Eigentlich hofften Museumsleiterin Julia Riß und ihr Team auf einen ausgelassenen Abend – mit vielen Gästen und Gedränge, dem offenen Buffet und Musik. Dennoch gelang es ihnen, auch wenn die Landesregierung die Verantwortung in Sachen Corona-Maßnahmen auf die Betreiber der Kunst- und Kulturstätten abwälzt, durch ihre kreative Konzeption einen erlebnisvollen Abend für Familien zu gestalten. Mehrere Quantensprünge durch Raum und Zeit sozusagen. Mit stündlichen Führungen konnten Gruppen und Familien das Geschehen verschiedener Epochen live erleben.
Die Hingabe und das Wissen der Protagonisten spielte hier eine erhebliche Rolle. In der Adler-Apotheke, der wohl ältesten Städte-Apotheke Bayerns, mischte der Alchemist Robert Winkler spezielle Tinkturen mit Mörser und Stößel und 90 Prozent Ethanol. Dabei entstanden Salbei-Saft für den rauen Rachen oder ein wohltuendes Kamillenbad. Er schätze sein Können des Mischens auf generationsübergreifende Kunst – von Wirtsleuten zu Medizinern sei der Sprung nicht so weit. An sein früheres Leben könne er sich jedoch nicht erinnern, erklärte Winkler mit Augenzwinkern.
Schwarzpulver und Gänsefeder
Erlebnisreich waren auch die Stationen von Cantus Ferrum. Tobias Weidler stellte mittelalterliche Waffenarten vor und zeigte, wie 12 bis 14 Schuss mit Schwarzpulver auf die brennende Lunte platziert werden, bis es kracht – jedoch ohne Sound- oder Raucheffekt zur Sicherheit. Sein privates Heiligtum, die Bibel des Zweikampfes von Hans Thalhofer, durften Besucher durchblättern. Weniger ernst war es bei Christina Baringer. Die holde Maid führte ein in das Hofämterspiel mit Karten, die dem Tarot gleichen. Auch um Münzen konnte gewettet werden – beim Glückshausspiel. Der Kanzleischreiber der Stadt, Volker Baringer, kümmerte sich derweil um die Ratsbücher und Listen, die der städtischen Organisation dienten. Dazu musste er Farbpigmente nach historischen Tinten-Rezepten anmischen und seine Gänsefeder zum Schreiben spitzen.
Lebende Modepuppen
Claudia Fehringer machte Mode. Anhand der Verarbeitung von Schafrohwolle, dem Kämmen, Spinnen, Verzwirren und Weben gab sie Einblick in die mittelalterliche Stoffherstellung und erklärte das Färben mit Blauholz oder Zwiebeln. Für eine Überraschung sorgte das Museums-Team: Michael Herzog, der feine Mann mit Stock und Zylinder, Dagmar Lehner, entsprungen den goldenen Zwanziger-Jahren, Ingrid Strobl, das Mannequin der Modezeit, und Leiterin Julia Riß als strenge weibliche Führungskraft der Nachkriegszeit in den Fünfzigern, positionierten sich in die Reihe der Modepuppen, um Besucher durch Bewegen zu erschrecken.
Obgleich Julia Riß, die im Januar 2020 die Leitung übernahm, einen frustrierenden Start durch die Folgen der Pandemie erfahren musste, steckt sie voller Enthusiasmus, hinter dem sich geballtes Wissen und Ideenreichtum positioniert. Mit ihr gelingt es, junges Publikum in das Stadtmuseum Amberg zu ziehen.
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