Amberg
23.02.2024 - 16:44 Uhr

"Authentisch und ohne jede Sentimentalität": Das Junge Stadttheater Amberg zeigt "Wenn du einmal groß bist"

Was kann ein Vater dem Sohn als Erinnerung schenken, wenn der Tod nur eine Frage der Zeit ist? Bedřich Fritta ersann ein Büchlein, das die Shoah überstand und jetzt vom Figurentheater Pantaleon im Stadttheater Amberg in Szene gesetzt wird.

„Für Tommy zum dritten Geburtstag in Theresienstadt“ zeugt von der ungeheuren Liebe eines Vaters zu seinem Sohn, findet Alexander Baginski, der Leiter des Figurentheaters Pantaleon, „absolut authentisch und ohne jede Sentimentalität“. Dass Bedřich Fritta das lebensbejahende Mutmachbüchlein im Angesicht seines bevorstehenden Todes geschrieben und illustriert hat, macht es umso bewegender.

Bereits 1941 mit Frau und Sohn nach Theresienstadt deportiert, wurde der Zeichner und Karikaturist im Zuge der „Affäre der Theresienstädter Maler“ ins Gestapo-Gefängnis „Kleine Festung“ verbracht, gefoltert und anschließend nach Auschwitz deportiert, wo er kurze Zeit später starb.

Als die Stunde für die Inszenierung schlug

Nachdem auch Tommys Mutter in Theresienstadt verstorben war, nahm sich mit Erna Haas eine Freundin der Familie des Kindes an. „Nach der Befreiung und einem kurzen Aufenthalt in einem Kinderheim wurde er vom Ehepaar Haas adoptiert“, weiß Baginski. Tommys weiterer Lebensweg war unstet und von der Suche nach Heimatgefühl und Geborgenheit geprägt. „Er sagte von sich, dass er sich nirgendwo wirklich zu Hause fühle.“ Seine letzten Jahre verbrachte der von einer Kollegin als humorvoller und freundlicher Mensch Charakterisierte als Bücherei-Mitarbeiter in der Nähe von Mannheim.

Das Büchlein wiederum überstand, wohlweislich gut versteckt, die Zeit des Holocaust und wurde nach der Befreiung von einem Freund Frittas geborgen. „Tommy bekam das Buch von Leo Haas, seinem Adoptivvater, zu seinem 18. Geburtstag“, schreibt Baginski auf Nachfrage von Oberpfalz-Medien. Über Regensburg fand das wertvolle Zeitdokument dann seinen Weg ins Jüdische Museum Berlin.

Baginskis erster Kontakt mit dem Werk ist viele Jahre her: „Ich fand es in einem Antiquariat und war sofort so sehr berührt davon, dass ich es nicht mitnehmen konnte, da meine beiden Söhne zu der Zeit in Tommys Alter waren.“ Vergessen hat er das Buch aber nie: „Als meine Jungs dann erwachsen und aus dem Haus waren, hat die Stunde für die Inszenierung geschlagen.“

Die Welt im Kleinen wie im Großen

Die Auswahl, die dafür getroffen werden musste, ermögliche es, einen Erzählbogen zu spannen und das Verhältnis von Tommy zu seinem Vater und dessen Intention, die er mit dem Buch verband, anschaulich zu zeigen: „Denn er präsentiert ihm ja nicht weniger als die Welt im Kleinen wie im Großen, mit all ihrer Vielfalt und all ihren Möglichkeiten, die er sich für seinen Sohn gewünscht hat.“

Vier Akte sind es geworden, in deren Mittelpunkt die sinnliche Erfahrbarkeit dieses Schicksals steht. Der erste und dritte Akt stellen die Verhöre Frittas durch einen SS-Offizier nach: „Es war uns wichtig, dabei diesen Offizier nicht als Monster, sondern als durchaus gebildeten und trotzdem zynischen und skrupellosen Akteur des Regimes darzustellen.“ Der zweite Akt stellt einen „absoluten Kontrapunkt“ dazu dar und erzählt, „wie Bedudu, der Vater von Tommy, ihm wohl live die Welt, die in den Bildern dargestellt ist, erklärt hätte“. Der kurze vierte Akt ist als Epilog ausgestaltet, den Alexander Baginski als Leo Haas spricht.

David Haas, der Sohn von Tommy Fritta-Haas, zeigte sich nach der Premiere im Münchner NS-Dokumentationszentrum sehr bewegt: Man habe seinem Großvater seine Würde wiedergegeben, hinterließ er als Eintrag im Gästebuch. "Wenn es mit dem Stück gelingt, bei einem oder vielleicht zwei unserer oft jugendlichen Zuschauer das Denken in eine andere Richtung als Hass und Demagogie zu lenken, jenseits von Twitter, wäre schon einiges gewonnen", sagt Baginski: „Vielleicht verstehen sie dann besser, dass die Tränen des Leids bei allen Menschen gleich bitter schmecken.“ Und Bedřich Fritta würde seiner Mutmaßung nach wohl sagen: „Na so was! Ist aber gut so, weil vergessen geht nicht! Weitermachen!“

Hintergrund:

Zur Aufführung

  • Wenn du einmal groß bist, Figurentheater, Familienvorstellung mit Nachgespräch für Kinder ab 14 Jahren am Mittwoch, 28. Februar um 18.30 Uhr im Stadttheater Amberg
  • Tickets bei der Tourist-Information Amberg, Tel. 09621/ 101233
 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.