Als heuer im März vor dem Schwandorfer Amtsgericht verhandelt wurde, da saß ein Rentner auf der Anklagebank, der es in seinen bis dahin 75 Lebensjahren zu sage und schreibe 40 Vorahndungen gebracht hatte. "Seit 1965 begehen Sie Straftaten", tadelte ihn die Richterin im Prozessverlauf und hörte sich an, was diesmal zur Debatte stand.
Der dem Rentner von der Staatsanwaltschaft gemachte Vorwurf war eigentlich von vornherein erwiesen. In einem Brief an das Schwandorfer Amtsgericht hatte sich der 75-Jährige über einen Mann, den er offenbar nicht sonderlich gut leiden konnte, in drastischer Form geäußert und ihm in dem Schreiben nahegelegt, er möge sich "in neurologische Behandlung begeben."
Dass diese Bemerkung fiel, wurde vor der Richterin nicht in Abrede gestellt. Denn letztlich gab es den Brief als Beweisstück. Doch bei der Erörterung des Sachverhalts stellte sich die Frage: War das eine Beleidigung? Die in der Sitzung anwesende Staatsanwältin bejahte dies und beantragte acht Wochen Haft. "Über Bewährung brauchen wir wegen der Vorstrafen nicht zu reden", hieß es im Plädoyer.
Im Schlussvortrag und auch schon über den gesamten Verfahrensverlauf hinweg hatte Verteidigerin Wayumi Weinmann (Regensburg) einen völlig konträr zur Auffassung der Staatsanwaltschaft stehenden Standpunkt vertreten. Die von ihrem Mandanten gewählte Formulierung sei vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, argumentierte sie und verlangte Freispruch. Dabei bezog sie sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. "Ja, das war eine Beleidigung", hielt die Amtsrichterin in ihrem Urteil fest. Eine Haftstrafe sei aber zur Ahndung nicht notwendig, hieß es. Allerdings bekam der 75-Jährige aus dem südöstlichen Kreis Schwandorf eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40 Euro (2400 Euro).
Vor der Dritten Strafkammer des Amberger Landgerichts wurde der Fall mutmaßlicher Beleidigung nun in einem Berufungsprozess noch einmal ausgeleuchtet. Die von dem Rentner gewählte Formulierung stand fest, wobei allein die Frage wichtig war: Erfüllte sie einen strafbaren Tatbestand? Die Richter der Strafkammer unter Vorsitz von Peter Hollweck gelangten zu der Meinung, dass die Worte zwar heftig gewesen seien, man sie aber dem Recht auf freie Meinungsäußerung zuordnen könne. Die Konsequenz daraus war, wie von der Verteidigerin gefordert, ein Freispruch. Damit hat die Staatskasse für die Prozesskosten einzustehen.
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