Amberg
26.01.2024 - 11:04 Uhr

Historischer Horrortrip: "Die Reise der Verlorenen " im Stadttheater Amberg

Ein Transatlantikliner, 937 Schicksale und kein sicherer Hafen: Diese wahre Geschichte inspirierte Schriftsteller Daniel Kehlmann zur "Reise der Verlorenen", die Regisseur Thomas Luft jetzt auf die Bühne des Amberger Stadttheaters bringt.

Die Zeichen stehen auf Holocaust, als das deutsche Passagierschiff St. Louis im Mai 1939 mit 937 jüdischen Passagieren an Bord von Hamburg aus Richtung Kuba in See sticht. Aus der Passage in eine sichere Zukunft sollte jedoch eine Irrfahrt werden, die für viele der Emigranten mit dem Tod endete, dem sie zu entfliehen versuchten.

Schriftsteller Daniel Kehlmann nahm sich dieses Stoffes an und rückte das wahre Drama unter dem Titel "Die Reise der Verlorenen" ins Rampenlicht der Theater. Für Regisseur Thomas Luft, der das Stück mit "Theaterlust Productions" auf die Bühne des Stadttheaters Amberg bringt, stand nach der Lektüre direkt fest: "Das will ich machen." Auch, weil er sofort Bilder und Ideen im Kopf hatte, wie sich die Textvorlage umsetzen lässt, erzählt er am Telefon.

Kehlmanns ursprünglich für das Theater in der Josefstadt in Wien verfasstes Stück zeichnet sich für Luft durch Unkonventionelles aus: Aufbruch der "vierten Wand" zum Publikum, kein dramaturgisches Klein-Klein, eher dokumentarisches Theater mit trotzdem starkem dramaturgischen Bogen. Darüber hinaus fordere der Autor durch seine Fassung, sich etwas einfallen zu lassen in Sachen Inszenierung.

Schiffsbrücke auf der Bühne, Fluss als Tanz

Thomas Luft dampfte zuerst einmal die große Besetzung auf höchstens acht Akteure ein. Eine Idee, von der Kehlmann zunächst überzeugt werden musste, so der Regisseur. Weiter ging es mit dem Fluss als speziellem Akzent: "Weil es ja eine Reise ins Ungewisse ist." Der auf den Färöer-Inseln beheimatete Choreograf Búi Rouch übersetzte dafür die permanente Bewegung in eine Art Tanz, bei dem sich aus der Kreisbewegung heraus Aktionen ergeben. Im Rahmen eines einwöchigen Workshops mit dem Ensemble entwickelte sich auch das Muster, das wie ein roter Faden durch den Abend führt – "eine eigene Assoziationsebene", so Luft.

Dazu komponierte Videokünstlerin Manuela Hartel einen Bilderbogen unter anderem mit Original-Material aus dem Archiv der Reederei Hapag. Das nicht zuletzt aufgrund der Tournee-Situation schlicht gehaltene Bühnenbild arbeitet wiederum mit einer Podesterie im Hintergrund, die auch als Schiffsbrücke fungiert, und zwei Rahmen mit drehbarer Achse, die sich aufklappen oder zum Schiffsbug schließen lassen, erläutert der Regisseur, der weniger dem Star-Theater als dem Theater als Star anhängt.

Kein erhobener Zeigefinger

Seinen eigenen Zugang zum Thema fand Luft übrigens nach der Kehlmann-Vorlage in weiterer Lektüre, etwa des Buches "The Voyage of the Damned" von Gordon Thomas und Max Morgan-Witts, ebenso wie im persönlichen Kontakt zum Großneffen des Kapitäns der St. Louis, der unter anderem auch die Erkenntnis mit sich brachte, dass Gustav Schröder ein ambitionierter Standard-Tänzer war.

Und obwohl weder Kehlmann noch Luft mit erhobenem Zeigefinger hantieren und Humanität durchaus eine Rolle spielt, die Parallelen zur aktuellen gesellschaftlichen und politischen Lage lassen erschaudern: "Und es wird jeden Tag aktueller", so der Regisseur, der sich auch fragt, was die Menschen eigentlich noch brauchen, um nicht wieder auf das hereinzufallen, was lange als überwunden galt.

Insofern sei es schon schade, dass meistens nur diejenigen den Weg ins Theater fänden, die sich ohnehin für Erinnerungskultur interessierten. Wobei: Manchmal stoße er nach der Vorstellung durchaus auf Besucherinnen und Besucher, die den Stoff dann doch anstrengend fanden und zwei Stunden leichtere Unterhaltung bevorzugt hätten, erzählt Luft.

Der Regisseur, der in Amberg als Gastspielleiter vor Ort sein wird, findet einen solchen Austausch jedoch völlig in Ordnung: "Ich verkrieche mich nicht. Ich hoffe, dass man auch in Amberg hinterher ins Gespräch kommt." Denn miteinander zu sprechen sei in jedem Fall und übers Theater hinaus immer besser als nicht zu reden.

Hintergrund:

Zur Aufführung

  • Die Reise der Verlorenen: Schauspiel von Daniel Kehlmann; am Samstag, 3. Februar, um 19.30 Uhr im Stadttheater Amberg. Tickets bei der Tourist-Information Amberg unter Telefon 09621/101233.
  • Produktion: "Theaterlust Productions GmbH"; Regie: Thomas Luft; Choreografie: Búi Rouch; Video: Manuela Hartel; Musikalische Leitung: Jonathan Wolters und Florian Mio.
 
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