwangsläufig Blümchen gemeint sind. Er nennt als Beispiel den Kreisverkehr in Ehenfeld, der in Absprache mit dem dortigen Obst- und Gartenbauverein gestaltet wurde. „Die haben sich immer einen schönen Kreisverkehr gewünscht“, weiß Reisinger, der auch Kreisvorsitzender der Gartler ist. „Dann haben wir festgestellt, dort sind schon -zig ganz wertvolle Arten. Aber die schauen halt nicht schön aus. Jetzt haben wir’s ein bisschen aufgehübscht und um Verständnis gebeten. Damit haben wir jetzt ökologisch einen weitaus höheren Artenreichtum, als wenn wir da eine Art künstliche Blumeninsel Mainau kreieren. Dazu muss man natürlich ein bissl umdenken.“
Der Kreisverband Gartenkultur und Landespflege werbe jetzt verstärkt dafür, Privatgrundstücke naturnah zu gestalten. „Da kann man eigentlich weitestgehend auf Insektizide verzichten. Vielleicht nicht grad bei den Rosen, aber sonst schon.“ Hobbygärtner Reisinger folgt dem: „Also ich spritz nix daheim. Mei, dann sind halt ein paar Äpfel wurmig. Da bleiben schon ein paar übrig.“ Bei diesem Thema lande man schnell bei Mährobotern und Steingärten. „Das mag an machen Stellen passen. Aber wenn alles verschottert und verkiest wird, und dann eine solitäre Pflanze in die Mitte rein, die dann noch aus einem exotischen Land stammt...“ Allerdings weiß Reisinger auch: Wenn es um die Ästhetik geht – „da den Menschen Vorschriften machen: Das ist schwierig.“
Landrats Reisngers Analyse geht weitgehend daneben. Die Landwirte wehren sich vehement gegen Veränderungen und weitere Auflagen durch die Düngemittelverordnung. Angeblich liegen die hohen Meßergebnisse an falschen Meßstellen und undichten Kanälen, so ein gerne verwendetes Argument des Bauernverbandes. Die Wissenschaft hegt da so ihre Zweifel, zumal der Bauernverband eine gerichtliche Klage führte, um Gülle als internationales "Handelsgut" bewerten zu können. Seitdem blüht der Import von Gülle aus Holland und Belgien, die deutlich strenger Düngevorschriften haben.
Die zunehmende Nitratbelastung des Grundwassers wird seit den 1980-er Jahren thematisiert und von den Wasserversorgern angeprangert, aber von der Politik jahrelang kleingeredet oder ignoriert.
Bereits 2004 berichtete Onetz: „Wegen Bodenverunreinigung muss sich derzeit ein Landwirt aus dem Altlandkreis Vohenstrauß vor Richter Johann Mirl verantworten. Der 37-Jährige soll im Herbst 2003 auf seinen in einem Wasserschutzgebiet mit Brunnen liegenden Äckern enorme Mengen stickstoffhaltiger Düngemittel verteilt haben, Das führte angeblich zu einer mindestens zweieinhalb Meter tief reichenden Nitratbelastung, die das Zehnfache des Normalen überstieg.“
Die Situation unserer Bauern ist nicht berauschend, aber welchen Anteil hat die eigene Verbandsführung (DBV und BBV) an dieser Situation? Hier versucht der Bauernverband von eigenen Versäumnissen abzulenken. Waren der Fall der Hektarbindung und die Freigabe der Milchmengen ein Erfolg, oder werden die kleinen bayerischen Familienbetriebe nun zerrieben? Mit Zustimmung des BBV und DBV wurde von der EU ein Fördersystem installiert, das einigen Agrarunternehmen jährliche Fördergelder in Millionenhöhe beschert. Was haben 70 Jahre Lobbyarbeit des Deutschen- und Bayerischen Bauernverbandes und der Klüngel mit Agrarchemie, Molkereien und Futtermittelindustrie gebracht? Die bayerische Land- und Milchwirtschaft gilt im europäischen Vergleich eher als kleinstrukturiert. Die Verbandspolitik hat die Bauern in eine europaweite Überproduktion getrieben und bayerische Bauern in einen Preis- und Konkurrenzkampf mit Agrarfabriken aus dem Osten, die 2.000 ha und mehr bewirtschaften, sowie einen Großteil der Agrarsubventionen einstreichen. Betrachtet man die Mittelvergabe in Europa, so erhalten sechs Prozent der größten Betriebe 69 Prozent der Hilfsgelder. Der kleine Bauer kann als Nebenerwerbsbauer gerade noch so überleben, der große Agrarökonom, eher Monokulturen anbauend, wird reich. Der gegenseitige Austausch des Spitzenpersonals mit den konservativen Parteien und der „Seitenwechsel“ in gut bezahlte Posten der landwirtschaftsnahen Industrie ist bei Funktionären des Bauernverbandes praktisch die Regel. Aus diesem Grunde wird sich die Agrarpolitik auch nicht ändern, weil Großbetriebe entsprechend mehr Dünger, Futtermittel und Agrarchemie kaufen, als der kleine bayerische Familienbetrieb. Der BDM hat zutreffend festgestellt, dass die Interessenunterschiede und Kräfteverhältnisse zu groß sind. Nach den Gesetzen des Marktes ergibt eine Überproduktion sinkende Preise, was vorwiegend zu Lasten der kleinen Betriebe, des Tierwohls und der Umwelt geht.
Kernforderung des BDM ist deshalb die Milchmengenbremse, die scheinbar nun auch von der „CSU unterstützt wird, am Bollwerk im Bundeslandwirtschaftsministerium führt jedoch kein Weg vorbei“, ist BDM-Chef Stefan Mann skeptisch. Waren die vier Vorgänger von Ministerin Klöckner (Schmidt, Friedrich, Aigner und Seehofer) nicht alle bei der CSU? Eine imaginäre Koalition aus CSU, Freien Wählern und FDP nimmt die Existenzkrise der kleinen Milcherzeuger zur Kenntnis – setzt aber die Politik des „Wachsen oder Weichens“ fort.
Bei einer derartigen Export- und Weltmarktorientierung nützt ein Regionalsiegel nichts! Fast 50% des hier produzierten Fleisches und der Milcherzeugnisse werden exportiert. Deutschland ist heute weltweit der 3-größte Exporteur von Lebensmitteln. Schlagzeilen verursachten regelmäßig die deutschen Tiertransporte aus der EU (z.B. nach Tadschikistan). Deutsches Fleisch, Milch und Milchprodukte werden inzwischen weltweit gehandelt. Selbst die deutschen Schlachtabfälle ruinieren die heimischen Märkte in Afrika. Damit man so billig produzieren kann, hat Deutschland seine Zulassungen von Groß-Betrieben seit den 90er Jahren verxfacht. Die CSU, Freie Wähler und FDP setzten weiter auf eine Förderpolitik die industrielle Großbetriebe begünstigt und bäuerliche Landwirtschaft benachteiligt.
Bei Gesprächen mit einigen Landwirten werden diese von Verband und Politik verursachten Fehlentwicklungen hinter vorgehaltener Hand durchaus bestätigt.
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