Lucki liebt seinen geordneten Arbeitsalltag, wenn er in der Behindertenwerkstätte Teile zusammensteckt und Trinkflaschen baut. Denn sein Leben begann alles andere als geordnet, vielmehr bestimmten chaotische familiäre Verhältnisse seine frühen Lebensjahre. Nach Aufenthalten in Kinderheimen und Betreuungseinrichtungen kam er zu einer Pflegemutter. Seine leibliche Mutter konnte ihren Erziehungsaufgaben nicht gerecht werden, so dass seine kindliche Entwicklung Schaden zu nehmen drohte, wie das Landratsamt in einem Pressebericht mitteilt. Als ihn Katharina Meier bei sich aufnahm, war er acht Jahre alt. Von da an kehrte sich Luckis Unglück in Glück. Zwar war seine kleine Seele nach den verstörenden Erfahrungen noch immer in Aufruhr, aber in der neuen Familie kam sie langsam zur Ruhe und durfte zu heilen beginnen.
„Einfach ist es nicht, den Schmerz des Kindes zu erleben und ihm beim Verarbeiten der Enttäuschungen zu helfen“, schilden Berta und Josef Heinrich. Das Ehepaar kennt das Leid, das Pflegekinder hinter sich haben, bevor sie aus ihren Ursprungsfamilien herausgenommen und zu Pflegeeltern gebracht werden. Schon viele solcher Kinder hat das Paar in Bereitschafts- und Dauerpflege großgezogen, nachdem die eigenen aus dem Haus waren. „Wir hatten noch Lust, Kindern und Eltern die Möglichkeit einer Hilfestellung zu geben und absolvierten einen Kurs zur Pflegefamilie beim Jugendamt Schwandorf“, erzählen sie. Bereut haben sie es nie, weil viel zurückkommt. „Wir halten es für selbstverständlich, dass gutes Essen ausreichend vorhanden ist. Nun erlebt man, dass dies nicht für alle Kinder gilt. Es macht glücklich, Schutzbefohlenen Geborgenheit und Normalität zu geben.“
Probleme auch mit leiblichen Kindern
Glücklich ist Katharina Meier bis heute, dass Lucki in ihr Leben kam. Auch wenn es nicht immer einfach ist. „Auch mit leiblichen Kindern gibt es mal Probleme. Da muss man halt durch“, stellt die Beamtin fest. Nachdem es mit eigenen Kindern nicht geklappt hatte, stand für die damals 48-Jährige fest, dass sie sich um ein Pflegekind bemühen wird. Geholfen hat ihr dabei die intensive Begleitung durch das Kreisjugendamt Amberg-Sulzbach und den Sozialdienst Katholischer Frauen (SkF) Amberg.
Die Mitarbeitenden dieser Einrichtungen nahmen sich Zeit und klärten sie über die erfüllenden Momente auf, die ein Pflegekind mit sich bringt. Sie warnten aber auch vor den Konflikten und Nöten, die Kinder mit teils traumatischen Erfahrungen in die neue Familie hineintragen können. „Man wird nicht als Pflegemutter geboren, sondern wächst in diese Aufgabe hinein“, resümiert Katharina Meier, die ihre Erfahrungen jedoch nicht mehr missen möchte. Viel zu innig sei die Beziehung zu Lucki geworden, der sie liebevoll „Mama“ nennt. Zur leiblichen Mutter und den beiden Geschwistern hält er lieber Distanz.
Bei Lisa ist es genauso. Den Kontakt zu ihrer Herkunftsfamilie hat sie erst einmal auf Eis gelegt. „Weil es mir ohne sie besser geht“, erklärt die 17-Jährige, die als Baby mit fünf Monaten zu ihrer Pflegefamilie im Landkreis Amberg-Sulzbach gekommen war. Anderen Kindern in vergleichbaren Situationen rät sie: „Man kann sich abnabeln und vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder den Kontakt suchen. Sei dir aber stets bewusst, dass es wieder Tiefen geben kann.“ Heute macht die sympathische junge Frau eine Ausbildung zur Frisörin und engagiert sich in ihrer Freizeit bei der Jugendfeuerwehr. Später möchte sie eine eigene Familie gründen und mindestens ein Pflege- oder Adoptivkind zu sich nehmen.
Wichtige Aufgabe für Gesellschaft
Der Pflegekinderdienst des SkF betreut im Landkreis und in der Stadt Amberg aktuell 138 Pflegefamilien mit insgesamt 166 Pflegekindern im Alter von 0 bis 21 Jahren. „Ich kann mich nur bei allen Verantwortlichen und Pflegeeltern herzlich für dieses Engagement bedanken. Sie leisten eine große humane Aufgabe in unserer Gesellschaft“, betont Landrat Richard Reisinger. Ein Großteil dieser Kinder sei im Säuglings- oder Kleinkindalter in einer Pflegefamilie untergebracht worden. Für ältere Kinder und Jugendliche bleibe oft nur die Alternative, in einer stationären Wohngruppe aufzuwachsen. Dabei benötigen laut der Pressemitteilung viele von ihnen noch feste Bezugspersonen und die familiäre Nestwärme.
Immer wieder müssten Geschwister getrennt werden, da meist nur die jüngeren Geschwisterkinder in Pflegefamilien unterkommen. Das Glück, fürsorgliche Pflegeeltern zu finden, hätten nicht alle. „Babys und Kleinkinder werden bevorzugt“, weiß Melissa Sitorius vom SkF-Pflegekinderdienst. Doch es werden Pflegefamilien für Kinder und Jugendliche jeden Alters gebraucht, erklärt sie. „Insbesondere für ältere, jugendliche Pflegekinder von acht bis 18 Jahren ist der Bedarf derzeit hoch.“
Unterstützung durch Fachstelle
Dem SkF Amberg wurde vom Landkreis Amberg-Sulzbach und der Stadt Amberg der Pflegekinderdienst als eine Aufgabe der gesetzlichen Jugendhilfe übertragen. Fallbezogen arbeiten Melissa Sitorius und ihre Kolleginnen mit den Jugendämtern und Beratungsstellen zusammen und begleiten Erwachsene, die sich mit der Idee einer Pflegeelternschaft tragen. Dabei würden viele Fragen zur Erziehung und Entwicklung des Kindes, zur Integration in die Familie, zur Identitätsfindung oder zur Gestaltung des Kontaktes zur Herkunftsfamilie auftauchen. „Diese Fragen klären wir individuell bei Einzel- und Familiengesprächen oder auch bei Hausbesuchen“, sagt Sitorius. Auch bei rechtlich unklaren Situationen oder Krisensituationen gibt es Unterstützung. „Wir lassen niemanden alleine.“
Wer sich für eine Pflegeelternschaft interessiert, hat laut SkF verschiedene Möglichkeiten. Bei der sogenannten Bereitschaftspflege erklären sich Erwachsene bereit, ein Kind für eine befristete Zeit bei sich aufzunehmen, weil die leiblichen Eltern über einen kurzen Zeitraum ausfallen. Bei der Dauerpflege dagegen wird das Pflegekind lange Zeit in der Familie leben. In beiden Fällen werden die Bewerber in speziellen Seminaren auf ihre künftigen Aufgaben vorbereitet und jährlich fortgebildet. Besonders in der ersten Zeit, wenn das Kind in die Familie kommt, sei der enge Austausch mit den Fachstellen wichtig. „Denn anfangs passen sich die Kinder oftmals an. Später können auffällige oder schwierige Verhaltensweisen auftreten. Dann helfen wir fallbezogen und individuell“, berichtet Sitorius. Funktioniert das Zusammensein dennoch nicht, gibt es auch dafür eine Lösung wie etwa die schonende Anbahnung eines Familienwechsels oder die Unterbringung des Kindes in einer Wohngruppe.
Im Fall von Lucki ist vieles gutgegangen. Von seiner Arbeit in der Werkstätte kommt er meist fröhlich singend nach Hause, erzählt Katharina Meier, die sich früher ein Baby als Pflegekind gewünscht hatte. Als sie jedoch das erste Mal in die grünen Augen das damals Achtjährigen geblickt hatte, war es um sie geschehen.
In eigener Sache: Zum Schutz der Betroffenen wurden sowohl die Namen der Pflegekinder als auch der Pflegeeltern geändert.
Wer kann ein Pflegekind aufnehmen?
Voraussetzungen für die Übernahme einer Pflegeelternschaft sind:
- Genügend Zeit und (Wohn)Raum für das Pflegekind
- Spaß am Umgang mit Kindern
- Geduld, Belastbarkeit und Einfühlungsvermögen
- Bereitschaft, das Pflegekind wie ein eigenes Kind zu behandeln
- Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den leiblichen Eltern, mit der SkF-Beratungsstelle und dem Jugendamt
- Bereitschaft, verschiedene Hilfsangebote und Therapien für das Pflegekind anzunehmen
- Akzeptanz den leiblichen Eltern gegenüber, um Kontakte zu diesen zu fördern
- Wirtschaftlich geordnete Verhältnisse
- keine Vorstrafen
Kontakt beim SkF-Pflegekinderdienst: 09621/48720 und sozialdienst-kf[at]skf-amberg[dot]de
„Man wird nicht als Pflegemutter geboren, sondern wächst in diese Aufgabe hinein.“
„Insbesondere für ältere, jugendliche Pflegekinder von acht bis 18 Jahren ist der Bedarf derzeit hoch.“
„Ich kann mich nur bei allen Verantwortlichen und Pflegeeltern herzlich für dieses Engagement bedanken. Sie leisten eine große humane Aufgabe in unserer Gesellschaft.“
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