"Es tut mir eigentlich schon leid. Ich hätte die ganze Geschichte auch anders haben können und wollen." Es ist ein aufgeräumter Vorsitzender, der am Freitagvormittag in die AZ-Redaktion kommt, die ihn zu dieser Stellungnahme zu Beginn des neuen Jahres ermuntert hat. Tatsächlich geht der SPD-Chef sachlich mit dem Thema um, ist weit entfernt von persönlichen Angriffen oder einem Nachtarocken unter der Gürtellinie.
Aber er redet natürlich Tacheles und geht unter anderem aufs vielvermutete Thema "Stutenbeißen" oder "Zickenkrieg" ein. Nein, es ist nach seinen Worten nicht so, dass sich Brigitte Netta (seit 1996 im Stadtrat) und OB-Kandidatin Birgit Fruth (seit 2014 dabei, seit 2015 Fraktionschefin) nicht hätten leiden können. Im Gegenteil habe Letztere die amtierende Bürgermeisterin als Herausforderin von Michael Cerny sogar vorgeschlagen, nachdem Uli Hübner seine Kandidatur überraschend zurückgezogen hatte. Netta zeigte laut Seibert Interesse, habe von Juli bis Dezember 2018 darüber nachgedacht, um sich dann doch dagegen zu entscheiden.
OB-Wahl: Fruth ließ Netta Vortritt
Der Hauptgrund nach Darstellung des SPD-Chefs: Die Bürgermeisterin wollte erst das Wahlprogramm aufgestellt sehen und dann ihre Kandidatur erklären. Seibert meinte beharrlich, es gehöre sich andersherum, dass erst der Spitzenvertreter und weitere Kandidaten auf der Liste bekannt sein müssten, deren Interessen schließlich auch einzubringen seien. Trotz vier oder fünf Treffen habe sich diese Differenz nicht ausräumen lassen. Erst als die Absage feststand, sei Birgit Fruth in die Bresche gesprungen und habe trotz mancher Verärgerung über Netta den Spitzenposten und die Mitgestaltung des Programms angenommen. Was dann folgte, ist die bekannte Entwicklung vor und um die Nominierungsversammlung, über die Martin Seibert auch seine eigene Meinung hat.
Er findet, dass jeder potenzielle Kandidat schon bei der entscheidenden SPD-Vorstandssitzung Mitte Mai 2019 hätte anwesend sein müssen, um sich und seine Beweggründe wenigstens kurz zu erklären. Brigitte Netta, die prinzipiell eingeplant war und schon wegen ihres Bürgermeisteramts als Stimmenzugpferd galt, habe aber an jenem Tag einen Auftritt als Fachreferentin (nicht für die Stadt) wichtiger genommen als den SPD-Termin.
Auch danach habe sie sich nicht wie alle Kandidaten, und wie es der Genossenchef wollte, schriftlich, sondern nur mündlich zum beabsichtigten Wiederantritt geäußert. Mit Platz 7 auf der Liste war sie zunächst nicht zufrieden, um dann dennoch am Nominierungsabend auf Vorschlag von Florian Fuchs an dieser Stelle zu kandidieren und durchzufallen. Die weitere Entwicklung bis hin zur Gründung einer eigenen Fraktion (Für Amberg) zusammen mit den ebenfalls abtrünnigen SPD-Leuten Hannelore Zapf und Daniel Holzapfel ist bekannt.
Weitgehend unbekannt ist hingegen ein zusätzlicher Grund, den Martin Seibert fürs Entfremden von SPD und Netta nennt. Die Bürgermeisterin habe "häufig" in Stadtrat und anderen Gremiumssitzungen nicht mehr mit ihrer Fraktion gestimmt. Bei wichtigen Entscheidungen habe sie gar "oft" den Saal verlassen, anscheinend um kritische Entscheidungen zu vermeiden und das von ihr selbst transportierte Bild zu wahren, wie Seibert meint.
Oft gefehlt und nicht mitgestimmt
Offenbar habe sie sich hier auch im Konflikt mit ihrem Amt als Bürgermeisterin gesehen, glaubt der SPD-Chef, der ferner kritisiert, dass Netta auch zunehmend bei Fraktionssitzungen gefehlt habe oder früher gegangen sei. "Wo ist da das Interesse für die Partei?", lautet seine rhetorische Frage, ohne dass er die Antwort selber gibt. Ihm sei jetzt das Wahlprogramm der SPD und die Arbeit daran wichtiger als das Aufarbeiten einer zerrütteten Beziehung, die wohl eh nicht mehr zu kitten ist.
Schon im Vorstand Krach
Bei der Jahreshauptversammlung des SPD-Stadtverbands 2017 wollte die damalige Vorsitzende Hannelore Zapf nicht, dass Martin Seibert wieder für ein Vorstandsamt kandidiert. Sagt zumindest dieser selbst und nennt damit einen weiteren Grund für das abgekühlte Verhältnis. Er habe diese Forderung abgelehnt, woraufhin Zapf ihrerseits nicht mehr angetreten sei. Mit ihr verließen schon damals, offensichtlich aus „Solidarität“ mit Zapf, Brigitte Netta und Daniel Holzapfel den Vorstand des Stadtverbands. Für Seibert der Anfang des längst komplett zerschnittenen Tuchs.
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