Amberg
12.06.2022 - 11:08 Uhr

Eigentümliche Apparate und Parallelwelten im Luftmuseum Amberg

Noch bis 31. Juli sind im Luftmuseum Amberg Werke des Kinetik-Künstlers Willi Reiche und der Bild-Composerin Lena Schabus zu sehen. Ein Composing ist ein Bildmotiv, das aus verschiedenen Bildern oder Bildteilen zusammengesetzt ist.

Von Peter Geiger

Der Hinweis „Bitte nicht berühren“ trifft im Erdgeschoss des Luftmuseums in Amberg tatsächlich ins Schwarze. Denn die Maschinen von Willi Reiche laufen permanent und unaufhörlich. Weshalb unbedacht Zugreifende Gefahr liefen, hineinzugeraten, ins Innenleben einer dieser sehr eigentümlichen Apparate. Und prompt verschlungen zu werden, von diesen geheimnisvoll agierenden Zahnrädern und Transmissionsriemen, die diese sich drehenden Ansammlungen von Alltagsgegenständen und Zeugnissen früher Technik in Bewegung versetzen.

Ein hölzernes Rollgerüst bildet dabei den bühnenartigen Rahmen für ein ebenso erstaunliches wie breitgefächertes Themenspektrum. Von „bodenständig“ bis in „luftige Höhen“ stellt Willi Reiche dabei Gegenstände einander gegenüber: So ziehen etwa Hosenklemmbügel ziellos ihre Bahnen, Polierscheiben wienern die Luft und Fellmützen wie auch Herrenhüte taumeln im Windzug der Gebläseschaufeln einer Windfege.

Seine Vorliebe für bewegte Kunst und Maschinen entdeckte der im Rhein-Sieg-Kreis beheimatete Willi Reiche Ende der 1990er- Jahre. Seit 2017 betreibt er oberhalb von Remagen die „Kunstmaschinenhalle“ – in der er eigene Arbeiten zeigt. Und ist damit Luftmuseumsgründer Wilhelm Koch gar nicht unähnlich, dessen Skulpturen aus Reifenschläuchen die permanente Sammlung bereichern. Diese Seelenverwandtschaft hat ihn auch angetrieben, sich für die Ausstellung „Blowin‘ in the Wind“ dem Gedanken der Luftigkeit zu verschreiben und neue Kunstmaschinen zu konzipieren.

Menschen und Maschinen

Für gewöhnlich dienen Maschinen dazu, unliebsame Arbeit abzunehmen – oder zumindest zu erleichtern. Die Kunstmaschinen des Willi Reiche aber, sie unterhalten und bringen uns zum Lachen, und zwar ganz einfach deshalb, weil sie skurril sind. Wie auch „Every Brass you take“: Hier senden sechs Schallbecher von Metallblasinstrumenten flüchtige Klang-Sinuskurven in die Luft und unterstreichen damit, dass „Brass“ den „Breath“ ersetzt. Auch das „Blaskonzert“ und die „Mobile Luftquirlstation“ inszenieren auf ebenso charmante wie augenzwinkernde Weise einen Maschinen-Kontext und verleihen so der Kunst des Willi Reiche eine philosophische Note.

Lena Schabus bezeichnet sich als „Bild-Composerin“. In ihrem Atelier in Regensburg im Andreasstadel arbeitet sie seit 2017 an einem alternativen Bildprogramm unserer spätindustriellen Moderne. Hier im Luftmuseum zeigt sie jetzt, oben im in der gotischen Hauskapelle, neue Arbeiten unter dem Titel „Emission“. In gewohnter Weise arrangiert die 1990 in Passau geborene Künstlerin am Computer ihre Gegenstände neu – hier ist es all das, was ausgesandt wird, an Schwaden von Dampf und Rauch und anderen Industrieabgasen, die aus riesenhaften Kamin-Apparaten hoch hinauf schießen in den Himmel. Ebenso stellt sich bei der Betrachtung ihrer Arbeiten ein verzögertes Aha-Moment ein – und zwar dann, wenn man bemerkt: "Oh, da stimmt doch was nicht!"

Auf dem Holzweg

Zwar sind alle von ihr gezeigten Elemente wahrhaft und dokumentarisch. Aber halt nicht in dieser Kombination und Dimension. Lena Schabus aber rollt die Realität neu auf. Und erschafft dabei Parallelwelten, die so aussehen, als ob’s wirklich so sein könnte. Die Betonung liegt auf dem Konjunktiv. Die Zeitspanne hinauszuzögern, bis man bemerkt, dass man sich auf den Holzweg hat führen lassen, das mag Lena Schabus sehr gern. Und führt dies in meisterhafter Manier vor, mit ihren Emissionen.

Hintergrund:

Zwei Sonderausstellungen

  • Beide Sonderausstellungen laufen noch bis 31. Juli.
  • Die Öffnungszeiten: Mittwoch und Donnerstag von 14 bis 18 Uhr, Freitag Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 11 bis 18 Uhr.
  • Weitere Informationen: 09621/420883 oder www.luftmuseum.de
 
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