Von Mariella Kramer
Politiker haben den Jura-Werkstätten in Amberg einen Besuch abgestattet: die Bundestagsabgeordneten Susanne Hierl (CSU) und Nils Gründer (FDP) sowie Landtagsabgeordneter Bernd Heinisch. Eingeladen hatte sie Joachim Gradl, Vorsitzender des Werkstattrats, um ihnen sein Anliegen vorzutragen. Wie sich Gradl wünscht, sollen die Politiker auf Bundes- und Landesebene "Druck machen und so eine Nachbesserung des Gesetzentwurfs zum Entgeltsystem in Werkstätten für Menschen mit Behinderung erzielen".
„Unsere konkreten Forderungen sind eine ordentliche Entlohnung für unsere Werkstatt-Beschäftigten, mehr Wertschätzung für ihre Arbeit und leichtere Verfahren bei den Antragsstellungen“, sagte Joachim Gradl. Unterstützung für sein Anliegen erhielt er von seinen Kollegen aus den Werkstätten in Amberg und Sulzbach-Rosenberg sowie von Geschäftsführer Bernhard Albrecht und Verwaltungsleiter Christian Schafbauer. Live zugeschaltet war zudem Juliana Weber, die Referentin der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte Bayern.
Zusätzlich Grundsicherung
Wie es bei dem Gespräch hieß, sei der Lohn für die Arbeit in Werkstätten für Menschen mit Behinderung so niedrig bemessen, dass die meisten Beschäftigten zusätzlich Grundsicherung beantragen müssten oder nach 20 Jahren Werkstatt die Erwerbsminderungsrente bekommen, damit das Geld zum Leben reiche. Laut einer vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Auftrag gegebenen Studie aus dem Jahr 2023 bezogen fast alle Beschäftigten aus Werkstätten für Menschen mit Behinderungen im Jahr 2019 weniger als 325 Euro im Monat. Die Hälfte der Beschäftigten habe sogar weniger als 150 Euro verdient.
„Wir würden uns wünschen, dass der Lohn so angepasst wird, dass wir nicht auf zusätzliche Sozialleistungen angewiesen sind, die mit einer aufwändigen und sich jährlich wiederholenden Bedürftigkeitsprüfung verbunden sind“, sagte Gradl. Es sei vielen Betroffenen unverständlich, warum ein Mensch, der mit einer geistigen Behinderung auf die Welt gekommen ist, jedes Jahr aufs Neue geprüft werden müsse, um wie „Bittsteller“ bei den verschiedenen Ämtern an sein Geld zu kommen.
"Lohn absichtlich niedrig gehalten"
Der derzeitige Gesetzesentwurf zur Entlohnung von Werkstatt-Beschäftigten sollte eigentlich eine deutliche finanzielle Entlastung bringen. In der Realität hat er laut Gradl aber deutliche Schwachpunkte, die gerade die leistungsstarken Mitarbeitenden benachteiligen würden. Es habe den Anschein, dass der Lohn absichtlich niedrig gehalten werde, fand LAG-Referentin Juliana Weber. Dadurch sollten Menschen motiviert werden, von den Werkstätten in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu wechseln. Dafür aber müsste sich dieser weiter grundlegend ändern. „Wir sehen an unseren Außenarbeitsplätzen, dass die Inklusion unserer Mitarbeitenden nur dann funktioniert, wenn die Maßnahmen engmaschig von pädagogischem Personal begleitet werden", erklärte Bernhard Albrecht, Geschäftsführer der Jura-Werkstätten. "Das wird derzeit aber nur durch die Werkstätten sichergestellt."
Den Schritt, Werkstatt-Beschäftigte sozialversicherungspflichtig bei sich anzustellen, wollen nur wenige Unternehmen gehen, so die Erfahrung von Job-Coach Ulrich Günther. Die Bereitschaft, ausgelagerte Arbeitsplätze zu stellen, sei dagegen mittlerweile gut etabliert und könne weiter ausgebaut werden. „Wir als Union setzen uns für ein erhöhtes Arbeitsförderungsgeld ein", sagte Bundestagsabgeordnete Susanne Hierl. "Insbesondere fordern wir, dass der Lohn nicht gedeckelt wird, da das vor allem leistungsstarke Werkstatt-Beschäftigte benachteiligt."
Auf Mindestlohnniveau oder höher
Hierl und Nils Gründer signalisierten, die Forderungen des Werkstattrats an Stellen und Gremien zu bringen, die etwas bewirken können. „Werkstätten sind ein wichtiger Fixpunkt für Menschen, die keinen Fuß auf dem ersten Arbeitsmarkt fassen können", sagte Gründer. Daher sei es umso wichtiger, ein Entgeltsystem für Werkstatt-Beschäftigte zu etablieren, das deren finanzielle Situation auf Mindestlohnniveau oder höher verbessere. Nils Gründer kündigte an, dass der Bundestag dazu in den nächsten Monaten intensiv beraten werde.
Landtagsabgeordneter Bernd Heinisch sicherte zu, "sollte das Gesetz in seiner jetzigen Form beschlossen werden, im Nachgang Druck zu machen, um eine bessere Lösung im Sinne der Werkstatt-Mitarbeitenden zu erzielen". Werkstattratsvorsitzender Joachim Gradl und seine Kollegen zeigten sich zufrieden mit dem Gespräch. Sie hoffen nach eigener Aussage "dass die bundesweiten Forderungen der Werkstatt-Räte Gehör finden werden".
Diesen Text hat Mariella Kramer verfasst. Sie ist Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Lebenshilfe Amberg-Sulzbach, unter deren Dach die Jura-Wohnstätten ein eigener Verein sind.
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