Der Silvesterabend als erster Konzerttermin für das 1998 frisch gegründete Amberger Sinfonieorchester sei eigentlich mehr eine Verlegenheitslösung gewesen, erinnert sich Thomas Appel. Als aber im darauffolgenden Jahr wieder nur der letzte Tag des Jahres in Frage kam, machte man aus der Not eine Tugend: „So werden Traditionen geboren“, bilanziert der Dirigent die organisatorischen Hürden der Anfangstage mit einem Lächeln.
Die Premiere zerstreute schnell alle im Vorfeld aufgestaute Anspannung: „Soweit ich mich erinnern kann, war es ein sehr schönes Konzert“, sagt Appel, „wir hatten eine Symphonie von Tschaikowsky im Programm.“ Und sie erfüllte den Musikerinnen und Musiker, die zuvor in loser Formation mit dem Amberger Oratorienchor aufgetreten waren, den lange gehegten Wunsch nach einem eigenständigen Ensemble.
Von der ursprünglichen Besetzung sind heute noch sieben Orchestermitglieder mit von der Partie. Zum „inneren Kern“ zählen laut Dirigent 60 Musikerinnen und Musiker, im erweiterten Netzwerk finden sich inzwischen fast 150 Namen: „Dabei versuchen wir stets, qualifizierte Musiker aus der Region zu binden, die natürlich auch menschlich in die Gruppe passen.“
Gerade dieser Aspekt sei nicht zu unterschätzen, wenn es um den austarierten Orchesterklang geht. Letzterer hat sich natürlich über die letzten 25 Jahre verändert. Weil aber die Qualität stetig gewachsen sei und man zuletzt wenig Fluktuation hatte, sei er mittlerweile „schön rund und ausgewogen homogen“.
"Rundum-sorglos-Paket"
Zu den Höhepunkten der Orchestergeschichte rechnet Appel im besonderen die Tatsache, dass in den letzten Jahren jedes Instrument mindestens einmal mit einem Solokonzert zu hören war. Gerne verzichtet hätte er dagegen auf Solisten-Koffer, die nicht mit im Flugzeug waren, Konzertkleidungskäufe an Silvester oder telefonische Krankmeldungen am Konzerttag.
Für den Jubiläumsabend verspricht er ein „Rundum-sorglos-Paket“ mit traditionellen Werken, Filmmusik und jeder Menge spritziger und kurzweiliger Momente. Ein besonderes Glanzlicht wird Max Bruchs Meisterwerk, das Violinkonzert Nr. 1, mit Konzertmeisterin Valerie Rubin als Solistin setzen. "Man kann mit der hoch romantischen Musik die ganze Seele öffnen und jedes Gefühl ausdrücken. Die drei Sätze haben völlig unterschiedliche Charaktere, aber das Werk ist trotzdem kompakt und bleibt spannend vom ersten bis zum letzten Ton“, schreibt die in New York geborene Violinistin. Sie wurde vor etwa 20 Jahren von ihrer Freundin und ehemaligen Bamberger Symphonikerin Brigitte Gerlinghaus den Ambergern als Konzertmeisterin empfohlen. Mit Gerlinghaus wechselte sie sich bis vor zweieinhalb Jahren auf dieser Position ab.
Aus New York nach Bayern
Rubins Weg von der berühmten Juilliard School of Musik in New York nach Bayern führte über die Stationen Salzburg, Neuss und Bamberg: „Dort habe ich meinen Mann Martin Timphus, Bratschist bei den Bamberger Symphonikern, kennengelernt. Kurz danach habe ich die Stelle am damaligen Konservatorium in Nürnberg, jetzt Hochschule für Musik, bekommen. Ab diesem Zeitpunkt war es klar, dass ich in Bayern bleiben würde.“ Ihre erste Europareise hatte übrigens einen Meisterkurs mit Geigen-Legende Yehudi Menuhin in Gstaad/Schweiz zum Ziel: „Er war ein feiner Mensch und Musiker und ein Inspiration für junge Leute.“
Ihre persönlichen musikalischen Vorlieben orientieren sich an dem, was sie gerade im Moment spielt: „In der klassischen Musikwelt haben wir Geigenspieler das große Glück, dass es aus jeder Zeit hervorragendes Repertoire für uns gibt“. Aber auch Volksmusik und Jazz ist sie nicht abgeneigt: „Ich bin Amerikanerin und mit amerikanischen Musicals aufgewachsen, mein erster Geigenlehrer war ein ungarischer Geiger, und mein Vater spielt jiddischen Klezmer. Für mich gibt es nur die Trennung zwischen guter und schlechter Musik.“
Thomas Appel schätze sie als unglaublich netten, kollegialen und unterstützenden Dirigenten: „In den Proben verbreitet er eine ruhige, familiäre Atmosphäre, die alle sehr schätzen. Und er ist ein begeisterter Musiker, der sich immer ausführlich Gedanken über das Repertoire, die Interpretation und die Aufführung macht.“ Außerdem schenke er immer gerne seine Zeit, wenn man ihn braucht und sei offen für Vorschläge und Beratung – „eine Eigenschaft, die man bei Dirigenten nicht oft findet“.
Zukunft noch offen
Für die nächsten 25 Jahre wünscht sie sich und dem Amberger Sinfonieorchester „die gleiche Freude am Musikmachen und Erfolg wie bis jetzt“. Thomas Appel bleibt verhalten: „Mittlerweile zwingen uns verschiedene Faktoren dazu, nur noch ein bis zwei Jahre vorauszublicken. Solange es möglich ist, wollen wir das Orchester weiterentwickeln. Man merkt dem Ensemble die Freude am gemeinsamen Musizieren deutlich an. Einige Musiker nehmen eine weite Anreise in Kauf, um in Amberg dabei zu sein. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, können wir Silvester im Stadttheater gerne noch ein wenig den Jahreswechsel einläuten.“
Für zusätzliche Konzerte des Amberger Sinfonieorchesters über Silvester und Oratorienchor hinaus, sieht er übrigens wenig Chancen: „Würden wir gerne machen, aber mittlerweile ist Zeitmangel ein großes Hindernis. Die Vorbereitungen für ein derartiges Konzert binden sehr viele Zeitressourcen, da bleibt nicht mehr viel Luft“.
Zum Konzert
- *Silvesterkonzert mit dem Amberger Sinfonieorchester* am Sonntag, 31. Dezember um 19 Uhr im Stadttheater Amberg, Werke von Bruch, Strauss, Rossini, von Suppè, Hérold, Williams.
- Tickets bei der Tourist-Information Amberg unter Telefon 09621/101233.
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