Amberg
20.12.2021 - 12:04 Uhr

Hervorragende Tänzer bitten Zuschauer ins Wunderland des Balletts

Die Geschichte von Alice im Wunderland ist bekannt. Jedoch als Ballett-Produktion der Delattre Dance Company aus Mainz war die wundersame Handlung rund um die Abenteuer, die ein kleines Mädchen erlebt, etwas ganz Besonderes im Stadttheater.

Ein Mädchen trifft ein weißes Kaninchen, folgt ihm und steht vor vielen Toren. Mit einem Schlüssel öffnet es die kleinste Tür, schlüpft hindurch, begegnet der Grinsekatze und der Raupe, feiert eine Teeparty beim verrückten Hutmacher und lernt die Herzkönigin mit ihren Soldaten kennen. Das Mädchen heißt Alice, das Buch über ihren Besuch im Wunderland veröffentlichte der Schriftsteller Lewis Carroll 1865, und Stephen Delattre hat daraus 2020 ein modernes Story-Ballett gezaubert.

Voller verrückter Einfälle steckt schon das Buch, das längst zu den Klassikern der Literatur zählt. Der Tanzabend der Delattre Dance Company am Freitagabend im Amberger Stadttheater überbietet die Vorlage noch. Tanz, Musik, Projektion, Lichtdesign und Kostüme verschmelzen zu einer grandiosen Fantasiekomposition. Farben setzen Akzente, Töne ticken im Lebenstakt, schwellen an zum großen Gefühlssturm und schwingen sanft aus. Sie vereinigen sich im Walzer und verklingen in bekannter Schwanenballett-Melodie.

Hebung und Drehung

Davidson Jacconello liefert den vielfarbigen Klangteppich, ein ehemaliger Balletttänzer, der sich der Musik verschrieben hat. Stephen Delattre gestaltet. Er bedient sich beim bekannten Text und formt und modelliert eigene Ideen, choreographiert ungewöhnliche Gruppenbilder und Hebefiguren, erfindet einen schwarzen Hasen zum weißen Kaninchen, bringt damit Gut und Böse ins optischen Spiel. Schwarze Schmetterlinge wirbeln über die Bühne, und Blumen erblühen im klassischen Spitzentanz. Ein Pas de deux von Kaninchen und Alice überrascht mit völlig neuer Hebung und Drehung. Modern und temporeich fegen die Figuren von dunklen Gespensterszenen zu heiter-skurrilen Momenten. Aus den projizierten Szenenbildern wachsen dreidimensionale Pilze, Gespensterbäume oder Mauern, die Labyrinthe bilden. Ein Thron wird gebaut, der rote Teppich ausgerollt und mit einer Riesenteekanne jongliert. Davor, daneben, dazwischen die fantastischen, durchtrainierten Tänzer. Ihre große Kunst liegt im Ausdruck, der Bewegung, dem Spiel. Jede Rolle verlangt den eigenen Charakter: Die sanfte, neugierige und beharrliche kleine Alice (Melanie Andre), die bösartige Herzkönigin (Valerie Pelletier), der quirlige weiße Hase (Valerio Testoni), der verrückte Hutmacher (Noa Siluvangi), die biegsame Raupe (Domitille Demaret). Das gesamte Corps de Ballet überzeugt als Solisten wie in der Gruppe.

Heitere Szenen

Alice nimmt es mit allen Herausforderungen des Wunderlandes auf, wo sie selbst mal groß wird und mal klein. Jeder Auftritt hat vielschichtige Bedeutung. Heitere Szenen mit dem verrückten Trio Hutmacher, Märzhase und Siebenschläfer wechseln mit düsteren Sequenzen wie dem herrischen Auftritt der Herzkönigin und ihrer Soldaten, dem Reigen der schwarzen Schmetterlinge oder dem Erscheinen der spektakulären Glitzerraupe. Das Thema Metamorphose, Verwandlung, ist der rote Faden dieser Interpretation, die Delattre in seine ganz eigene, modern-klassische Tanzsprache übersetzt hat.

Dramatik, Leichtigkeit, Fantasie – alles steckt in dieser Wundertüte. Einige Kapitel sind erkennbar, andere neu geschrieben und getanzt So gibt es hier nicht nur das weiße Kaninchen mit Weste und Taschenuhr. Plötzlich taucht das Pendant in Schwarz auf. Wobei die Produktion nicht auf schwarz-weiß setzt. Ganz im Gegenteil. Die Farbpalette wird voll ausgereizt, auch bei den fantasievollen Kostümen und der virtuosen Videoinstallation. Kleine wie große Zuschauer waren begeistert und dankten mit langem Applaus.

Amberg14.12.2021
 
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