Der Prozess am Schöffengericht war völlig ungewöhnlich. Allein schon wegen seines spektakulären Auftakts. Da saß ein junger Mann aus Auerbach, der sich als Informant des Bundesverfassungsschutzes zu erkennen gab, seine Rolle als in dunklen Kreisen recherchierender freier Journalist andeutete, von der Aufnahme in ein Aussteigerprogramm redete und dafür ebenfalls den Verfassungsschutz als Veranlasser nannte. Zuvor hatten Polizeibeamte den momentan inhaftierten 27-Jährigen gefesselt zur Anklagebank geführt.
Nach Haft obdachlos
Die Richter kamen aus dem Staunen nicht heraus. Wen hatten sie da vor sich? Die von Staatsanwältin Manuela Zeller erhobenen Vorwürfe machten deutlich: Ein zuletzt nach Haftentlassung obdachloser Gewalttäter, der an einem Wochenende im Juli 2018 zum brutalen Feldzug durch seine Heimatstadt gestartet war.
Im Verlauf der folgenden Verhandlungsstunden wurden dann fünf Vorfälle abgehandelt, die sich in ihrer Gesamtschau wie eine Orgie der Brutalität ausnahmen. Am Abend des 19. Juli kurz nach 23 Uhr und dann noch einmal vier Stunden später erschien der Mann in der Wohnung eines Kumpels, der ihm zuvor Quartier gegeben und ihn dann hinausgeworfen hatte. Das Opfer wurde mit Fausthieben und Tritten traktiert. Der Täter flüchtete und tauchte am Nachmittag des 20. Juli an der Wohnung einer jungen Frau auf, die ihn ebenfalls bei sich aufgenommen und dann die Türe gewiesen hatte. Er zog sich Quarzhandschuhe an und drosch zu, als seine Ex-Partnerin heimkam. Dann trat er die am Boden liegende Frau mit Füßen. Sie musste ins Krankenhaus. Nur wenig später startete der 27-Jährige eine weitere Aktion. Diesmal schlug er einen Polizeibeamten, der sich nicht im Dienst befand. Auch dieses Opfer erlitt erhebliche Blessuren. Unterdessen hatte die Auerbacher Polizei eine Fahndung nach dem Schläger eingeleitet. Er wurde gestellt, festgenommen und zur Wache gebracht. Dort tobte er wie ein Berserker, leistete Widerstand spuckte um sich. "Erschießt mich doch", soll er dabei ausgerufen haben. Ein Alkotest ergab 0,0 Promille.
Von der Anklagebank aus begann der 27-Jährige mit umfangreichen Erläuterungen. Sie dienten fast alle seinen persönlichen Befindlichkeiten. Die Taten selbst hatte er bei ersten Befragungen durch Beamte der Amberger Kripo zugegeben. Doch von einer angeblichen Tätigkeit als angeheuerter Informant des Verfassungsschutzes war dabei keine Rede.
Nahezu eineinhalb Stunden lang referierte die Psychiaterin Anna-Christine Wunder-Lippert (Nürnberg) über ihre Gespräche mit dem nach fünf gewalttätigen Übergriffen sofort in Haft gebrachten und mehrfach vorbestraften Auerbacher. Sie sprach von einer tiefgreifenden Persönlichkeitsstörung. Zuvor schon hatte man in einer Justizvollzugsanstalt, in der der Mann eine Strafe verbüßte, den Begriff "Paranoide Psychose" ins Gutachten geschrieben.
Ans Landgericht verwiesen
Nach Abschluss der Beweisaufnahme brach Schöffengerichts-Vorsitzender Markus Sand die Verhandlung ab. Er verwies das gesamte Verfahren an die Erste Strafkammer des Landgerichts und machte dafür den dringenden Verdacht auf eine fortschreitende psychische Erkrankung des Angeklagten geltend. Von daher, so Sand, könne es sein, dass womöglich die Unterbringung in einer Forensik wegen Gemeingefährlichkeit anzuorden sei - und diese Kompetenz habe ausschließlich das Landgericht.
Die umfangreichen Darlegungen zur verfassungsschützerischen Tätigkeit des Angeklagten hielt Sand ebenso für erfunden wie dessen Beschreibungen von Rollen als Mann, der in die Kreise eines Rockerclubs vordrang und als angeblicher Journalist Enthüllungsreportagen schrieb.













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